Unterhaltsam durch den Advent:Hinter jedem Türchen ein Schmunzeln

Der Maisacher Künstler Joe Heinrich stellt jeden Tag ein amüsantes Filmchen für seinen Video-Weihnachtskalender ins Netz

Von Christian Hufnagel

Jo Heinrich

Hauptprotagonisten eines besonderen Weihnachtskalenders im Internet: der Maisacher Künstler Joe Heinrich und seine Wolpertinger-Puppe.

(Foto: Günther Reger)

Der Advent zeigt in diesen 56 Sekunden sein zweifelsfrei hässlichstes Gesicht. Und das nicht auf eine subtil-überhöhte Weise mittels einer bedeutungsschwangeren Metapher über den Kaufrausch - etwa in Form vollleibiger, schmerzverzehrter Verpackungen. Nein, dieses Antlitz offenbart sich von selbst. In der Mitte eines mit güldenen Sternen übersäten grünen Hintergrundhimmels drängt sich eine kurios-scheußliche Gestalt ins Bild: ein zerknatschtes Breitmaul, zwei Reißzähne in der Visage, zwei teuflische Geweihhörnchen auf der Stirn. Es fängt vom ersten Moment an zu maulen: "Du brauchst net moana, dass i jetzt 24 Tag' lang as Kasperl mach", schnauzt die Puppe missmutig in die Kamera, während aus dem Off ein derb-bairischer Dialekt so etwas wie ein "Ja freili!" raunzt. Die Szene eskaliert. Mit einem lauten Knall wird es schwarz. Und als es wieder hell wird, schraubt ein hemdsärmliger Heimwerker mit Nikolausmützchen an einer Lichterkette herum, bis es erneut zischt und knallt. Schnitt. Es taucht wieder das kleine Knautschmonster auf, um ein wegweisendes Schlusswort zu motzen: "Was is denn des? Is des a Gaudi, oder was?"

Ja, das ist es. Und was die Puppe natürlich nicht wissen kann: Ihr Erfinder Joe Heinrich hat sich für sie und ihre Kollegen eine Menge "Gaudi" ausgedacht. Denn der Auftaktepisode vom 1. Dezember folgen noch 23 weitere, in denen der arme Kerl eben mehr als einmal "as Kasperl" machen muss. Die lange Wartezeit auf das Christkind versüßt und verkürzt der Maisacher Künstler Heinrich derzeit mit einem Video-Weihnachtskalender, der im Internet zu verfolgen ist: Täglich öffnet sich auf YouTube ein Fensterchen und offenbart Einblick in ein Adventsreich voller Pleiten, Pech und Pannen, Kalauer, Komik und Kuriositäten.

Am 4. Dezember etwa gerät eine männliche Elf in eine hochnotpeinliche Lage. Auf der Mitarbeitertoilette in Santazon am Nordpol kommt er aus seinem froschgrünen Ganzkörperanzug einfach nicht heraus. Verzweifelt nestelt der Schauspieler an seinem mit Glöckchen behangenen Gürtel, während eine freundlich-impertinente Stimme aus dem Infoscreen an der Decke zur Eile mahnt: "Sie haben noch 30 Sekunden." Es schmälert sich auf 20, auf zehn. Zu spät. Lärmend und mit einem Alarmrotlicht schließt sich der Toilettendeckel: "Sie haben die zulässige Austrittszeit überschritten. Bitte kehren Sie sofort an ihren Arbeitsplatz zurück", befiehlt die Überwachungsstimme, nicht ohne dem Gepeinigten "Frohe Weihnachten" zu wünschen.

Es ist ein herrlich grotesker Kalender, den Joe Heinrich Tag für Tag ins Internet stellt. Realsatire mischt sich mit Fantasykomödie, Situationskomik mit Gesellschaftskritik, Märchenhaftes mit Mutterwitz: Da fällt der Amateur-Illuminator vom Hausdach, wird der Nikolaus beim Einbruch erwischt und verheizt oder überbringt ein himmlischer Helfer dem Männlein im bayerischen Walde Weihnachtsgrüße aus Mainz und lässt sich diesen Dienst penibel genau quittieren. Jedes Kurzfilmchen hat seinen eigenen kleinen Plot mit wechselnden Protagonisten, amüsanten Puppen wie dem skurrilen "Wolpertinger" und grotesk verkleideten Menschen, die fast alle der Autor selbst mimt. Ein durchgängiges Konzept verfolgt der Künstler dabei nicht. Er baut jeden Morgen auf die Macht des Einfalls und seiner Kreativität. Jedes Filmchen entsteht "völlig unwillkürlich", wird an einem Tag abgedreht.

In seinen cineastischen Slapstick-Miniaturen scheint der Maisacher alle seine Talente zu fokussieren. Der gebürtige Schotte hat Grafikdesign studiert und die Kunstakademie besucht. Daraus resultiert ein langjähriges Austoben als Comic-Zeichner und -Autor. So schuf er etwa Bleifuß mit Michael Schumacher als Hauptfigur , Die Ludolfs und der Fluch des Tut Nich Imun sowie in Zusammenarbeit mit Hape Kerkeling ein Heftchen mit dem Anti-Alltagshelden Horst Schlämmer. Vom Blatt weg entwickelte er sich in die Dreidimensionalität, entwarf Theaterdekorationen und Puppen, mit denen er schließlich als Komiker versucht, die Comedy-Bühnen zu erobern. Letzteres ist das erklärte Ziel des Künstlers. Aber zumeist muss er sich noch mit Auftritten in Mixed-Shows begnügen. Der 37-Jährige hofft deshalb, dass er durch die Medien bekannter wird, damit er "auch in Fürstenfeldbruck" mal einen Saal füllen könnte. Als ein Mittel zur Popularität sieht er das Internet für sich und seine Kunst. So verfolgt der Komödiant die "Non-Profit-Geschichte" seines Video-Weihnachtskalenders: "Ich möchte Joe Heinrich in den Köpfen verankern." Ein Schnitt von 100 bis 200 Klicks ist zwar nicht viel, aber das Multitalent aus Maisach ist mit dieser Resonanz vorerst zufrieden.

Wer "Joe Heinrichs Weihnachtskalender" im Internet aufruft, wird es nicht bereuen, sondern kann sich in jedem einzelnen Fall eine lustige Minute gönnen, wozu vor allem auch die parodistischen Fähigkeiten des schauspielernden Video-Regisseurs beitragen. So wenn er als Austria-Proll im Unterhemd und mit Kippe im Mund unterm Waschbecken hängt, um den Siphon weihnachtlich zu dekorieren und dabei billige Antworten auf Allerweltsfragen der Puppe namens Ali N. zu geben: " Du Joschi, was ist Weihnachten?" Das sei jedes Jahr im Dezember, raunt der Muskelmann zurück und schaut in seinem elektronischen Kalender nach: "Heuer am 24. Dezember."

Joe Heinrichs Videos finden Sie im Internet unter www.youtube.com/user/JoeHeinrich

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