Wissenschaftliche Chronik zum Flugfeld:Puchheims Draht zum Himmel

Flugschauen und Bombenabwurf-Wettbewerbe: Erich Hage hat auf 250 Seiten die Geschichte des Flugfeldes Puchheim dokumentiert, das vor 100 Jahren seine Eröffnung feierte.

Peter Bierl

In der Puchheimer Ortschronik stünde alles Wissenswerte über das Flugfeld, hatte Bürgermeister Herbert Kränzlein (SPD) behauptet, als ein nicht sehr ausgereifter Vorschlag für die Feier des 100jährigen Jubiläums von einer Gemeinderatsmehrheit abgebügelt wurde. Ein ganzes Buch von 250 Seiten mit neuen detaillierten Informationen und Bildmaterial über diesen ersten süddeutschen Flugplatz präsentierten Erich Hage und Johannes Haslauer eineinhalb Jahre später, am Dienstag, auf einer Pressekonferenz im Kulturzentrum Puc.

Wissenschaftliche Chronik zum Flugfeld: Dem Himmel so nah: Das Flugfeld Puchheim wird 100 Jahre alt.

Dem Himmel so nah: Das Flugfeld Puchheim wird 100 Jahre alt.

(Foto: region.ffb)

Bislang existieren einige Artikel und eine knappe Seite Text in der erwähnten Ortschronik, die der Verein d'Buachhamer 1998 herausgegeben hat. Der neue Sammelband enthält elf Aufsätze von neun Autoren, die auf wissenschaftlichem Niveau die kurze Geschichte des Flugfeldes erzählen, diese Einrichtung in den historischen Kontext stellen und dessen überregionale Bedeutung herausarbeiten.

Die Historikerin Sabine Willner hat erstmals die Geschichte der Akademie für Aviatik recherchiert, die das Flugfeld betrieb. Der Ortschronist Johann Aichner präsentiert die Chronik des damaligen Pfarrers Jakob Hauner, der "mit besonderem Draht zum Himmel" die Ereignisse am Flugfeld notierte. Hannelore Keil hat die Flugschauen als gesellschaftliches Ereignis aufgearbeitet. Die Bahn setzte Sonderzüge ein, um Zehntausende von Besuchern zu den Flugschauen nach Puchheim zu transportieren. "Der Takt war dichter als der der S-Bahn heute", sagte Hage.

Karl Valentin und Sissis Tochter

Haslauer befasst sich mit den Impulsen, die der Flugplatz als Massen-Event, dem kleinen Dorf Puchheim gab. Zeitgenossen beschrieben die kleine Moos-Siedlung am Bahnhof als naturnah und idyllisch. Prominente wie die Söhne des Kronprinzen, die Tochter der Kaiserin Sissi und Wirtschaftsbosse kamen. Von Karl Valentin ist eine Postkarte erhalten, wenngleich er seinen Besuch mit 1909 falsch datiert hat, da existierte der Flugplatz noch nicht. "Puchheim wurde als Wohnort attraktiv", sagte Haslauer. 1912 unterzeichneten 230 Münchner eine Petition, dem neuen Café am Bahnhof die Konzession zum Bierausschank zu erteilen.

Französische Maschinen und belgische Piloten

Welchen Stellenwert das Flugfeld für die Geschichte der Luftfahrt hatte und warum der Betrieb 1914 eingestellt wurde, erklärt Hage in seinem Beitrag: "Die nationale und militärische Komponente wurde immer wichtiger." Anfangs flogen belgische Piloten mit französischen Maschinen in Puchheim. Die Firma Kathreiner-Malzkaffee lobte 1910 einen Preis von 50000 Goldmark für einen Überlandflug nach Berlin aus, allerdings durften nur Deutsche in deutschen Kisten an den Start. Die Flugschauen wurden 1912 durch Bombenabwurf-Wettbewerbe abgelöst, erzählte Hage.

Aus 50 Meter Höhe mussten Sandsäcke in einen markierten Kreis geworfen werden. Ab 1913 bildete Gustav Diesel in Puchheim künftige Militärflieger aus. Puchheim war damit nicht nur Experimentierfeld für Flugzeugkonstrukteure und Fabrikanten, sondern auch für das Militär. Die bayerische Armee favorisierte allerdings den Standort Oberwiesenfeld und einen eigenen Platz in Schleißheim. Darum endete der Flugbetrieb in Puchheim mit dem Kriegsausbruch 1914.

Fast zwei Jahre lang haben die Autoren an dem Buch gearbeitet, das auch Grundlage für die Ausstellung im Puc ist, die gestern eröffnet wurde. Die Absage aus dem Gemeinderat habe das Team zuerst "von der Motivation her gebremst, dann aber angespornt", berichtete Hage. Schließlich wussten es die Historiker besser als der Bürgermeister.

Erich Hage (Hrsg.), Flugfeld Puchheim. Bayerns erster Flugplatz, Volk Verlag München 2010, 256Seiten, 19,90Euro.

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