Games:Knappe Ressourcen

Fairytale Distillery

Alexander Zacherl liebt Computerspiele, schon als Schüler hat er seine erste Firma gegründet. Jetzt arbeitet er an einem großen Online-Rollenspiel.

(Foto: Jan Bojaryn)

Alexander Zacherl entwickelt mit minimalem Budget sein erstes Computerspiel "Das Tal". Ein anständiges Gehalt zahlt sich der Gründer nicht aus

Von Jan Bojaryn

Viele Firmengründer im zweiten Jahr sind gestresst. Alexander Zacherl wirkt gut gelaunt. "Die Entscheidung bereue ich jeden zweiten Tag", sagt er zwar. Aber er lacht dabei. Er lacht überhaupt sehr viel. Und er redet sehr schnell.

Zacherl, 29, sitzt in seiner Münchner Wohnung, weil das Wetter schlecht ist. Normalerweise fahre er ins Büro, sagt er. Er lebt bescheiden. Seit seiner Studienzeit hat sich materiell und an seinem Lebensstandard nicht viel geändert. Während des Gesprächs klingelt der Pizzaservice an der Tür. Zacherl zahlt sich als Mitgründer und Geschäftsführer von Fairytale Distillery nur ein kleines Gehalt aus. Damit erkauft er sich kreative Freiheit. Nach seinem Medienmanagement-Studium merkte er, dass er doch nicht in die PR-Branche wollte, um Werbung für fremde Spiele zu machen. Also fasste er einen Beschluss: "Machste Games."

Wer Spiele machen will, der braucht Fachkenntnisse in vielen Disziplinen. Programmieren ist wichtig, aber auch Grafik und Design. Zacherl konnte nichts davon. Aber er liebte Computerspiele, mochte es, Spielkonzepte auszutüfteln und hatte schon aus Schulzeiten Erfahrung, wie man Firmen gründet. Also startete er mit Freunden zusammen die Bit Barons. Die kleine Firma entwickelte Download- und Handyspiele. Größter Erfolg war der bunte Puzzletitel "Astroslugs". Nach vier Jahren war etwas Geld auf dem Konto, und Zacherl wollte jenes "fette Projekt" angehen, das ihm seit Jahren vorschwebte. Er überzeugte seinen Freund Sebastian Dorda, bei der Spielefirma Travian Games auszusteigen und sich auf das Abenteuer einzulassen. Die beiden gründeten die Fairytale Distillery.

"Bootstrapping" hat vor allem in der amerikanischen Start-up-Szene eine Tradition. Als Jungunternehmer lebt man auf kleiner Flamme und arbeitet hart, bis man irgendwann profitabel wird oder Investoren anlocken kann. Auch Zacherl und Dorda haben in ihrem ersten Jahr "das Geld verbrannt, das auf dem Konto war". Aber die beiden entwickeln kein Spiel, mit dem man Venture-Capital-Geber oder größere Spielefirmen begeistert. Sie entwickeln Zacherls Traumspiel: einen anspruchsvollen Nischentitel. Der Reiz des Spiels erschließt sich nur Menschen, die schon andere Online-Rollenspiele gespielt haben.

Das Spiel heißt "Das Tal" und ist ein "PvP Sandbox MMO". Spieler wissen, was der Kürzelsalat bedeutet: ein Online-Rollenspiel, bei dem Charaktere in einer offenen Spielwelt aufeinandertreffen, sich gegenseitig bekämpfen oder sich zu kleinen Gruppen zusammenschließen können. Die ganze Welt ist ein Strafgefängnis, jeder Spielercharakter ein Häftling. Alle kämpfen gegeneinander um knappe Ressourcen. Für Nicht-Spieler klingt das ungewöhnlich, aber "Das Tal" greift populäre Trends auf und mischt sie neu.

Nur vier Arbeitsplätze stehen im Büro im Münchener Gründerzentrum Werk 1. Trotzdem fließen mehr als 85 Prozent des Budgets in das Personal. Zacherl ist stolz, seine Mitarbeiter zu bezahlen, muss dafür aber auch viel tun. Er hat einen privaten Investor für das Projekt gewonnen, und 80 000 Euro Fördersumme aus dem bayerischen Film-Fernseh-Fonds bekommen. Das reicht nicht für große Sprünge. Doch immerhin gibt es die Förderung, einen starken Binnenmarkt und an Standorten wie München ein Netzwerk aus Spielemachern. Unabhängige Entwickler wie Zacherl haben es überall schwer.

Zusätzliches Geld soll nun eine Kampagne auf der Crowdfunding-Webseite Kickstarter bringen. Bis zum 10. Juni können Fans das Spiel dort vorbestellen. Aber die "Schwarmfinanzierung" auf Kickstarter funktioniert nur, wenn sich genug Menschen begeistern und von einer Investition überzeugen lassen: 50 000 Euro müssen mindestens zusammen kommen, sonst werden die Vorbestellungen storniert und es fließt gar kein Geld. Ob das Ziel erreicht wird, ist noch unklar. Und auch diese Summe wäre nur ein weiterer Baustein im Finanzierungsmosaik; es würde an Grafiker, Animatoren und Sounddesigner ausbezahlt. Ein komplettes Spiel konnten bisher nur wenige über Kickstarter finanzieren. Auch Zacherl wird das nicht schaffen. Zwischen 200 000 und 500 000 Euro soll das Budget von "Das Tal" am Ende liegen.

Die Lage für das Münchner Spiele-Start-up ist prekär, die Zukunft ungewiss. Mitleid haben muss man aber nicht. Alle Mitarbeiter sind hoch qualifiziert. Zacherl und Dorda sind noch jung. Scheitern sie mit ihrem Projekt, können sie anderswo gut bezahlte Jobs finden. Oder sie haben Erfolg. Dann können sie sich vielleicht schon bald ein angemessenes Gehalt auszahlen und essen gehen, statt Pizza zu bestellen.

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