Verkehrsplanung:Erfahrungen aus der Schweiz

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Ein Verkehrswissenschaftler aus Zürich empfiehlt den Kommunalpolitikern Tempo 30, weniger Parkflächen sowie mehr kostenpflichtige Stellplätze. Davon sollen Anwohner, Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger gleichermaßen profitieren

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Tempo runter, aktive Parkplatzbewirtschaftung - und möglicherweise sollte man sich auf einen Park-and-Ride-Parkplatz im Stadtgebiet beschränken: nicht am S-Bahnhof Fürstenfeldbruck, sondern eher in der Buchenau. So lassen sich die ersten recht weit gefassten Denkanstöße und Empfehlungen von Verkehrs- und Stadtplanern zusammenfassen, die jüngst im Stadtrat vorgestellt und dort mit Wohlwollen, aber auch leichter Skepsis aufgenommen wurden.

Stadtplaner Andreas Garkisch beschäftigt sich bereits seit vielen Monaten mit dem Landkreis, als Teil eines Verbundes aus Planungsbüros, Wissenschaftlern der Technischen Universität München, 16 Landkreiskommen und Landratsamt. Unter Beteiligung von Bürger-Workshops soll eine "Struktur- und Potenzialanalyse" erstellt werden, die den Kommunen als Richtschnur für die weitere Entwicklung dienen kann. Fürstenfeldbruck interessiert sich auf kleinräumiger Ebene vor allem für die Bereiche rund um die S-Bahnstation sowie den Fliegerhorst, der in einigen Jahren zivil überplant werden soll. Stadtbaurat Martin Kornacher würde sich über Anregungen freuen und über Argumentationshilfen, wenn es um das Schließen von Baulücken und den Geschosswohnungsbau geht.

Was für den Landkreis gilt, trifft nach Garkischs Einschätzungen auch auf Bruck zu: guter Wohnstandort, gute Versorgung mit Kitas, gutes Angebot an Betrieben aus dem Bereich Forschung und Hightech. Spannend wird es allerdings, wie die ganze attraktive Region den weiter zu erwartenden Zuzug verkraften soll. Benjamin Stadler vom Büro Ernst Basler und Partner in Zürich strahlt die den Schweizern beim Thema Nahverkehr eigene Unbefangenheit aus. Er räumt unumwunden ein, dass es wohl nicht genügen wird, lediglich das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbessern. Solche "Pull"-Faktoren wirken besonders gut, wenn sie durch "Push"-Faktoren flankiert werden. Das klingt auf den ersten Blick nach Einschränkung: Parkplatzgebühren, weniger Parkplätze, kürzere Parkdauer. Dadurch würden Bus und Bahn, aber auch Radverkehr oder das Zu-Fuß-gehen im Vergleich attraktiver. Stadler dementiert gleichwohl den Verdacht, hier könnte mal wieder alles auf dem Rücken der Autofahrer abgeladen werden. So würden beispielsweise auch Geschäfte und Kunden von geringeren Höchstparkzeiten profitieren. Und Stadler nennt Köniz in der Schweiz als Beleg dafür, dass Tempo 30 den Autoverkehr zwar zunächst abbremst, ihn dann aber verstetigt, so dass am Ende die Fahrzeiten überraschenderweise sogar für alle sinken. Als erwünschten Nebeneffekt sinken auch Lärmbelastung und Unfallgefahr.

Die großen Park-and-Ride-Parkplätze rund um den Bahnhof hält der schweizerische Verkehrswissenschaftler eher für verzichtbar, wohl auch mit Blick auf das durchaus engmaschige Busnetz. Der Bereich im Süden des Zentrums könnte zu einem echten Aushängeschild aufgewertet werden: verkehrsberuhigt und mit viel Platz für Radfahrer und Fußgänger, beleuchtet, sauber, mit Cafés ausgestattet. Eher tolerierbar wäre ein Park-and-Ride-Parkplatz am Geschwister-Scholl-Platz. Dort gibt es ohnehin bereits eine Tiefgarage.

Eine Straßenbahn, die in kühnen Visionen schon einmal zwischen Bahnhof und der künftigen Fliegerhorstsiedlung aufgetaucht ist, sieht Stadler nur in dem Fall, dass das neue Viertel wirklich "sehr urban", also auch dicht besiedelt ist. Ein großes Fragezeichen setzt Benjamin Stadler ganz grundsätzlich hinter Umfahrungen. In diesen kleinräumigen Maßnahmen sieht er keinen nachhaltigen Lösungsansatz. Realistischer erscheinen ihm da kleinere Maßnahmen. Auf dem Weg vom S-Bahnhof ins Rathaus sei ihm etwa aufgefallen, dass geparkte Autos entlang der Hauptstraße die Radwege blockieren und das "flächige Queren" der Fahrbahn durch Fußgänger erschweren.

Stadtbaurat Martin Kornacher wird sich das Beispiel Köniz gut gemerkt haben für den nächsten Termin im Straßenbauamt. Will die Stadt doch auf der Haupt- und Augsburger Straße Ampeln durch Kreisverkehre ersetzen. Weil es sich um eine Bundesstraße handelt, kann sie hier aber nicht in Eigenregie entscheiden.

Anfang 2017 soll sich noch einmal eine eigene Bürgerinformationsveranstaltung dem Thema "Struktur- und Potenzialanalyse" widmen. Politiker wie Klaus Wollenberg (FDP) hoffen, dass dann auch mehr Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung und den Aspekt "Wohnen und Arbeiten" getroffen werden.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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