Bürgerversammlung:Unterm Rad

Klagen über Verkehrsprobleme dominieren die Bürgerversammlung für den Stadtbezirk 19. Und die Bewohner des Deba-Hochhauses in der Parkstadt Solln proben den Aufstand gegen eine Shisha-Bar

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Die Bewohner des Stadtbezirks Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln wünschen sich nichts so sehr wie eine Bändigung des Verkehrs und die Lösung der damit verbundenen Sicherheits-, Feinstaub- und Lärmprobleme. Dies ist die zentrale Botschaft einer fast monothematischen Bürgerversammlung mit rund 300 Besuchern im Stadtteilzentrum Fürstenried-Ost. Vertreter des Vereins Verkehrsberuhigung München unterbreiteten reihenweise Verbesserungsvorschläge, wie etwa Geschwindigkeits-Warnanzeigen oder Fahrbahn-Piktogramme und signalisierten ihre Entschlossenheit, stärker als bisher Einfluss auf die städtische Verkehrspolitik zu nehmen. Anträge, die auf jedwede Form der Entlastung abzielten, wurden nahezu ausnahmslos mehrheitlich angenommen.

Das galt auch für entsprechende Wünsche der Bewohner des Deba-Hochhauses in der Parkstadt Solln, die sich nachts durch die Betreiber und motorisierten Besucher einer Shisha-Bar terrorisiert fühlen. Neben schärferen Polizeikontrollen, neuen Schildern und dem konsequenten Abschleppen von Falschparkern forderten die Leute aus der Drygalskiallee 118 eindringlich die Anerkennung ihrer Rechtsauffassung durch die Stadtverwaltung. Danach sind Vergnügungsstätten in ihrem Wohnbereich unzulässig, ein Konzessionsentzug für die Shisha-Lounge sei folglich unabdingbar.

Bürgerversammlung: Im Würgegriff des Verkehrs sehen sich viele Forstenrieder und andere Bewohner des Stadtbezirks 19.

Im Würgegriff des Verkehrs sehen sich viele Forstenrieder und andere Bewohner des Stadtbezirks 19.

(Foto: Claus Schunk)

Der Sprecher der 400 Wohnungseigentümer aus dem Deba-Hochhaus, Hans-Ulrich Gräger, stieß mit seiner juristischen Detailbetrachtung rasch an die Redezeitbegrenzung auf fünf Minuten, und die Versammlungsleiterin, die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Beatrix Zurek, ließ sich selbst durch noch so schrille Proteste nicht zu einer zeitlichen Zugabe erweichen. Dafür brachte die Verwaltungsbeirätin Irmgard Urban-Gräger noch einmal anschaulich auf den Punkt, worum es in dem Konflikt geht: "Wegen der Shisha-Bar können wir kaum noch schlafen. Wir wollen keine Remmidemmi-Meile werden wie der Gärtnerplatz."

Ruhig schlafen würde auch Günter Fieger-Kritter gern mal wieder. Der Anwohner der Forstenrieder Allee beantragte einen besseren Lärmschutz entlang der Wohnbebauung an der Garmischer Autobahn. In den vergangenen 40 Jahren sei der Verkehr auf der A 95 massiv angewachsen, argumentierte Fieger-Kritter, andere Bezirksausschüsse (BAs) würden in ähnlichen Fällen sogar Einhausungen derartiger Lärmquellen fordern. Eben dies empfahl er auch dem BA 19, der "bisher keine nennenswerten Aktivitäten zur Erreichung niedriger Lärm- und Abgaswerte" an den Tag gelegt habe.

In großer Dichte kamen weitere Verkehrsbrennpunkte des Stadtbezirks zur Sprache: die Liesl-Karlstadt-Straße und die Herterichstraße in Forstenried mit ihren "sich weiter verschärfenden" Belastungen; die Maria-Einsiedel-Straße in Thalkirchen, auf der, wie Tilo Schmidt vom Verkehrsberuhigungsverein beklagte, trotz Tempo-30-Regelung noch immer gerast werde; die Boschetsrieder Straße in Obersendling mit ihren streckenweise viel zu schmalen Radwegen; die Plattlinger Straße in Solln mit ihren "paradox wechselnden" Geschwindigkeitsvorgaben und ihrer unterschiedlichen Breite. Zum Grundtenor der Versammlung gehörte auch dies: Für Radler sind längst nicht genügend Abstellanlagen, für Fußgänger nicht hinreichend kurze Wege zum S-Bahnhof Siemenswerke vorhanden. Der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU) räumte ein, der Verkehr sei im Münchner Süden "das große Thema" geblieben, "auch wenn die Befürworter und Gegner des Stäbli-Durchstichs nicht mehr in Hundertschaften aufmarschieren". Zugleich konfrontierte Weidinger die Bürger mit dem spürbar unwillkommenen Ergebnis einer aktuellen Zählung. Danach sind die meisten Verkehrsprobleme "hausgemacht".

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