Unfälle beim Baden:Wenn jede Sekunde zählt

Unfälle beim Baden: Bereitschaft am Pucher Meer: Wasserretterlehrgang in Olching Anfang Mai.

Bereitschaft am Pucher Meer: Wasserretterlehrgang in Olching Anfang Mai.

(Foto: Rotes Kreuz)
  • Am Emmeringer See ist ein 31-jähriger Mann ums Leben gekommen.
  • Es war der zweite Badeunfall eines Asylbewerbers innerhalb eines Monats an der gleichen Stelle - und der dritte Ertrunkene im Landkreis Fürstenfeldbruck binnen weniger Wochen.
  • Die Unglücke belegen, wie wichtig eine gut ausgebildete und trainierte Wasserwacht ist.
  • Ein Besuch bei Menschen, die wissen, wie schnell aus Routine ein Wettlauf gegen die Zeit und ein Kampf um Leben und Tod werden kann.

Report von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Sie brauchen viel Geduld, müssen aber auch von einer auf die andere Sekunde alles geben. Und sie brauchen starke Nerven: Die Mitglieder der Wasserwacht im Landkreis verbringen oft stundenlang an den Badeseen. Am Freitagvormittag zeigt sich, wie schnell aus Routine ein Wettlauf gegen die Zeit und ein Kampf um Leben und Tod werden kann: Um elf Uhr geht ein Notruf vom Emmeringer See ein: Mann untergegangen.

Die alarmierten Hilfskräfte der Brucker und Olchinger Ortsgruppen wissen, was dies bedeutet. Ohne Sauerstoff überlebt ein Mensch in der Regel nur maximal fünf Minuten. Dauert es länger, drohen mindestens bleibende Hirnschäden. Je höher die Wassertemperatur, desto kürzer die verbleibende Zeitspanne. In keinem Bereich ist die Grenze zwischen Leben und Tod so schmal wie im Wasser. Mit Hilfe modern- ster Technik halten Notärzte bei schweren Verkehrsunfällen überraschend viele Menschen am Leben. Bei Badeunfällen oder im Fall von Menschen, die im Winter ins Eis einbrechen, schlägt die Bio-Physik hingegen erbarmungslos zu, mag jeder Handgriff der Retter auch noch so sehr sitzen: Ohne Luft kein Leben.

Nicht einmal fünf Minuten nach der Ankunft am Emmeringer See gelingt es den Rettungsschwimmern, den Mann in der trüben Tiefe eher zu ertasten denn zu sehen. Sie ziehen ihn ans Ufer, wo sofort die Reanimation beginnt. Ebenso wie beim Warten in den Wasserwachtstationen ist dies freilich wieder Routine - tausendmal geübt. So wie Anfang Mai in Olching und Grafrath, wo 14 Teilnehmer die Wasserrettung und die Einsatzführung durchspielen und mit dem Kurs ihre Grundausbildung abschließen.

Der schlimme Badeunfall des jungen Asylbewerbers am Emmeringer See führt wieder vor Augen, wie unverzichtbar dies ist - auch wenn sich die Rettungsversuche diesmal als vergeblich herausstellen und der junge Mann trotz aller Bemühungen nicht mehr ins Leben zurückgeholt werden kann. Brucks Ortsgruppenleiter Roman Naumann, 50, war auch in Emmering wieder unter den ersten Helfern am Unglücksort.

Am Vortag, dem Donnerstag, sitzt er gemeinsam mit Mitgliedern der Jugendgruppe an der Wasserwachtstation am Pucher Meer und erzählt über die Herausforderungen, die er und seine Kollegten auf sich nehmen - und das manchmal trotz schwieriger Bedingungen mit Überzeugung und Freude. Noch weiß er nicht, dass sich bereits einen Tag später seine Befürchtungen im Hinblick auf Badegäste mit unzureichenden Schwimmkenntnissen erneut bestätigen werden. Letztlich wissen die Mitglieder der Wasserwacht, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, mögen sie auch noch so viele Bereitschaftsstunden in den Stationen an den Seen verbringen. Unter der Woche, spätabends oder frühmorgens, gibt es Lücken.

Zudem kann nicht an allen Badeweihern - so auch nicht am Emmeringer See und erst recht nicht an der Amper - eine durchgehende Präsenz garantiert werden. 2014 wurde nach Worten von BRK-Kreisgeschäftsführer Rainer Bertram 200 Mal in kleineren Fällen Erste Hilfe von der Wasserwacht geleistet, zudem gab es eine Lebendrettung. Die in Fürstenfeldbruck, Germering und Grafrath stationierten schnellen Einsatzgruppen, die mit Booten, Schwimmbrettern, Notfallrucksäcken und Tauchequipment ausgerüstet sind, rückten seit Anfang 2014 zwölfmal aus, allein im Jahr 2015 bereits fünfmal.

Am letzten Donnerstag in den Pfingstferien gibt es in Bruck einen typischen Einsatzfall. Da müssen die Helfer der Station am Pucher Meer einen Jugendlichen von der künstlichen Insel ans Ufer eskortieren, der kurzzeitig bewusstlos geworden war. Manchmal kommt es zu Unfällen, weil "auf den Inseln auch viel Schmarrn gemacht wird", wie es Naumann ausdrückt. Manchmal lässt auch exzessiver Alkoholkonsum die Hemmschwelle sinken. So feiern häufig Schulabsolventen gemeinsam den Abschluss mit einem Kasten Bier am See, wie Niklas Lenz wiederholt beobachtet hat. Der 18-jährige Tauchanwärter und geprüfte Wasserretter geht selbst in Bruck zur Schule. Er weiß, dass sich viele Gleichaltrige vom Alkoholverbot am Seeufer nicht immer beeindrucken lassen.

Manchmal beschränkt sich die Hilfe der Wasserwacht auf eine traurige Aufgabe - wenn sie Menschen nur noch tot bergen können. So wie den 76 Jahre alten Rentner, der 2014 im Pucher Meer einen Herzanfall erleidet und erst nach 40 Minuten gefunden wird oder den Schwimmer, der vor etwa acht Jahren bewusstlos von der Badeinsel kippt und ertrinkt. Naumann ist dabei, als im Frühsommer 2013 ein an einer Badestelle in Grafrath verunglückter 35 Jahre alter Inder nach mehrtägiger Suche nur noch tot geborgen werden kann - viele Kilometer flussabwärts an der Mündung des Amperstausees in Fürstenfeldbruck.

Bruck: Wasserwacht am Pucher Meer

von links: Kirsten Page, Roman Naumann, Niklas Lenz und Lukas Gattermann.

(Foto: Johannes Simon)

Wie können sich da Jugendliche motivieren, warum verbringen sie viele Tage von morgens bis zur Dämmerung völlig unentgeltlich an den Wasserwachtstationen und passen auf, dass nichts passiert? Kirsten Page muss nicht lange überlegene, um das zu erklären. Es sei ja nicht nur ein manchmal lebensrettender ehrenamtlicher Dienst, sagt die 18-jährige Bruckerin. An den Seen trifft man sich auch mit Freunden, man trainiert gemeinsam und kümmert sich selbst um die Schwimmkurse für Kinder.

Es sei "fast wie eine Familie", sagt sie und erntet Zustimmung von Jugendtrainer-Kollege Lukas Gattermann, 18. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Motorbootführerschein zu machen oder auch den Tauchschein, auf den der gleichaltrige Niklas Lenz gerade hinarbeitet. Manchmal bringt einen ein solches Engagement auch weit über die Ufer der Landkreis-Badeseen hinaus: Sieben Mitglieder der Brucker Ortsgruppe werden sich mit einem Boot im Gepäck Mitte Juli nach Hamburg aufmachen. Sie werden bei der Absicherung des Weltcuptriathlons helfen. Bei solchen Fahrten geht es ausnahmsweise mal nicht um jede Sekunde, sondern vor allem um ein gemeinsames Erlebnis.

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