Wenig Interesse an Bürgerentscheid:Stadtwerke dürfen umziehen

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Eine deutliche Mehrheit stimmt am Sonntag zwar gegen die Bebauung der sogenannten Hundewiese im Westen Fürstenfeldbrucks. Weil aber das Quorum verfehlt wird, ist der Bürgerentscheid nicht gültig.

Von Stefan Salger

Die Stadtwerke werden aus der Innenstadt in den Westen an die Cerveteristraße verlegt . Zudem dürfen auf der "Hundewiese" 75 Wohnungen gebaut werden. In einem Bürgerentscheid am Sonntag sprach sich zwar eine Mehrheit von 62 Prozent gegen das Projekt aus. Weil sich aber nicht genügend Brucker an der Abstimmung beteiligt haben, wurde das Quorum verfehlt und der Bürgerentscheid ist nicht gültig. Von 26 380 Wahlberechtigten gaben 6799 ihre Stimme ab. Insgesamt entspricht das einer Beteiligung von 25,77 Prozent. 16 Prozent stimmten mit Ja, 20 Prozent und damit fast 1000 Brucker mehr hätten es sein müssen.

Der grüne Balken wächst, doch es stimmen zu wenige Brucker ab: Einige Besucher verfolgen die Stimmenauszählung im Rathaus von Fürstenfeldbruck. (Foto: Günther Reger)

Zum Vergleich: Beim Bürgerentscheid zum Viehmarktplatz 2012 hatte die Beteiligung bei ausreichenden 33,27 Prozent gelegen. Mit 36,24 Prozent lag die Beteiligung im Wahllokal des Viscardi-Gymnasiums, in direkter Nachbarschaft zur Hundewiese, am höchsten. Am niedrigsten war sie mit 14,52 Prozent im Wahllokal Kinderhilfe, im Osten der Stadt. OB Sepp Kellerer (CSU) kündigte eine zügige Fortsetzung der Planungen an. Laut Stadtwerkechef Karl Heinz Schönenborn könnte der Umzug bereits in zwei Jahren abgeschlossen sein.

Es ist 18 Uhr, als die Wahllokale in den 16 Stimmbezirken schließen. Wegen des Verfassens genauer Protokolle verzögert sich die Übermittlung der Ergebnisse in den Sitzungssaal des Rathauses länger, als zunächst erwartet. Dort haben sich rund 50 Besucher eingefunden, darunter zahlreiche Unterstützer der Bürgerinitiative, aber auch Stadträte von CSU und SPD. Weil die Beschriftung der beiden an die Wand projizierten Balken - grün für die Ja-Stimmen im Sinne der Bürgerinitiative, rot für die Nein-Stimmen im Sinne der Stadtratsmehrheit - für die hinteren Reihen nicht zu erkennen sind, setzt sich SPD-Fraktionssprecher Axel Lämmle ganz vorne auf eine Bank und liest die jeweils neuen Hochrechnungen vor.

Irgendwann setzt sich Jan Halbauer, Grünen-Kreissprecher und Mitglied der Bürgerinitiative, neben Lämmle, unterhält sich mit ihm, lacht. Es ist ein Zeichen, dass sich manche Kontrahenten trotz gegensätzlicher Meinung noch in die Augen schauen können. Oben steht derweil Gabriele Hebestreit, Sprecherin der Bürgerinitiative, neben Helmut Peter Oehling und blickt sorgenvoll auf das Diagramm. Es ist 18.30 Uhr, und der grüne Balken ist uneinholbar in die Höhe gewachsen. Im Saal herrscht kein Zweifel daran, dass mehr Brucker der Bürgerinitiative die Stimme gegeben haben.

Hebestreit hat aber eine böse Vorahnung: "Jetzt geht es um das Quorum", sagt sie. 14 von 18 Wahlbezirken haben gemeldet. Die Wahlbeteiligung liegt zu diesem Zeitpunkt bei etwa 23 Prozent. Weil sich aber abzeichnet, dass nicht die erforderliche Zahl von 5276 Bruckern gegen die Bebauung gestimmt hat, legt sich Herwig Bahner nun fest: "Das war's", das Quorum wird nicht mehr zu schaffen sein.

Gleichwohl lässt der CSU-Fraktionssprecher den Frust über die Mehrheitsverhältnisse durchblicken. Bürgerbeteiligung sei ja zu begrüßen. Aber dass bei einem Bürgerentscheid nicht auch einmal positiv abgestimmt wird, kann Bahner nicht nachvollziehen. Ähnliche Erfahrungen hatte Stadtratsmehrheiten bereits bei der geplanten Deichenstegtrasse durch den Stadtpark und bei der Bebauung des Viehmarktplatzes hinnehmen müssen. Alle größeren Bauprojekte der letzten Zeit wurden vom Bürger kassiert. Auch deshalb ist den Befürwortern der Bebauung an der Cerveteristraße die Erleichterung anzusehen - so auch bei Stadtwerkechef Karl Heinz Schönenborn.

In einer vorformulierten Erklärung bedankt er sich bei allen Bürgern, die sich an der Abstimmung beteiligt haben. Und weiter: "Für uns hat die lange, intensive Standortsuche endlich ein positives Ende gefunden." Kellerer wird deutlicher. Er wertet das Ergebnis als Beleg dafür, dass sich "der Bürger nicht mehr an der Nase herumführen lässt". Zügig soll nun die Bebauung und der geplante Grundstückstausch der Stadtwerke mit der Wohnbaugesellschaft Igewo abgewickelt werden, wie dies schließlich auch "fast drei Viertel der gewählten Stadträte" entschieden hätten. Endlich komme wieder Bewegung in die Innenstadt, so Kellerer.

Ernüchtert, aber gefasst äußern sich Vertreter der BI, der Grünen und der BBV. Das Verfehlen des Quorums, so Grünen-Fraktionssprecherin Karin Geißler, sei "das Schlechteste für eine Demokratie". Gabriele Hebestreit sieht es ähnlich: "Der Bürger hat verloren." Sie kündigt an, sehr genau darauf zu schauen, was aus dem Grundstück der Stadtwerke an der Bullachstraße wird. Jan Halbauer verbirgt zwar seine Enttäuschung nicht, lobt aber die Arbeit der Bürgerinitiative. Die habe immerhin den Brucker Westen in den Fokus gerückt. Und die Bürgerbeteiligung sei in jedem Fall ein Gewinn gewesen.

© SZ vom 29.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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