Zugunglück bei Emmering:S-Bahn rammt Lastwagen auf Bahnübergang

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Schock am Mittwochabend: Nach dem Zusammenprall mit einem Lastwagen helfen Einsatzkräfte den Fahrgästen aus der S-Bahn. (Foto: Günther Reger)

Deformierte Stahlträger, demolierte Autos und ein zerfetzter Lastwagen-Anhänger: Ein liegengebliebener Autotransporter ist von einer S-Bahn gerammt und in Stücke gerissen worden. Der Fahrer wurde von herumfliegenden Trümmern erschlagen. Es war nicht das erste Unglück an dieser Stelle.

Von Stefan Salger

Ein Zug der S 4 hat am späten Mittwochabend in Emmering einen auf den Gleisen des Bahnübergangs stehenden Autotransporter buchstäblich in Stücke gerissen. Der 62 Jahre alte Lastwagenfahrer kam dabei ums Leben, einer der Fahrgäste wurde leicht verletzt.

Die Aufräumarbeiten und die Reparatur der beschädigten Oberleitung dauern voraussichtlich bis Freitag. Im S-Bahn- sowie im Fernverkehr kommt es deshalb zu starken Einschränkungen. Warum der Lastwagen auf dem mit Halbschranken versehenen Bahnübergang liegen geblieben war, ist am Donnerstag noch unklar.

Es ist 22.35 Uhr, als Josef Kern einen gewaltigen Knall hört. Das Championsleague-Spiel Galatasaray Istanbul gegen Schalke 04 ist gerade abgepfiffen worden. Der Emmeringer Rentner sitzt in seiner Wohnung an der Dr.-Rank-Straße im Ortsteil Untere Au. Und er ahnt, was da passiert ist, denn der mit Halbschranken und Warnlichtern ausgestattete Übergang über die beiden Gleise gilt seit vielen Jahren als Gefahrenquelle.

Der Autotransporter ist bei dem Unfall völlig zerstört worden. (Foto: Günther Reger)

Dort bietet sich ein gespenstisches Bild: Der rote S-Bahnzug, der von Fürstenfeldbruck Richtung München unterwegs war, ist nach der Notbremsung kurz hinter dem Bahnübergang zum Stehen gekommen. Der Auflieger des Lastwagens, der mit vier Autos zum Gewerbegebiet Reginawerk auf der anderen Seite der Bahnstrecke unterwegs gewesen ist, liegt aufgerissen fast parallel zu den Gleisen auf der Seite - um ihn herum verstreut deformierte Stahlträger und demolierte Autos.

Durch die Wucht des Aufpralls ist das mächtige Betonfundament eines Oberleitungsmastens aus der Erde gerissen worden. Die Zugmaschine mit Osnabrücker Kennzeichen steht am Rande des Bahnübergangs, schon auf der Seite Richtung Gewerbegebiet. Sie scheint unversehrt. Von dem Fahrer fehlt zunächst jede Spur. Später stellt sich heraus, dass der 62-Jährige vor dem Aufprall noch aus dem Fahrerhaus ausgestiegen, dann aber im hinteren Bereich des Lastwagens von Teilen des Aufliegers erschlagen und eingeklemmt worden ist.

Im Minutentakt treffen immer mehr Einsatzkräfte ein, so auch die Feuerwehren aus Emmering, Eichenau, Olching und Fürstenfeldbruck, die zunächst von vielen Verletzten ausgehen müssen. Schnell wird klar, dass für den Fahrer jede Hilfe zu spät kommt. Lediglich einer der 18 Fahrgäste, die sich in der S-Bahn befinden, ist leicht verletzt worden: Der 61-Jährige trägt kleinere Blessuren im Gesicht davon und klagt über Nasenbluten. Er wird von den Sanitätern ambulant behandelt. Obwohl der Triebwagen der S-Bahn schwer beschädigt worden ist, hat der Lokführer den Unfall unverletzt überstanden.

Die Fürstenfeldbrucker Polizei und Kräfte der Bundespolizei nehmen die Ermittlung auf. Auch nach der Bergung des Lastwagens gegen 7.30 Uhr bleibt vorerst unklar, weshalb der Lastwagen auf dem Bahnübergang liegen geblieben war. Denn es gibt keine Augenzeugen. Noch sei nicht einmal klar, ob die Schranken unten und die Warnlichter geleuchtet hätten, sagt ein Polizist. Da der Lastwagenfahrer aber ausgestiegen ist, gilt eher ein technischer Defekt an seinem Autotransporter als wahrscheinlich. Der Sachschaden dürfte nach ersten Schätzungen bei einer Million Euro liegen.

Aufräumarbeiten am Tag danach: Die Oberleitung muss repariert werden. (Foto: Günther Reger)

Am Donnerstagvormittag trifft ein Rüstzug der Bahn ein, der die Oberleitung reparieren soll. Josef Kern steht im Kreis von Nachbarn nicht weit entfernt von der Unfallstelle. Hinter ihm beginnt ein endloser Stau - ein Autotransporter folgt dem nächsten, gegen 9 Uhr sind er bereits mehr als 30, die den Fahrbahnrand bis in den Ort hinein säumen. Seit der Bahnübergang gesperrt ist, werden es immer mehr.

Sie kommen aus Bulgarien, Litauen, den Niederlanden und allen Teilen Deutschlands, um die Firma Egerland zu beliefern. Die betreibt an bundesweit zehn Standorten "Europas größtes Autoauktionshaus", wie auf einer der riesigen Hallen steht. "Täglich sicher 40 bis 50" solcher Lastwagen, schätzt Kern, fahren jeden Tag an seinem Haus vorbei und über den Bahnübergang.

Am Tag danach stehen schon weitere Transporter mit Autos zur Abfahrt bereit.  (Foto: Günther Reger)

Am Donnerstag wird es auch deshalb besonders eng, weil sich die Busse und Taxen des Schienenersatzverkehrs und die Autos die eine verbleibende Fahrspur teilen müssen. "Vielleicht passiert ja jetzt endlich mal was und diese Gefahrenstelle wird entschärft", sagt Kern. Denn es ist nicht das erste Mal, dass es hier kracht.

Der Emmeringer erinnert sich noch gut, als Mitte der siebziger Jahre ein mit Fertigbetonteilen beladener Lastwagen genau auf den Gleisen stehen geblieben war - offenbar wegen einer defekten Bremsanlage. Dem Fahrer gelang es damals gerade noch wegzulaufen, bevor das Fahrzeug vom Zug erfasst wurde.

© SZ vom 22.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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