Wahlkampf:Auf Augenhöhe

In Gernlinden suchen acht hochrangige Grünen-Politiker das Gespräch mit den Bürgern. Zwar ist der Andrang überschaubar, dafür sind die Diskussionen umso gehaltvoller - weil die Besucher sehr interessiert sind und die Experten sich viel Zeit nehmen können

Von Florian J. Haamann, Maisach

Erwartungsvoll stehen sie hinter ihren - natürlich - grün bespannten Tischen und warten. Auf die Gernlindener und alle anderen Menschen, die sich für die Politik der Grünen interessieren. Acht Landespolitiker hat der Kreisverband zusammen getrommelt, um bei einem Infomarkt den Bürgern Rede und Antwort zu stehen. "Niederschwelliges Angebot" ist ein Begriff, der immer wieder fällt. Und die acht Politiker - jeder als Experte für ein bestimmtes Thema anwesend - gehören zu dem, was man gerne als "Politprominenz" bezeichnet, darunter die beiden Landtagsfraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann und Katharina Schulze und Parteiurgestein Christian Magerl.

Grüne

Die Bundestagsabgeordnete und Direktkandidatin für den Landkreis, Beate Walter-Rosenheimer (links) ist als Expertin für soziale Gerechtigkeit anwesend.

(Foto: Günther Reger)

Trotzdem verbringt das Oktett, das es sonst gewohnt ist, viel erzählen zu dürfen, am Sonntagmorgen viel Zeit damit, auf Gesprächspartner zu warten. Gleich zur Öffnung um elf Uhr lassen sich zwar ein paar vereinzelte Bürger blicken, die sauber aufgestellte Reihe von Tischen abschreiten, danach aber wird es ruhig. Sehr ruhig. "Ich habe jetzt mit drei Leuten gesprochen", bilanziert Beate Walter-Rosenheimer, Bundestagsabgeordnete und Direktkandidatin für den Brucker Wahlkreis, die ersten eineinhalb Stunden. Sie ist als Expertin für das Thema "Soziale Gerechtigkeit" vertreten und darf mit ihrem Tisch direkt am Eingang des Bürgerzentrums stehen. "Es waren lange Gespräche und die Leute haben sehr differenziert gefragt. Eben etwa wollte ein Herr über die Ausbildung im Pflegebereich sprechen, die teilweise sehr veraltet ist", so die Abgeordnete. Ihr gegenüber läuft auf einer Leinwand ihr neuer Wahlwerbespot in Dauerschleife. Die Besucher sind die ersten, die ihn sehen dürfen, erst am Abend wird er im Internet vorgestellt. Darin spricht Rosenheimer viel über soziale Gerechtigkeit, darüber, dass es sie schon als Kind gestört hat, wenn jemand ungerecht behandelt wird. Sie besucht die Germeringer Tafel und einen Hühnerhof, im Video sind viele vital umherlaufende und pickende Hühner zu sehen.

Wahlkampf: Gesprochen werden konnte über alle Kernthemen der Grünen, wie etwa die Zukunft der Landwirtschaft und die Energiewende.

Gesprochen werden konnte über alle Kernthemen der Grünen, wie etwa die Zukunft der Landwirtschaft und die Energiewende.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

"Später zeigen wir das Video noch mit Ton, aber die ganze Zeit wäre das vielleicht etwas störend", sagt der ehemalige Kreisvorsitzende Jan Halbauer, der die Idee zu dieser Veranstaltung hatte. Vom ausbaufähigen Interesse der Bürger lässt er sich seine Euphorie und die gute Laune nicht verderben. Denn der Kreisverband hat viel Arbeit in diesen Termin gesteckt. Zu erst einmal mussten die Teilnehmer überzeugt werden, dann die Veranstaltung organisiert. So liegen nicht nur die üblichen Flyer und Gimmicks wie Traubenzucker und Windrädchen aus. Hinter jedem Kandidaten gibt es ein eigens angefertigtes Plakat, das über Person und politische Ziele informiert. "Das ist schon beeindruckend, was der Brucker Kreisverband hier ehrenamtlich auf die Beine gestellt hat", lobt auch Fraktionschef Ludwig Hartmann.

Grüne

Parteiurgestein Christian Magerl (links) spricht zum Thema Biodiversität.

(Foto: Günther Reger)

Eine der Besucherinnen, die das Angebot angenommen haben, ist die 38-jährige Petra Hecht. Sie sei zwar kein Parteimitglied, habe aber eine gewisse Nähe zu den Ideen der Grünen. Wem sie bei der Bundestagswahl ihre Stimme geben wird, wisse sie allerdings noch nicht, sie informiere sich gerne bis zum letzten Moment. "Wahlprogramme zu lesen, ist ja allerdings oft eine Wissenschaft für sich und Papier ist geduldig", sagt sie. Deshalb sei sie gekommen, um sich persönlich mit den Politikerin zu unterhalten und zu informieren.

Nachdem sie schon mit Beate Walter-Rosenheimer gesprochen hat, wartet sie gerade auf den Verkehrsexperten Markus Ganserer, der noch in ein anderes Gespräch vertieft ist. "Ich möchte mit ihm über zwei Dinge reden. Den Ausbau der Radwege und die Diesel-Problematik", sagt sie. "Wir haben uns gerade vor eineinhalb Jahren einen Diesel gekauft, im Glauben, es sei die umweltfreundlichere Variante. Und jetzt wissen wir nicht, ob wir ihn in zehn Jahren überhaupt noch fahren dürfen". Mitgebracht hat Hecht auch ihre drei Kinder, die sich vor allem über die große Kuchenauswahl freuen, natürlich selbst gebacken von den Mitgliedern des Kreisverbandes.

Noch nicht ganz zufrieden mit den Besucherzahlen ist Fraktionschef Ludwig Hartmann. "Bei mir waren bisher sechs Menschen, ich hoffe, dass es bis zum Ende noch 30 bis 40 werden. Was aber auffällt, ist, auf was für einem hohen Niveau die Leute ihre Fragen stellen. Das merke ich schon den ganzen Wahlkampf über, egal wo wir sind." Er ist als Experte für die Energiewende anwesend.

Besonders lebhaft verlaufen die Gespräche am Tisch von Katharina Schulze, der Landtagsfraktionsvorsitzenden. Das mag zum einen an ihrem Temperament liegen. Aber auch daran, dass sie zum Thema "Innenpolitik" geladen ist. Ein Besucher möchte von ihr wissen, wie man mit der AfD umgehen soll und welche Pläne die Grünen gegen den Rechtsruck der Gesellschaft haben. Schulze erzählt ihm nicht nur, was sie davon hält, sondern gibt ihm auch noch ihren Lieblingsaufkleber mit. "Hass ist keine Alternative für Deutschland" steht da. "Den finde ich schon richtig cool", sagt Schulze, die jetzt allerdings wieder in Wartemodus umschalten muss. Vielleicht, so die große Hoffnung, beginnt der Ansturm nach dem Mittagessen.

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