Wahlbilanz:Schonungslose Wahlnachlese

Michael Schrodi diskutiert mit der Germeringer SPD

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Zusammenkunft der SPD-Fraktion im Bundestag, Reinschnuppern ins Prozedere im Reichstag und Wahl der Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles: Michael Schrodi ist am Donnerstag von seiner ersten Reise als Bundestagsabgeordneter aus Berlin zurückgekommen. Abends sitzt der 40-jährige Olchinger in der Germeringer Stadthalle und beteiligt sich bei der Jahresversammlung der Germeringer SPD an einer Analyse des Wahlergebnisses der SPD. "20,5 Prozent sind desaströs", bilanziert Schrodi schonungslos wie kein anderer im Saal und legt beim SPD-Ergebnis für Bayern noch nach: "15,3 Prozent sind eine Katastrophe." Schrodi nimmt in seiner Wahlnachlese kaum ein Blatt vor den Mund. "Die Partei ist in ihrer Existenz bedroht", erinnert er an den Untergang sozialdemokratischer Parteien in Europa - zuletzt in Frankreich. Für ihn steht fest: "Es gibt keine Grenze nach unten." Die SPD habe ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Immer, wenn er am Info-Stand mit dem Thema soziale Gerechtigkeit punkten wollte, kam die Frage von Wählern: "Warum habt ihr das nicht schon vorher gemacht? Macht ihr das auch nachher?" Schließlich sei die SPD in den vergangenen 19 Jahren 15 Jahre in der Regierung gewesen und habe Billiglöhne, Leiharbeit und prekäre Beschäftigung mitzuverantworten.

Auch der ebenfalls anwesende SPD-Kandidat Christian Winklmeier aus Gilching, der im Wahlkreis Germering-Starnberg-Landsberg kandidierte, hatte während des Wahlkampfes in den Gesprächen mit Bürgern ähnliche Erfahrungen gemacht und sich schon Wochen vorher auf "ein Ergebnis in dieser Größenordnung" eingestellt. Winklmeier ist erst 26 Jahre alt und hatte auch mit den negativen Auswirkungen der Agenda 2010 aus dem Jahre 2004 zu kämpfen. Als die von der SPD und den Grünen umgesetzt wurde und sich für viele Betroffene, zum Beispiel für die Schlecker-Frauen, die ihren Arbeitsplatz verloren, als Armuts- und Ausgrenzungsgesetz erwies, war er erst 13. Doch er hat sofort gemerkt: "Das wird mit der SPD verknüpft."

Interessant wurde es, als sich Harald Müller, Beisitzer im Germeringer SPD-Vorstand, zur Agenda 2010 bekannte und der SPD empfahl, "die Hartz-Reformen als unser Kind anzuerkennen". Merkel habe damit Wahlkampf gemacht und die CDU/CSU hefte sich die Erfolge der Agenda ans Revers. "Wir schämen uns dafür", sagte Müller, "aber die Agenda 2010 hat das Land vorangebracht." Er verwies darauf, dass sich die Zahl der Arbeitslosen seit 2005 halbiert habe. Schrodi widersprach Müller: "Wenn wir bei der Agenda und Hartz IV nicht einige Dinge zurückdrehen, werden wir weiterhin Probleme haben." Dabei gehe es auch darum, Gemeinsamkeiten mit der Linkspartei auszuloten. Das sah auch Daniel Liebetruth, stellvertretender Germeringer SPD-Vorsitzender, so: "Wir haben mit der Linken mehr Überschneidungen als mit CDU/CSU."

Schrodi begrüßte die Wahl von Andrea Nahles zur Fraktionsvorsitzenden im Bundestag: "Endlich mal eine Frau in einem SPD-Spitzenamt, die auch klare Kante zeigt." Einig waren sich die Anwesenden, dass es richtig ist, in die Opposition zu gehen. "Wir haben Beliebigkeit hinterlassen. Die SPD braucht wieder ein Profil, ich bin froh, dass wir in die Opposition gehen", meinte eine Rednerin und unterstützte das Eingangsstatement des Germeringer SPD-Vorsitzenden Christian Gruber, der hoffte, dass die SPD wieder eine Alternative für die Menschen wird. Sein Vorgänger Peter Müller erwartet auch auf Germeringer Ebene mehr Profil von seiner Partei und den Stadträten. Auch der CSU-Oberbürgermeister Andreas Haas sei ein "Themenstaubsauger". Müller kritisch: "Auch im Stadtrat gibt es eine Konsenssoße. Warum sollen die Menschen dann SPD wählen?"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: