Fußfessel für entlassene Häftlinge:Ein "besseres Babyphone"

Überwachung auf Schritt und Tritt: Entlassene Gewalt- und Sexualstraftäter können ab sofort auch in Bayern mit einer Fußfessel überwacht werden. 2012 soll die Technik bei neun Häftlingen eingesetzt werden, vier werden in München wohnen. Kritik kommt von der Polizeigewerkschaft - sie spricht von einem "Babyphone".

Susi Wimmer

Von sofort an können entlassene Gewalt- oder Sexualstraftäter auch in Bayern mit einer Fußfessel überwacht werden. 17 Kandidaten haben Polizei und Justiz bislang bayernweit ins Auge gefasst, bei neun Männern soll die Anordnung noch in diesem Jahr greifen, vier von ihnen werden in München wohnen. Bis dato allerdings sitzen die Probanden noch hinter Gittern. Wann sie entlassen werden, ist noch unklar. Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert die Elektronische Aufenthaltsüberwachung als "besseres Babyphone". Justizministerin Beate Merk bezeichnete die Kritik der Gewerkschaft als polemisch.

Fußfesselüberwachung kurz vor dem Start

Die elektronische Fußfessel wird nun auch in Bayern eingesetzt.

(Foto: dpa)

In München gab es im vergangenen Jahr zwei Testphasen für die elektronische Fußfessel: Im September sowie im November ließen sich Polizisten und Justizangestellte probeweise das kleine schwarze Gerät um die Fessel schnallen. Je nach Bedarf kann es so programmiert werden, dass der Alarm ausgelöst wird, wenn sich beispielsweise ein Pädophiler in der Nähe eines Kindergartens aufhält.

Nach Informationen der SZ gab es durchaus noch Probleme in der Testphase, etwa bei Schnittstellen zwischen den Polizeipräsidien München und Oberbayern Süd. Oder im Olympia-Einkaufszentrum: Dort soll die Ortung der Testpersonen mangelhaft gewesen sein.

Die lückenlose Überwachung der Fußfesselträger funktioniert über zwei Systeme. GPS ermöglicht eine Standortbestimmung über das Satellitennetz. Wenn das ausfällt, etwa in der U-Bahn, greift gleichzeitig LBS, ein System, das auf dem Handynetz basiert. Mit der 170 Gramm schweren Fußfessel bekommt der Kandidat auch ein Handy mit auf den Weg. Wird der Alarm ausgelöst, wird zunächst mit dem Mann telefonisch Kontakt aufgenommen, dann entscheiden die Beamten über weitere Maßnahmen.

"Die Justiz hat gepennt, sie hätte rechtzeitig Therapieeinrichtungen für derartige Täter schaffen müssen", wettert Rainer Nachtigall von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). "Jetzt wird wieder alles auf die Polizei abgewälzt." Die Behörden würden damit eine Sicherheit vorgaukeln, die die Fußfessel nicht leisten könne. In der Wohnung der Haftentlassenen etwa werden die GPS-Daten aus Persönlichkeitsgründen unterdrückt. Auch mit Fußfessel könne ein Sexualstraftäter sich wieder an Kinder heranmachen.

"Wir nutzen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel"

Außerdem sei die Maßnahme mit einem enormen Aufwand verbunden. Bereits acht Monate im Voraus müssen sich nämlich Polizei, Justiz, Staatsanwaltschaft und Bewährungshilfe an einen Tisch setzen, um in sogenannten Fallkonferenzen die Probanden auszusuchen und ein auf sie ganz persönlich zugeschnittenes Konzept mit Alarmierungsplänen zu entwickeln.

Justizministerin Beate Merk kontert, dass man nie behauptet habe, die Fußfessel könne Straftaten verhindern. "Aber sie kann abschrecken", sagt die Ministerin. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Straftäter nach ihrer Haftverbüßung auf freien Fuß gesetzt werden, eine nachträglich verhängte Sicherungsverwahrung wurde für rechtswidrig erklärt. In Bayern fielen im letzten Jahr rund 30 Männer in dieses Raster. Sie hatten Gewalt- oder Sexualdelikte verübt, waren mehr als drei Jahre im Gefängnis gesessen, und man attestierte ihnen Wiederholungsgefahr.

"Es sind Fälle, in denen alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind", heißt es seitens des Justizministeriums. Die Männer müssten laut Rechtsprechung entlassen werden, auch eine anderweitige Unterbringung sei gescheitert. Die Justiz lege hier nicht die Hände in den Schoss, sagt Beate Merk. Im Gegenteil: "Wir nutzen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel." Und dazu gehöre auch die elektronische Fußfessel. "Jeder Rückfall, den sie verhindert, lohnt ihren Einsatz."

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