Vor der Jahreshauptversammlung:Kabale in der siebten Liga

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Die Lage beim SC Fürstenfeldbruck eskaliert: Der Verein ist abgestiegen, gegen ehemalige Mitglieder der Führungsriege wird ermittelt. Es herrsche ein Klima der Angst, sagen manche. Bei den Vorstandswahlen steht nun eine Kampfabstimmung bevor

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Bezirksliga. Klingt nach Fußball-Provinz. Siebte Liga. Dort hinabgestürzt, ist der SC Fürstenfeldbruck, ein ehedem stolzer und langjähriger Bayernligist mit Regionalliga-Ambitionen, mittlerweile Teil der Fußball-Basis. Die künftigen Gegner heißen Sportfreunde Aying, Phönix München, Anadolu Bayern. Überholt im Landkreis vom bisherigen Landesliga-Konkurrenten SC Oberweikertshofen und neuerdings auch vom Landesliga-Aufsteiger SC Olching. Der Sportclub Fürstenfeldbruck bietet ein Bild des Jammers - sportlich, finanziell, personell.

Vom sofortigen Wiederaufbau sprach Jakob Ettner, der amtierende Präsident, gleich nachdem der Abstieg besiegelt war. Das hauten ihm seine Kritiker bei Facebook gleich um die Ohren. Die Scharmützel finden auf vielen Kanälen statt. In den sozialen Medien, in der Öffentlichkeit, wo der amtierende Vereinschef und ehemalige Präsidiumsmitglieder kürzlich am Spielfeldrand aneinander geraten waren, auf dem Feld der Justiz. Viele Vereinsmitglieder fragen sich, ob diese Art des Umgangs noch etwas mit Vereinsleben zu tun hat.

Quo vadis, SCF? Wohin der Weg des Fürstenfeldbrucker Sportclubs führen wird, entscheidet auch die Jahreshauptversammlung. (Foto: Johannes Simon)

Um zu verstehen, warum es so weit gekommen ist, muss man ein bisschen zurückblicken. Viel Geld steckte der SCF vormals in seine erste Fußballmannschaft, auf dass sie im Amateurbereich reüssiere. Das ging jahrelang irgendwie gut. Genaue Zahlen mochte der Verein auf seinen Versammlungen nie herausgeben. Bis er im März 2014 erstmals öffentlich langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 150 000 Euro gestand. In Jakob Ettner, 53, der als Vater eines Fußball spielenden Buben Jahre zuvor aus dem Landkreis Dachau zum SCF gekommen war und seit 2012 den Jugendleiter im Verein gibt, fand sich jemand, der sich trotz der finanziellen Misere zutraute, den maroden Verein zu übernehmen. Nicht alle wollten ihn. Mit 77 Prozent der Stimmen wurde er vor zwei Jahren zum Präsidenten gewählt.

Seither ruht Ettner nicht. Schon in seiner Zeit als Jugendleiter legte er sich an: mit so manchem Jugendtrainer, der dann den Verein verlässt. Mit dem ehemaligen Präsidenten Siegfried Müller, der seinen Rücktritt mit der Person Ettner begründet. Mit seinem ehemaligen einzigen Stellvertreter Andreas Conrad, der daraufhin sein Amt ruhen lässt (und schließlich durch Ursula Valier, Steuerberaterin des Vereins, ersetzt wird). Mit dem im Verein beliebten Trainer der ersten Mannschaft, Tarik Sarisakal, dem der Verein fristlos kündigt. Ettner möchte den SCF finanziell gesunden. Er möchte aber offenbar auch strafrechtlich Relevantes in der SCF-Vergangenheit finden. Auf dem Einladungsschreiben zur Jahreshauptversammlung geben Ettner und Valier bekannt, dass Staatsanwaltschaft und Polizei gegen mehrere ehemalige Präsidiumsmitglieder ermitteln würden. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord bestätigt, dass ein Vereinsvertreter Anzeige bei der Polizei erstattet habe, zeigt sich aber zumindest irritiert darüber, dass so etwas in einer Versammlungseinladung bekannt gemacht wird.

Auch in laufenden Verfahren gilt zunächst die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft München II gibt keine Informationen heraus. Dennoch steht dahinter die Frage: Ging da möglicherweise in der Vergangenheit nicht alles mit rechten Dingen zu? Ettner hatte während eines Gerichtsprozesses, bei dem ein früherer Spieler ausstehende Zahlungen eingeklagt (und 3000 Euro zugesprochen bekommen) hatte, solches immer wieder anzudeuten versucht. Der Amateurfußball macht immer wieder mal Schlagzeilen in dieser Richtung. Die Branche blickt deshalb gespannt zum TSV Aindling, einem langjährigen Ligakonkurrenten des SCF aus dem Landkreis Aichach-Friedberg. Der Verein stellte im August 2015 Insolvenzantrag. Aktuelle und ehemalige Aindlinger Funktionäre müssen sich wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrugs vor Gericht verantworten.

Der Sportclub Fürstenfeldbruck muss längst kleinere Brötchen backen. Auch für die Landesliga hat es so nicht mehr gereicht. Nun gehen auch noch Torjäger Marian Knecht, Kapitän Fabian Meinberger, Ersatztorhüter Andreas Pauker und die Nachwuchsleute Andreas Beinhofer, Marco Ecker und Denis Teschke. Auch Karol Kopec, kürzlich dreifacher Torschütze gegen den SC Oberweikertshofen, wird den Verein möglicherweise verlassen. Eine zweite Erwachsenenmannschaft hat der Verein schon lange nicht mehr im Spielbetrieb. Mit Leuten aus dem eigenen Nachwuchs wollen sie weitermachen. Ein Credo, das schon in der Vergangenheit zigfach verkündet wurde. Doch diesmal bleibt dem Verein gar nichts anderes übrig, denn auch die Einnahmen erodieren. Schon in der soeben abgelaufenen Saison hatte die damalige Landesligamannschaft keinen Trikotsponsor, das gibt es nicht einmal in der B-Klasse. Nun hat auch die Elektro- und Elektronikkette Techno Markt den seit 2009 laufenden Vertrag über die Namensrechte am Stadion gekündigt, wie Siegfried Müller, einer der geschäftsführenden Gesellschafter der Firma und ehemaliger SCF-Präsident, der SZ bestätigte. Von 1. Juli an wird die städtische Sportstätte an der Klosterstraße deshalb nicht mehr Techno-Markt-Stadion heißen.

Diese Ausgangslage wird der künftige Vereinschef vorfinden. Bei den Vorstandswahlen an diesem Donnerstag wollen sowohl Amtsinhaber Ettner als auch Andreas Conrad, Ettners zwischenzeitlicher Stellvertreter, zum Präsidenten des SCF gewählt werden. Die beiden Kontrahenten können nicht mehr miteinander. Sie zeigten sich gegenseitig an. Zuletzt sei sogar "das ganze Team, das mir helfen wollte", angezeigt worden, sagt Conrad. Ein "Klima der Angst" hatte der 48-Jährige schon vor Wochen beklagt, damals, als er seine Kandidatur bekannt gegeben hatte. So mancher potenzielle Kandidat für ein Funktionärsamt beim SCF fühle sich eingeschüchtert. "Da müssen wir aufstehen!", fordert deshalb Frank Demmer, der in der Vergangenheit bereits mehrmals Vizepräsident war: "Deshalb unterstütze ich einen Wechsel." Es wird die erste Kampfabstimmung seit 1996. Damals hatte sich Albrecht Huber als SCF-Präsident gegen den Amtsinhaber Ulrich Bergmann durchgesetzt. Auch in der Brucker Kommunalpolitik blickt man auf den Sportclub. So kündigte Grünen-Stadtrat Jan Halbauer kürzlich auf seiner Facebookseite an: "Ich kann und werde keinen Zuschüssen im Sportausschuss mehr zustimmen, die für die Rettung eines Vereins gedacht sind, der alles, wirklich alles falsch macht, was man falsch machen kann. Es ist ein Trauerspiel, das endlich abgepfiffen gehört. Die 90 Minuten sind schon lange vorbei. Ein Neustart tut Not. Mit neuem Personal, neuer Struktur und neuer Philosophie."

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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