Weil Wohnraum fehlt:Jeder fünfte Asylbewerber lebt in einer Turnhalle

Turnhalle Olching

Eine schnelle Lösung zur Unterbringung von Flüchtlingen stellt die Ausstattung von Turnhallen, wie in Olching, mit Stockbetten dar.

(Foto: Günther Reger)

Um jede Woche ein Kontingent von 78 Neuankömmlingen unterzubringen, muss der Landkreis weiterhin Sportstätten zweckentfremden

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Eine Notlösung wird zum Dauerzustand. Inzwischen lebt mit steigender Tendenz bereits rund jeder fünfte vom Landkreis unterzubringende Flüchtling in einer zweckentfremdeten Schulturnhalle, also in einem Notquartier. Sollten dem Landkreis weiterhin pro Woche 78 Asylbewerber zugewiesen werden, muss Landrat Thomas Karmasin (CSU) auf weitere Sporthallen der weiterführenden Schulen zurückgreifen. Zurzeit stehen bereits in vier Schulhallen Flüchtlingsbetten. Das sind seit dem August 2015 die Dreifach- und Einfachturnhalle von Gymnasium und Realschule in Puchheim mit maximal 192 Betten, außerdem die neue Einfachturnhalle der Realschule Maisach mit zurzeit 50 Betten und die des Max-Born-Gymnasiums in Germering (110 Betten).

Die nächste Schulturnhalle, die Karmasin belegen will, steht bereits fest. Es wird laut Ankündigung voraussichtlich schon in der zweiten Februarhälfte die der Realschule in Germering sein. "Umso mehr Flüchtlinge dem Landkreis zugewiesen werden, umso dringender werden die Turnhallen benötigt", stellt Andreas Buchner fest, der neue Asylkoordinator im Landratsamt. In Betracht gezogen und geprüft wurden schon vor Monaten alle 16 Schul- und Vereinssporthallen des Landkreises, um bei Bedarf auch über jede verfügen zu können. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit Feuerwehren und Polizei schon vor Monaten Brandschutz- und Sicherheitskonzepte erstellt und festgelegt, wie viele Betten wo wie aufgestellt werden sollen. Wobei größere Hallen in der Regel besser geeignet sind als die kleineren.

Asylkoordinator Buchner leitet im Landratsamt auch die Abteilung für öffentliche Sicherheit und Ordnung. Er rechnet mit der Fertigstellung weiterer größere Flüchtlingsunterkünfte, die eine Entlastung bringen könnten, erst wieder im Sommer. So lange jedoch die Zuweisungen nicht sinken, sind für ihn und den Landrat angesichts der sich zuspitzenden Unterbringungsprobleme Turnhallen die einzige, schnell verfügbare Lösung.

Die Hoffnung, dass in absehbarer Zeit Hallen wieder geräumt und ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden könnten, ist gering. Nur wenn der Zuzug von Asylbewerbern nach Deutschland "sofort gestoppt wird", könnte das Landratsamt vom Sommer an erste Sporthallen frei bekommen, lautet die Prognose. In diesem Zusammenhang verweist Buchner auf den Versuch, die Zuwanderung nach Deutschland auf politischem Weg zu begrenzen. Ansonsten sind Hallen nur noch frei zu bekommen, wenn es gelingt, weitere größere Wohncontainersiedlungen zu errichten, gemeinsam mit Kommunen in Fertigbauweise schnell Wohnungen zu bauen oder in größerer Zahl neue Objekte anzumieten.

Unterschieden wird zwischen zwei Arten der Hallenbelegung mit Flüchtlingen im Landkreis. Zum einen werden die Sportstätten, wie die bisher genannten, wie Wohncontaineranlagen auch für die dezentrale Unterbringung der dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge genutzt. Zudem gibt der Notfallplan der Regierung von Oberbayern vor, dass jeder Landkreis vorsorglich für eine plötzlich und unerwartet einreisende hohe Zahl von Flüchtlingen 300 Plätze bereithalten muss, die kurzfristig belegt werden können. Für diesen Zusatzbedarf, der nur eine vorübergehende Unterbringung von höchstens vier bis sechs Wochen vorsieht, sind im Landkreis ebenfalls zwei Turnhallen vorgesehen. Und zwar mit höchster Priorität die des Gymnasiums Olching und an zweiter Stelle die des Viscardi-Gymnasiums in Fürstenfeldbruck.

Alle anderen Flüchtlinge müssen sich so lange mit einem Behelfsquartier in einer Turnhalle abfinden, bis ihnen eine dezentrale Unterkunft zugewiesen wird. Das kann nur wenige Tage oder bis zu mehreren Monaten dauern. Die Belegungszahlen der Hallen unterliegen großen Schwankungen, weil sich die zugewiesenen Flüchtlinge häufig nicht in der Halle einfinden, in der für sie ein Bett reserviert wurde. Das führte wiederholt zu Unmut in der Landkreisbevölkerung. Ansonsten bezeichnet Buchner die Erfahrungen mit der Hallenbelegung als "überwiegend positiv". Da das Sicherheitskonzept funktioniere, gebe es fast ausschließlich positive Rückmeldungen. Die Schüler seien verständnisvoll, aber Eltern und Schulen insbesondere wegen des ausfallenden Sportunterrichts besorgt. Die Reaktionen der Anwohner werden als gemischt, aber überwiegend als positiv bezeichnet. Zur Zahl der Beschwerden äußerst sich der Asylkoordinator nicht. Das Amt erhalte regelmäßig Beschwerden, stellt Buchner fest, die aber alle geklärt werden könnten.

Von Anfang an hat Karmasin bestritten, bei der Belegung der Hallen willkürlich vorzugehen. Er geht nach einer bisher unter Verschluss gehaltenen Prioritätenliste vor, die eine einigermaßen gerechte Verteilung gewährleisten soll. Als Kriterien werden die Verfügbarkeit der Hallen, deren Größe, die Trennbarkeit zum Schulbetrieb, die jeweils unterschiedliche räumliche Situation und Lage, die Belastung der jeweiligen Gemeinde sowie Ausweichsportmöglichkeiten und die Auslastung der Halle für den Schul- und Vereinssport genannt.

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