Wahlkampf-Endspurt:Grüne Euphorie

Claudia Roth

Bunte Grüne: Beate Walter-Rosenheimer (von links) und Claudia Roth in Grafrath, am Tisch mit Jan Halbauer (vorne rechts) und Grafraths parteifreiem Bürgermeister Markus Kennerknecht (neben Roth).

(Foto: Günther Reger)

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hinterlässt bei ihrem Besuch in Grafrath lauter begeisterte Anhänger

Von Manfred Amann, Grafrath

Kein Platz mehr im Bürgerstadel in Grafrath, auch die Galerie ist besetzt und Stühle werden getragen, als Claudia Roth am Samstag "im Endspurt des Wahlkampfs" mit blumenbuntem Mäntelchen bekleidet einzieht. Riesenapplaus übertönt die bayerische Musik der "Blechfuntasten" und als die Bundestagsvizepräsidentin nach gut zwei Stunden ihre Begründungsrede beendet, warum es unbedingt einen Politikwechsel braucht, bei dem die Grünen eine entscheidende Rolle spielen müssen, will der Applaus gar nicht enden.

Als Wahlkreiskandidatin Beate Walter-Rosenheimer als Dankeschön auch noch einen "Bio-Geschenkkorb" übergibt und sich die beiden Politikerinnen umarmen, kullern bei manchen Besuchern Tränen. "Die Claudia" sei ein Urgestein der Bewegung und einfach grandios, lobt eine junge Grüne und verteilt unter Freunden "Monsterzucchini" aus dem eigenen Garten.

"Seit 37 Jahren gibt es uns und ohne uns hätte es manche politische Denke gar nicht gegeben. Und Deutschland braucht die Partei, damit sich die Politik der großen Parteien nicht in einer Sackgasse verrennt", erklärt die Bundespolitikerin dann und wirbt immer wieder dafür, auf jeden Fall zu wählen, "aber nur Parteien, die demokratisch gesinnt sind". Das ging in erster Linie gegen die AfD. In ihrer wortgewaltigen und zuweilen sehr launigen Rede zum Wahlspot der Grünen "Ändere die Welt, sie braucht es" nahm sie jede der im Wahlkampf ernsthaft konkurrierenden Parteien aufs Korn. Den Spitzenkandidaten der "Christian-Lindner-Partei", Christian Lindner (FDP), hielt Roth vor, "unverantwortliche Politik" anzustreben, weil er zur Lösung des Diesel-Problems vorschlug, die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung anzuheben und Verkehrsminister Dobrindt macht ihrer Meinung nach, "wenn er was macht", ohnehin nur Mist. SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz "schmust" schon jetzt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Seehofer sei - "wie man es kennt" - wieder zurückgerudert, "weil es verfassungsrechtlich gar nicht möglich ist, eine Obergrenze für Flüchtlinge festzulegen".

Für eine Obergrenze, sagt Roth, "bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag". Der bessere Weg wäre ein neues, an die aktuelle Lage angepasstes und mit Europa abgestimmtes Einwanderungsgesetz. Die derzeitigen internationalen Vereinbarungen zur Begrenzung des Flüchtlingszuzugs seien "schäbig". Statt ernsthaft darüber zu verhandeln, mit welchen Hilfen man Menschen etwa in Syrien zum Verbleiben in der Heimat bewegen könnte, werde darüber diskutiert, wie die Zahl der Asylbewerber gering zu halten sei.

"Wir Grüne haben nicht nur die Umwelt im Kopf, sondern die ganze Welt im Blick", posaunt Roth und wettert gegen den Wandel von der herkömmlichen und landschaftspflegenden Landwirtschaft zur Agro-Industrie. Landwirtschaftsminister Schmidt wirft sie vor, nicht für die kleinen Landwirte einzustehen, sondern die Massenproduktion zu fördern. "Sehr am Herzen" liegt der Politikerin, dass es zu wenige Lehrer, Erzieher und Pflegekräfte gibt. Es liege vor allem daran, dass die aufopferungsvolle Arbeit zu wenig geschätzt und nicht gut genug bezahlt werde. Roth mutmaßt, dass deswegen diese Tätigkeiten "überwiegend nur von Frauen wahrgenommen werden". Deutschland sei zwar ein reiches Land, aber Armut, gebe es auch und zwar immer mehr "und es gibt Manager mit Millionengehältern, mit Verteilungsgerechtigkeit hat das nichts mehr zu tun", schimpft Roth und bittet um Unterstützung, denn "nur wenn die Grünen stark sind, können sie darauf hinwirken, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben, und an dessen Gestaltung mitwirken können". Dazu gehöre auch die Integration von Asylbewerbern. Um diesen Anspruch zu unterstreichen, hatte Kreis- und Ortschefin Elke Struzena zur Abrundung die senegalesische Trommlergruppe Diappo eingeladen, die den Abend rhythmisch ausklingen lässt.

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