Gancia-Award: Alpentraum:Filz und Phantasie

Im "Alpentraum" erleben die Gäste eine sehr entspannte Version der bayerisch-österreichischen Küche - und die Blutwurstravioli süffeln genüsslich Barolo.

Stephan Handel

Der Heilbutt ist fast schon aufgegessen, und auch vom Riesling schwimmt nur noch eine Neige im Glas, da sagt Florian Zaruba diesen einen Satz: "Menschen einen schönen Abend bereiten - das gefällt mir einfach." Und dann schaut er sich um in seinem "Alpentraum", sieht die Hirschgeweih-Leuchter aus Porzellan, die Stühle, in deren Rücken ein Herzerl geschnitten ist, sieht Filz, Holz und Bierkrüge und scheint zu denken: Wo, wenn nicht hier?

Nein, der "Alpentraum" in der Karlstraße ist kein Jodelbayer, keine Touristenfalle, wo ein knorpeliges Schnitzel mit Pommes als bayerische Küche verkauft wird. Der "Alpentraum" ist ein Zitat, überhaupt nicht ironisch, sondern sehr ernst gemeint, hineingeworfen in diese Bürohaus-Landschaft hinter dem Lenbachplatz, ein Laden, der beides zusammenbringt: Gemütlichkeit und Stil. Florian Zaruba betreibt es zusammen mit David Kostic seit zweieinhalb Jahren, nachdem sie zuvor schon im "Tafel und Schwafel" erfolgreich und im Café im Jüdischen Museum nicht ganz so erfolgreich gewesen waren.

Ein Zitat - bei der Einrichtung, auf der Karte, beim Ambiente. "Wir wollen Typisches mit Untypischem kombinieren", sagt Zaruba und hat als Begründung für die Ausrichtung der Küche nur parat: dass er selbst gerne alpenländisch isst. Aber: "Da gibt es diese fürchterlich auf bayerisch getrimmten Wirtshäuser, in denen die Küche schlimm ist. Oder Nobelschuppen, wo man Angst hat, den Mund aufzumachen, weil alles so fein ist."

Sie wollten es anders machen - nämlich modernes Design und hochwertige Küche. Dafür holten sie Ronny Pester, der zuvor im "Essneun" und im "Nektar" gekocht hatte, nun aber keine Lust mehr auf Event-Cooking hatte. Er bestückt die Speisekarte mit Reellem, dem ein Hauch Exotik beigefügt wird: Da gibt es dann Kalbsfilet mit Blutwurstravioli, dazu Lauch und Feige, alles sitzt auf einer Barolosoße. Alpenländisch soll es sein - aber so genau nimmt man das nicht. Das iberische Wollschwein hat schon auch seinen Platz, und allein mit Fischen aus Inn und Wolfgangsee wäre der entsprechende Posten im Acht-Gänge-Menü schwer zu bestreiten. Aber die Weine, das schwört Zaruba, kommen nur aus den Alpenländern, kein Spanier, kein Südafrikaner, kein Chilene.

Der Wein, das ist Zarubas Metier, er kümmert sich um Einkauf und Auswahl und berät die Gäste. Dabei hat er, der eigentlich aus der Werbung kommt, lernen müssen, dass er nicht nur seinen eigenen Geschmack als Maßstab nehmen kann: "Einen Luganer muss man in München haben", sagt er und sein Gesicht sagt deutlich, was er von der Modetraube hält. Auch Prosecco ist im Angebot, weil manche Leute immer noch glauben, das sei schick.

Der Espresso kommt, und schon vor dem ersten Schluck glaubt Zaruba, sich entschuldigen zu müssen: Nicht viel los am Rosenmontag mittags, da hätte man eigentlich zuerst Wasser durch die Maschine laufen lassen müssen, damit alles so ist, wie sich's gehört. Dann ein Probenippen: Gott sei Dank, alles in Ordnung. Der "Alpentraum" und seine Betreiber ringen erkennbar um jede mögliche Perfektion, und dazu gehört eben auch, dass das Kaffeewasser frisch ist.

Eine große Tafel für 30 Leute beherrscht den Gastraum - da wird's dann abends gerne etwas urig, laut und eng - wie auf einer Hütte eben. Holzscheite liegen aufgeschichtet in den Fenstern, der graue Filz an den Wänden setzt sich fort auf Sitzflächen und Lehnen der Stühle sowie als Set auf den Tischen. Das stimmt, und wenn dann noch das Kompott von der Wildhasenschulter mit Gänseleber kommt, dann kann der Gast tun, was Florian Zaruba am besten gefällt: einen schönen Abend haben.

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