Wirtschaftsserie, Folge 2: "Vater, Mutter, Firma":Das große Brummen

Georg Reischl gründet 1930 in Ebersberg eine Spedition. Nun sitzen Sohn Georg und Enkelin Christine am Steuer

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Wenn man das Firmengebäude der Ebersberger Spedition Georg Reischl betritt, fällt einem eine silberne Metallschüssel ins Auge, die den sonst kargen Eingangsbereich schmückt. Gleich danach hallt ein aufgeregtes Kläffen durchs Treppenhaus, "Timmi" kommt die Stufen heruntergesaust. Hinter ihm Christine Reischl, die mit einem "Pscht!" versucht, den kleinen schwarzhaarigen Hund zu beruhigen. Doch der putzige Kerl ist außer Rand und Band und springt an seinem Frauchen hoch. "Entschuldigen Sie", sagt Christine Reischl mit einem Schmunzeln und festem Händedruck. Sie hat den bestimmten Blick einer Geschäftsfrau, doch den kleinen vierbeinigen Racker lässt das unbeeindruckt. Er freut sich über seine neue Freiheit. Vor einigen Wochen brachten ihn Christine Reischls Söhne aus dem Tierheim mit. Geplant war das nicht, wie sie berichtet, eigentlich hätten sie nur Futter ins Tierheim bringen wollen. "Du bleibst draußen", sagt sie, ins Sitzungszimmer darf der Hund nicht mit, dafür ist er zu aufgekratzt. Er wuselt vor der Tür herum, und bellt.

Sonst geht es in den Büro-Räumen der Firma Reischl deutlich ruhiger zu. Der größte Teil der Arbeit findet ohnehin auf den Straßen und in der Warenabfertigung statt. 110 Kraftfahrer sind für die Reischls auf den Straßen Europas unterwegs. Ein noch größerer Teil von weiteren 170 Angestellten arbeitet am Münchner Flughafen, damit Container sicher von der Straße in die Luft befördert werden. Hinzu kommen 25 Mitarbeiter, die in der Ebersberger Zentrale für das Unternehmen tätig sind.

Dazu gehört auch Christine Reischl, die seit 1992 im Betrieb mitarbeitet. Inzwischen ist sie unersetzbar geworden für die Firma, sie kümmert sich um den Einkauf, betreut Großkunden und managt, zusammen mit ihrem Mann Bernhard Lohner, die Frachtabfertigung am Flughafen. Sie hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen wie ihr Vater, begann in jungen Jahren eine Ausbildung als Speditionskauffrau. Als sie fertig war, stieg sie direkt in die Firma ein. Doch das Zepter liegt noch in der Hand des Familienpatrons Georg Reischl, der gerne ausführlich von seinem Unternehmen erzählt, während Christine Reischl zurückhaltender ist - auch was die Besetzung der Chefetage betrifft. Doch irgendwann werde er freilich Platz machen für seine Tochter, sagt Reischl.

Wirtschaftsserie, Folge 2: "Vater, Mutter, Firma": Bernhard Lohner, Georg, Brigitte und Christine Reischl (von links).

Bernhard Lohner, Georg, Brigitte und Christine Reischl (von links).

(Foto: Christian Endt)

Die Spedition ist ein Familienunternehmen wie es im Buche steht: Mutter Brigitte Reischl kümmert sich um Finanzen und Buchhaltung, Christine Reischls Mann Bernhard Lohner ist nicht nur für die Flughafenabfertigung, sondern auch für die Technik des Unternehmens zuständig: "Wir haben ja auch viele Spezialfahrzeuge", erklärt seine Frau Christine. Das Wissen und Knowhow geht - wie sollte es anders sein - auf die Kinder über. So war es bei Christine Reischl: "Meine Eltern waren immer viel mit der Firma beschäftigt, ich hab nichts anderes gesehen und gehört", erinnert sie sich. Von klein auf habe sie gewusst, dass sie in die Fußstapfen der Eltern treten möchte. Ob das bei ihren vier Kindern, die allesamt noch Kindergarten und Schule besuchen, auch so sein wird, stehe aber längst nicht fest. "Das sollen die selbst entscheiden." Doch die Hoffnung, dass das Familienunternehmen in der Familie bleibt, sei schon da.

In den 1930er Jahren wurde der Betrieb von Christine Reischls Großvater Georg Reischl gegründet. "Wir hatten nur zwei Fahrzeuge", berichtet sein Sohn, der den gleichen Namen trägt. In der Gründungszeit machten die Reischls ihr Geld ausschließlich mit Möbeltransporten. Ein lukratives Geschäft, schließlich sollte der Landkreis wegen seiner Nähe zu München in den folgenden Jahrzehnten stark wachsen. Mehr Einwohner, mehr Häuser, mehr Möbel. Der nächste Boom folgte drei Jahrzehnte später, als Siemens die ersten Computeranlagen herstellte. "Die Geräte konnten nicht viel, aber so groß wie ein Tisch waren sie trotzdem", sagt Georg Reischl. Die Firma wurde ein wichtiger Geschäftspartner von Siemens, "denn wer ein Klavier vorsichtig transportieren kann, der kann auch eine Computeranlage von A nach B bringen". Nun sind handelsübliche Computer zwar deutlich kleiner geworden und können in Paketen verschickt werden, einen Spediteur braucht dafür niemand mehr. Doch große EDV-Anlagen gibt es immer noch, erklärt Christine Reischl, während sie das Lager im ersten Stock zeigt. Dorthin führt ein Aufzug, der viele Tonnen tragen kann. Das ist notwendig, denn im Lager stehen riesige Hightech-Anlagen, bedeckt sind sie mit einer silbernen Schutzfolie. "Damit werden Computerchips hergestellt", erklärt Christine Reischl.

Seit seinem Bestehen hat es die Spedition immer wieder geschafft, zum richtigen Zeitpunkt in lukrative, moderne Bereiche zu investieren. Das bewies sie auch in den 1970er Jahren, wie sich Georg Reischl erinnert. "In diesen Jahren haben sich viele Airlines entschieden, Flugzeugcontainer innerhalb Deutschlands auf die Straße zu verlegen", erinnert sich Reischl. Nur rund 30 Straßenkilometer von Reischls Spedition in Ebersberg entfernt wird die Fracht auf Lastwagen verladen. "Da hat es sich natürlich angeboten, mit ins Geschäft einzusteigen", sagt der Seniorchef.

Und das Geschäft macht seiner Bestimmung alle Ehre, es läuft. 60 Lastwagen und zehn kleinere Möbeltransporter besitzt die Firma, ein Teil davon steht auf dem großen Parkplatz am Firmengelände. Vor gut 25 hat sich die Firma am Rand des Ebersberger Gewerbegebietes niedergelassen. Das neue Firmengebäude öffnete 1994 seine Tore. Und in den nächsten Jahren will das Unternehmen wachsen: In der Forstinninger Straße klafft ein großes Loch neben der Reihensiedlung. Bis 2016 soll dort eine Lagerhalle entstehen.

Wachsen will das Unternehmen aber auch, was moderne Technik angeht. Zum Beweis steigt Georg Reischl immer noch behende ins Führerhaus eines neuen Lkw hinauf. Er dreht den Zündschlüssel, der Motor beginnt zu brummen. "Da kann kaum was passieren", erklärt Reischl und deutet auf die wenigen Knöpfe und Anzeigen auf dem Armaturenbrett. "Der fährt quasi von alleine". Der Beruf des Lkw-Fahrers werde trotzdem nicht so schnell aussterben, ist sich Georg Reischl sicher.

Viele Unternehmen tun sich mittlerweile schwer, Arbeitnehmer zu finden. Was daran liege, dass es inzwischen "bis zu 10 000 Euro kostet, einen Lkw-Führerschein abzulegen", erklärt Georg Reischl. Und weil die unterbezahlten Fahrer oft einen großen Druck aushalten müssten. "Gib Gas, das schaffst du schon! Diesen Satz gibt es bei uns nicht", versichert Reischl.

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