Verhandlung am Landgericht:Wo sind die 400 000 Euro?

  • Ein Ehepaar aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck hat auf einem Konto in Österreich 750 000 Euro. Das Geld ist nicht versteuert.
  • Die beiden erstatten Selbstanzeige und transferieren das Geld nach Deutschland. Bei der Bank dort kommen aber nur 350 000 an.
  • Die 94 Jahre alte Ehefrau klagt nun gegen einen Bankangestellten, der das Geld mitgenommen haben soll.

Von Andreas Salch, Fürstenfeldbruck

Der Vorwurf klingt ungeheuerlich: Ein Angestellter einer Bank aus dem Landkreis soll eine 94 Jahre alte Münchner Rentnerin um 400 000 Euro geprellt haben. Die Seniorin hat die Bank jetzt vor dem Landgericht München II auf Schadenersatz verklagt. Einem Vergleich wollten die Vertreter der Bank in der Güteverhandlung vor der 11. Kammer nicht zustimmen. Denn das würde bedeuten, dass das Geld von ihrem Mitarbeiter unterschlagen wurde, argwöhnte einer der Banker.

Am 10. September 2013 soll ein Mitarbeiter des Kreditinstituts die 400 000 Euro in einer verplombten blauen Box nach Obermenzing in die Wohnung der Seniorin und ihres inzwischen verstorbenen Mannes gebracht haben. Doch das Geld ist verschwunden. Die Staatsanwaltschaft am Landgericht München II ermittelte gegen den Bankangestellten wegen des Verdachts auf Betrug. Im Juni vorigen Jahres wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Die mutmaßliche Tat sei dem Bankmitarbeiter nicht nachzuweisen, so die Ermittler. Der 94-jährigen Witwe bleibt somit nur noch die Möglichkeit, zivilrechtlich gegen die Bank vorzugehen.

Spätsommer 2013: Die Klägerin und ihr Mann müssen angesichts der zahlreichen Fahndungen nach Steuersündern in Deutschland ein ungutes Gefühl bekommen haben. "Da war die Gaudi mit dem Hoeneß", sagte die 94-Jährige bei ihrer Vernehmung. Die Eheleute entschieden sich, von ihrem Konto in Österreich 750 000 Euro zu ihrer Bank im Landkreis Fürstenfeldbruck transferieren zu lassen. Denn das Geld war nicht versteuert. Die Eheleute erstatteten Selbstanzeige.

Nachdem der Betrag bei ihrer Bank angekommen sei, "waren von den 750 000 Euro auf einmal nur 350 000 Euro da", so die Witwe. Dass sie und ihr Mann sich von dem Banker 400 000 Euro haben nach Hause bringen lassen, bestreitet die alte Dame vehement. "Ich nehm' doch keine 400 000 ins Haus", behauptete sie entrüstet bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht. Die 94-Jährige hört sehr schlecht. So schlecht, dass die Vorsitzende Richterin sie kurzerhand bat, sich für ihre Aussage neben sie hinter dem Richtertisch zu setzen.

Der Vertreter der Bank indes versicherte, dass das Ehepaar ihm den Auftrag erteilt habe, 400 000 Euro zu ihnen nach Hause zu bringen. Ob er denn keine Bedenken gehabt habe, an zwei sehr alte Menschen einen so hohen Betrag in bar zu übergeben, fragte die Richterin den Mitarbeiter der Bank. "Warum? Ich habe einen ganz klaren Auftrag gekriegt", erwiderte dieser. Die Seniorin und ihr Mann hätten sogar darauf bestanden, den Betrag in bar zu erhalten.

Tatsächlich hatten die Eheleute den Erhalt der 400 000 Euro mit einer "Empfangsbestätigung" quittiert. Er habe "definitiv den Eindruck gehabt, dass beide verstanden haben", was das bedeutet, sagte der beklagte Bankangestellte. Als die Richterin der Witwe das Dokument zeigte und ihr vorhielt, dass sie und ihr Mann es unterschrieben haben, sagte die 94-Jährige, dass ihr Mann seit Beginn des Jahres 2013 "zunehmend dement" geworden sei.

Es gibt Ungereimtheiten auf beiden Seiten

Wie ihre Unterschrift auf die "Empfangsbestätigung" gelangt sei, hakte die Richterin nach. "Ich muss gestehen, dass ich leider viel unterschrieben habe," so die Witwe. Sie habe Vertrauen zu dem Bankangestellten gehabt. Es scheint, als stehe Aussage gegen Aussage. Doch die 94-Jährige räumt auch ein, dass ihr kranker Mann mitunter "fremde Menschen" ins Haus gelassen habe. Danach habe sie festgestellt, dass Wertgegenstände, unter anderem Schmuck von ihr, gestohlen worden war. Nach einem Krankenhausaufenthalt, so die 94-Jährige, habe sie bemerkt, dass von ihrem Konto bei einer anderen Bank im Landkreis Geld abgehoben worden sei.

Als die Richterin den Bankangestellten fragte, welche Erklärung er dafür habe "dass die 400 000 Euro weg sind", meinte dieser: "Er wolle keine Spekulationsblase aufmachen." Im Oktober 2013 seien jedoch "neue Bevollmächtige" für das Konto der 94-Jährigen aufgetaucht. Sie hätten genau wissen wollen, "was an Geld da ist". Und was sie glaube, wo die 400 000 Euro geblieben sind, wandte sich die Richterin an die Seniorin. Ihre Antwort lautete: "Keine Ahnung." Es gebe auf beiden Seiten "Ungereimtheiten" stellte die Vorsitzende am Ende der Verhandlung fest. Im Oktober wird das Gericht eine Entscheidung verkünden.

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