Fürstenried:Turmhohe Zweifel

Fürstenried: Schon bei der ersten Vorstellung der vier Siegerentwürfe zur Nachverdichtung in Fürstenried am 13. Oktober hatte es kritische Blicke gegeben.

Schon bei der ersten Vorstellung der vier Siegerentwürfe zur Nachverdichtung in Fürstenried am 13. Oktober hatte es kritische Blicke gegeben.

(Foto: Catherina Hess)

Ein Workshop seziert die siegreichen Architektenentwürfe zur Nachverdichtung in Fürstenried-West. Kritik an Stellplatzschlüssel und eingeschränkter Aussicht

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Bauträger und Planungsreferat lassen nichts unversucht, wegen der geplanten Nachverdichtung in Fürstenried-West den "produktiven Dialog" mit den Quartiersbewohnern in Gang zu bringen. Bei einem zweiten Workshop zum Thema vertieften sie jetzt die Diskussion um die vier siegreichen Entwürfe des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs. Die Gesprächsbereitschaft vermochte nicht darüber hinweg zu täuschen, dass längst nicht alle Zweifel an dem Vorhaben ausgeräumt sind.

Gleich mehrfach infrage gestellt wurde, ob die Zahl der Parkplätze ausreichen werde, wenn in dem Viertel 600 zusätzliche Wohnungen entstehen. Ein errechneter Stellplatzschlüssel von 1,0 erscheint vielen Bürgern in Fürstenried-West als schlechter Scherz. Anwohner der Appenzeller Straße, Forst-Kasten-Allee und Bellinzonastraße befürchten Verschattung und die Beeinträchtigung ihrer Aussicht ins Grüne, wenn vor ihrer Nase neue Gebäude mit bis zu 16 Stockwerken hochgezogen werden, oder auch chaotische Verhältnisse während der vier- bis fünfjährigen Bauzeit. Naturschützer beklagen den drohenden Verlust wertvollen Baumbestands, vor allem an der Ecke Forst-Kasten-Allee/Graubündener Straße. Zudem wächst die Verärgerung darüber, dass die Planer offenbar nicht bereit sind, die geforderte Einkaufsmöglichkeiten vorzusehen. Wenigstens scheint eine Architektenidee vom Tisch zu sein, die für viele Leute einer Horrorvision gleicht: ein 14-stöckiger Wohnturm an der Ecke Bellinzona-/Appenzeller Straße. "Das geht so nicht", befand das Preisgericht. Ob ungewöhnliche Torhäuser mit Straßenüberbauung gehen, ist hingegen noch offen.

Für Christoph Söllner, Sprecher der Bürgerinitiative Pro Fürstenried, hat die Nichtberücksichtigung absehbarer Probleme schon bei der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs begonnen: "Anbauten an bestehende Häuser, die für die jetzigen Bewohner eine Zumutung wären, hätte man von vornherein ebenso ausschließen müssen wie eine Verschmälerung der Appenzeller Straße bei gleichzeitigem Einwohnerzuwachs." Überdies wisse anscheinend niemand genau, was auf den "Quartiersplätzen" passieren soll. Ferner hegt er den Verdacht, dass das Planungsareal von knapp 14 Hektar von einem "reinen" zu einem "allgemeinen" Wohngebiet umgewidmet werden soll, weil sich strenge Lärmgrenzwerte so aushebeln ließen. Für Söllner sind alle vier Siegerentwürfe eine Enttäuschung; sie deuteten ausnahmslos nicht auf eine moderate, sondern auf eine maximale Nachverdichtung hin. Für eine stark besiedelte Gegend seien 600 zusätzliche Wohnungen schlicht zu viel.

Im Gegensatz dazu versicherte Daniel Just, Vorstandsvorsitzender der Projektträgerin Bayerische Versorgungskammer, seinem Unternehmen gehe es nicht darum, "so viele Wohnungen wie möglich hineinzupacken". Vielmehr werde man sich im Dialog mit den Anwohnern bemühen, ein "ordentliches Gesamtkonzept" zu erarbeiten. Die Argwohn auslösende Veränderung berge die Chance zur Aufwertung des ganzen Viertels, sagte Just. "Die Siedlung wird entsprechend ihrem Charakter fortgeschrieben", präzisierte der Vorsitzende des Preisgerichts, Markus Allmann. Zugleich räumte er ein, dass Eingriffe in die Freiräume unvermeidlich seien, wenn derart viel neuer Wohnraum geschaffen werden soll.

Die Notwendigkeit, in einer rasant wachsenden Stadt einzelne Wohnquartiere durch Aufstockungen und Neubauten zu ergänzen, betonte erneut Susanne Ritter vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung. Trotz der bevorstehenden Verdichtung dürften die Fürstenrieder sich darauf verlassen, dass ihre Wohnqualität keine Einbußen erleide und wertvolle Gehölze geschont würden. Die Meinung der Anwohner zur Höhenentwicklung und anderen Aspekten sei weiterhin gefragt und werde in den Planungsprozess einfließen, sicherte Ritter zu. Bei allen baulichen Detailbetrachtungen dürfe man nicht vergessen, dass in Fürstenried-West Wohnungen zu bezahlbaren Mieten errichtet werden sollen, noch dazu von einem verlässlichen Partner der Stadt. 30 Prozent der Einheiten basierten auf unterschiedlichen Fördermodellen. "Wir wollen vermitteln, dass es eine Chance gibt, gegen die Mietpreisexplosion anzugehen", sagte Ritter.

Eine der wichtigsten Botschaften des Workshops zur Nachverdichtung, vorgetragen vom Bezirksausschuss-Vorsitzenden Ludwig Weidinger (CSU): Die Leute sollen sich nicht frustriert abwenden, sondern bei der Stange bleiben und weiterhin zur Diskussion um die beste Lösung für Fürstenried-West beitragen. Als nächstes soll Mitte Dezember jener Architektenentwurf gekürt werden, der künftig als Basis für alle weiteren Planungen dient. Die letzte Entscheidung in Sachen Nachverdichtung liegt, nach Abschluss des noch ausstehenden Bebauungsplanverfahrens, beim Münchner Stadtrat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: