Vor der OB-Stichwahl:Auf der Suche nach Verbündeten

Die Freien Wähler empfehlen Erich Raff von der CSU, Die Partei plädiert für Martin Runge. Fürstenfeldbrucks SPD hat noch keine Entscheidung getroffen, sieht aber mit dem Kandidaten von BBV und Grünen die größte Schnittmenge

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

"Mein Gott, das wird ganz, ganz eng." Georg Stockinger von den Freien Wählern ist bei der Stichwahl am 21. Mai selbst nicht mehr dabei. Obwohl er über viele Jahre Erfahrung in Stadt- und Kreistag verfügt, traut er sich eine Vorhersage, wer neuer Brucker Oberbürgermeister wird, nicht zu. Und das, obwohl der 56-Jährige darauf hofft und damit rechnet, dass die 441 Brucker, die am Sonntag im ersten Wahldurchgang für ihn votiert hatten, ihre Stimme dem amtierenden Zweiten Bürgermeister Erich Raff (CSU) geben. Stockinger kandidierte bereits 2014 für das höchste Amt in der Stadt. Und damals gab es ein ganz ähnliches Bild im ersten Wahlgang. In der Stichwahl wendete sich das Blatt dann aber komplett und der damalige BBV-Kandidat Klaus Pleil deklassierte den zuvor führenden CSU-Kandidaten Andreas Lohde.

OB-Wahl

Transparenz: Im Rathaus kann die Auszählung live verfolgt werden.

(Foto: Günther Reger)

Hört man sich bei Erich Raff und Martin Runge (BBV/Grüne) sowie anderen Menschen mit politischer Erfahrung um, dann wird schnell deutlich, dass es nun vor allem gilt, die vielen Nichtwähler zu motivieren. Ebenso wichtig sein dürften gleichwohl die Wahlempfehlungen der unterlegenen Kandidaten - sofern sie welche abgeben. Die Ausgangslage: Erich Raff hat mit seinen 43,37 Prozentpunkten gut fünf Prozentpunkte mehr erreicht als 2014 der CSU-Bewerber Andreas Lohde. Martin Runge liegt mit 29,86 Prozent ganze 0,03 Prozentpunkte unter dem damaligen Ergebnis von Klaus Pleil. Würde man die auf die Freien Wähler entfallenen Stimmen der CSU zurechnen und die Wähler von SPD und Die Partei Martin Runge, dann hätte der Grünen-Politiker mit 6143 Stimmen die Nase vorn und Erich Raff mit 5807 Stimmen das Nachsehen. So einfach freilich ist es nicht.

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Rückendeckung der CSU: Erich Raff (Mitte) im Zirkuszelt.

(Foto: Günther Reger)

Das fängt schon bei der SPD an. Eine eindeutige Wahlempfehlung will Heimerl am Montag nicht geben. Das sei Sache des ganzen Ortsvereins, da wolle er nicht vorgreifen. Gleichwohl erwartet der 28-Jährige, "dass es am Ende eine Wahlempfehlung geben wird". Und ja, er persönlich könne sich kaum vorstellen, dass die pro Raff ausfallen kann, das lässt er durchblicken. "Größere Übereinstimmungen gibt es bislang mit BBV und Grünen". Klarer liegt die Sache bei Florian Weber von Die Partei. Er empfiehlt seinen Wählern "auf jeden Fall, Martin Runge zu wählen". Denn Schnittmengen seiner Partei mit der CSU gebe es so gut wie keine. Ob Elisabeth Staffler (Leben in Bruck) eine Wahlempfehlung geben wird, war am Montag nicht zu erfahren.

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Flugzeuge im Bauch: Martin Runge (rechts) im Sitzungssaal.

(Foto: Günther Reger)

Leichter ist das mit dem Blick zurück auf den Sonntag sowie mit den Stimmen und den Stimmungen: Als Erich Raff das Zirkuszelt auf dem Volksfestplatz betritt, steht das Ergebnis schon fest. Er wird mit Applaus empfangen. Sogar noch etwas mehr Applaus bekommt der etwas später eintreffende Martin Runge. Den Ton bei der Analyse geben zunächst die Christsozialen an, allen voran die Berliner CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt: "Ich freue mich, dass Erich Raff so einen großen Vertrauensbeweis im ersten Wahlgang bekommen hat." Doch auch sie erinnert an ans Brucker Wahljahr 2014 und ähnliche Erfahrungen bei den Bürgermeisterwahlen in Eichenau und mahnt, den Wahlkampf unvermindert fortzusetzen. Landrat Thomas Karmasin bleibt denn auch gleich im Wahlkampfmodus: "Ich habe die Hoffnung, dass die Brucker in der Stichwahl auch einen Brucker wählen." Ähnlich sieht das CSU-Ortschef Andreas Lohde. Auf Erich Raff zu setzen, sei die richtige Entscheidung gewesen. Deshalb habe er auch nie die Entscheidung bereut, mit Blick auf berufliche Verpflichtungen selbst auf die Kandidatur verzichtet zu haben.

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Die Dreiprozentkandidaten: Georg Stockinger (links) und Florian Weber.

(Foto: Günther Reger)

Im Umfeld Philipp Heimerls herrscht wenig überraschend Katerstimmung. Auch der 28-Jährige selbst ist kalt erwischt worden, hatte er doch an den Infoständen und am Rande der Podiumsdiskussionen viel positives Feedback bekommen. Und trotzdem: "Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft", sagt Heimerl. Er kündigt eine ehrliche Analyse der Wahl an. An der Partei könne es kaum gelegen haben, vermutet Heimerl. Die OB-Wahl sei schließlich eine Persönlichkeitswahl. Vielleicht habe ja sein jugendliches Alter doch eine Rolle gespielt, oder man habe mit den Inhalten "nicht den Nerv der Bürger getroffen."

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Bonjour tristesse: SPD-Ortsvereinsvize Martin Haisch (links) mit OB-Kandidat Philipp Heimerl.

(Foto: Günther Reger)

Enttäuscht ist auch der Landtagsabgeordnete Herbert Kränzlein, dessen Büroleiter Philipp Heimerl nun also bleibt. "Man muss zugeben, wir haben uns alle von der SPD mehr erwartet", räumt Kränzlein ein. Er hoffe, dass Heimerl "beim nächsten Mal durchstartet und die SPD in eine gute Zukunft führt". Unterbezirkschef Michael Schrodi findet, dass Heimerl "mit erhobenem Haupt herausgehen" kann, schließlich seien Raff und Runge auch zwei sehr starke Kandidaten gewesen. Die Zeit für Heimerl werde kommen, prophezeit er und erinnert an Andreas Magg aus Olching. 2002 hatte dieser bei seiner ersten Bürgermeisterwahl nur knapp zehn Prozent erreicht, beim nächsten Versuch sechs Jahre später landete er dann im Bürgermeistersessel.

Florian Weber von Die Partei hat sich die gute Laune zu keinem Zeitpunkt verderben lassen. Dass er nicht den Sprung an die Spitze der Stadt schaffen würde, das war ihm klar. Gleichwohl ist es ihm im Wahlkampf gelungen, ganz eigene Akzente zu setzen. Die Lacher hatte er dabei fast immer auf seiner Seite. Dann etwa, wenn er die Sprengung der Amperbrücke forderte. Im Sitzungssaal breitet er einen Banner von Die Partei aus, und beim Ortswechsel vom Rathaus zur Wahlparty im Zirkuszelt wird er am Sonntag begleitet von lautstarken Unterstützern. Ein Teil der Gäste lacht, andere quittieren den Auftritt mit Kopfschütteln. Für Webers Parteifreund Benjamin Bauer ist das ebenso wie das Wahlergebnis ein Beleg dafür, dass "Bruck definitiv keinen Humor" hat.

Zuvor hatten Weber und Stockinger im Verlauf der Auszählung immer wieder kurzzeitig die Nase vorn gehabt - allerdings nur im abgeschlagenen Feld des Kandidatentrios, das sie mit Elisabeth Staffler bilden. Um 18.45 Uhr zieht Stockinger dann aber vorbei. Weber schimpft theatralisch auf den Freie-Wähler-Politiker und übersieht, dass der Gescholtene neben ihm steht. Am Ende gibt's eine Umarmung und beide lachen gemeinsam - Dreiprozentkandidaten können sich das leisten.

Weber ist in Gedanken längst weiter: Der 30-Jährige, der vor einigen Monaten die BBV und vor einigen Wochen auch die BBV-Fraktion im Stadtrat verlassen hat, zerbricht sich bereits den Kopf über eine Stadtratsliste für 2020. Mit Piraten-Stadtrat Andreas Ströhle ist er befreundet, dieser werde vielleicht "herüberentern" und für eine gemeinsame Liste zu gewinnen sein. Ob auch die Linke in Frage kommt, müsse noch geklärt werden, so Weber.

Georg Stockinger will sich auf die Stadtratsarbeit konzentrieren und langfristig versuchen, "junge Leute für die Freien Wähler aufzubauen". Als Etappenziel gibt er einen dritten Platz für die Gruppierung im Stadtrat aus.

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