Fußballturnier der Obdachlosen:"Als ich frei kam, hatte ich nichts"

Homeless Cup

Die Obdachlosen-Turniere sollen das Thema Wohnungslosigkeit in die Öffentlichkeit bringen, daher wird mitten in den Städten gekickt. Das Bild zeigt eine Szene von der Deutschen Meisterschaft vor zwei Wochen in Lübeck.

(Foto: Lars Wehrmann / oh)

Wer an Obdachlose denkt, denkt meistens an Männer. Doch auch Cora Kalch sitzt auf der Straße. Nach einer Haftstrafe verlor sie Job und Wohnung. Beim European Homeless Cup tritt sie mit einem Frauenteam an. Ein Gespräch über Obdachlosigkeit, Gefängnis und Fußball.

Von Beate Wild

Cora Kalch, 42, spielt im Münchner Frauenteam des Evangelischen Beratungsdienstes - diese Woche bei der Obdachlosen-Europameisterschaft in München. Ein Gespräch über Obdachlosigkeit, ihre Haftstrafe - und die Chancen auf einen Sieg.

SZ: Frau Kalch, ist Ihr Team für den European Homeless Cup gut vorbereitet?

Cora Kalch: Die Mannschaft ist bestens in Form. Wir trainieren seit vier Wochen zweimal wöchentlich in der Soccer Five Arena im Olympiapark, dort kicken wir regelmäßig gegen ein Männerteam. Trainiert werden wir von Tobias Marx, einem Sozialarbeiter. Der macht seine Sache richtig gut.

Welche Frauen spielen mit?

Fußballturnier der Obdachlosen: Wer an Obdachlose denke, denke meistens an Männer. Das ist die Erfahrung von Cora Kalch, 42. Nach einer Haftstrafe verlor sie Job und Wohnung. Bei der EM will sie mit ihrem Team natürlich den ersten Platz machen.

Wer an Obdachlose denke, denke meistens an Männer. Das ist die Erfahrung von Cora Kalch, 42. Nach einer Haftstrafe verlor sie Job und Wohnung. Bei der EM will sie mit ihrem Team natürlich den ersten Platz machen.

Wir sind alle wohnungslos, bis auf eine Betreuerin, die auch mitkickt. Die Mädels wohnen entweder wie ich im Haus des Evangelischen Beratungsdienstes oder in einem anderen Frauenhaus. Insgesamt sind wir leider nur zu sechst, also ein vergleichsweise kleines Team.

Beim Turnier in München spielen erstmals vier reine Frauenmannschaften mit. Wie kam das Münchner Frauenteam zustande?

Wir sind vor ein paar Wochen vom Evangelischen Beratungsdienst angesprochen worden. Ich war sofort am Start, denn ich habe früher immer schon gerne Fußball gespielt.

Wie sind Sie in die Obdachlosigkeit geraten?

Vor drei Jahren kam ich wegen eines Betrugsdelikts in Haft, dreieinhalb Jahre lautete das Urteil. Nach zwei Jahren wurde ich im Juni 2012 wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Seither wohne ich im Frauenhaus in der Heßstraße. Durch meinen Gefängnisaufenthalt habe ich alles verloren: meinen Job, meine Wohnung, und auch meine Beziehung ging in die Brüche. Vor der Haft hatte ich ein normales Leben. Als ich frei kam, hatte ich nichts. Ich wusste nicht, wohin, deshalb bin ich in dieser Einrichtung gelandet.

Wie geht es Ihnen heute?

Das Gefängnis hat mich härter gemacht, es war eine krasse Zeit. Und ich weiß, dass ich nie wieder dorthin zurück will. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken in diesen zwei Jahren und mir ist einiges über mein Leben klar geworden. Deshalb stehe ich auch dazu, was passiert ist. Aber jetzt schaue ich nach vorne.

Wie geht es nun weiter bei Ihnen?

Seit einigen Monaten bin ich auf Wohnungssuche, was in München bekanntlich nicht so einfach ist. Für eine Sozialwohnung stehe ich auf der Warteliste. Und dann hoffe ich, dass ich wieder in meinem Job als Bürokauffrau arbeiten kann.

Ist der Sport ein wichtiger Bestandteil in ihrem neuen Leben?

Auf alle Fälle, das ist eine gute Ablenkung und man lernt neue Leute kennen. Fußball ist ein Teamsport, der Zusammenhalt ist wichtig. Fußballspielen hilft mir, meine Beine wieder auf den Boden zu bekommen. Außerdem arbeite ich ehrenamtlich als Ordner beim Eishockey und beim Stadtlauf, diese Aufgaben tun mir gut.

Was erwarten Sie sich von diesem Obdachlosen-Fußballturnier?

Erst einmal finde ich es schade, dass es während der Woche stattfindet, da müssen ja die meisten arbeiten und können nicht zum Zuschauen kommen. Aber positiv ist, dass die Spiele direkt am Odeonsplatz ausgetragen werden, direkt im Herzen der Stadt. Ob die zwei Tage allerdings dazu ausreichen, die Gesellschaft auf die Problematik der Obdachlosigkeit aufmerksam zu machen, bezweifle ich. Gut finde ich, dass dieses Mal auch Frauenteams dabei sind. Wenn man an Obdachlosigkeit denkt, denkt man meistens nur an Männer. Aber Frauen können genauso davon betroffen sein, das geht schneller als man denkt.

Was passiert mit der Frauenmannschaft nach dem Turnier?

Wir machen natürlich weiter mit dem Training, einmal die Woche. Das macht uns allen richtig Spaß. Und wenn wieder ein Turnier kommt, wollen wir wieder antreten.

Die anderen Frauenteams, die beim Homeless Cup dabei sind, kommen aus Schottland, Bulgarien und den Niederlanden. Wie glauben Sie, dass die Chancen für Ihr Team stehen?

Uns ist ja nicht bekannt, wie gut die anderen spielen, aber unsere Mannschaft ist fit und will gewinnen. Wir sind sehr ehrgeizig. Wenn wir schon antreten, wollen wir auch den ersten Platz machen!

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: