Umwelt:Klaffende Lücke beim Klimaschutz

Schneeberge

Weil der Blick auf die Kirche bei Puch ungetrübt bleiben soll, kann das dritte Windrad nicht gebaut werden.

(Foto: Günther Reger)

Fürstenfeldbruck will bis 2020 die Kohlendioxidemission drastisch senken. Nach zwei Dritteln der Zeit ist nicht einmal die Hälfte davon erreicht. Nun ruhen die Hoffnungen auf der Wärmedämmung von Altbauten

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Brucker Klimaschutzreferentin Anja Wendler schlägt Alarm. Macht die Kreisstadt weiter wie bisher, dann wird sie mit Pauken und Trompeten die selbst gesteckten Klimaziele verfehlen. Die gute Nachricht: Wird ein Maßnahmebündel, das sie jüngst dem Stadtrat vorstellte, umgesetzt, dann könnte es doch noch klappen. Ziel ist es, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂), das bei der Verbrennung fossiler Energieträger zwangsläufig freigesetzt wird, zu senken.

Ums gleiche Ziel geht es an diesem Montag auch in Paris. Mehr als 150 Staatschefs aus aller Welt werden zur UN-Klimakonferenz erwartet. Geschieht nicht ein Wunder und alles läuft doch wieder wie bei den 20 vorangegangenen Klimagipfeln, dann wird es auch bei dieser zweiwöchigen Konferenz viele Lippenbekenntnisse geben, die später größtenteils in der Schublade landen. Denn Klimaschutz kostet zunächst Geld, dessen Einsatz erst mit Verzögerung etwas bewirkt. Und Klimaschutz kann einen gewissen Verzicht erfordern, um den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Reichert sich das CO₂ zu stark in der Atmosphäre an, steigt die Temperatur. Wird es durchschnittlich vier Grad wärmer auf der Erde, so Prognosen, dann steigt der Meeresspiegel durchs Abschmelzen polarer Eismassen um neun Meter und Naturkatastrophen wie Orkane und Dürren nehmen zu - was auch ganz ohne Kriege oder politische Krisen Völkerwanderungen Richtung Westen in Bewegung setzen kann.

Die Kreisstadt ist Mitglied im Klimabündnis, im Klimawendeverein Ziel 21 des Landkreises sowie im Konvent der Bürgermeister. Sie will ihren Beitrag leisten, um das Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, doch noch zu erreichen. Fürstenfeldbruck hat sich selbst bereits weitaus ehrgeizigere Ziele gesetzt. Gemeinsam mit dem um die Jahrtausendwende herum als "Musterbeispiel" gefeierten Landkreis will man im Jahr 2030 unabhängig von Öl, Kohle und Gas sein und rechnerisch die benötigte Energie zu hundert Prozent selbst und regenerativ erzeugen. Darüber hinaus hat Bruck 2010 die Selbstverpflichtung abgegeben, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 im Vergleich zum Basisjahr 2005 um 35 Prozent zu reduzieren.

Wendler legte nun dar, warum Bruck so hinter den eigenen Zielen hinterherhinkt. Hauptursache ist ein Dämpfer, den die Stadt im Mai hinnehmen musste. Da wurde ein Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig und der von den Stadtwerken fest eingeplante Bau des dritten Windrads bei Puch war endgültig am Widerspruch der Kirche gescheitert. Diese war mit ihrer Argumentation durchgedrungen, das Windrad störe den Blick auf den Kirchturm von Sankt Sebastian in Puch in unzumutbarer Weise. Weil eine solche Anlage rein rechnerisch 2000 Vierpersonen-Haushalte mit umweltfreundlich produziertem Strom versorgen kann, droht damit das ganze Klimaschutzkonzept der Stadt Makulatur zu werden.

Noch freilich sieht Wendler die Möglichkeit, die Lücke zu schließen: Die Stadt muss die richtigen Signale aussenden und Anreize schaffen, viele Bürger an Bord zu holen, dann könnte es doch noch klappen. Vor allem muss sie etwa bei der Dämmung eigener Gebäude als Vorbild vorangehen.

Wendler bezifferte in ihrer Bilanz die bis 2014 bereits erreichten Einsparungen im Vergleich zum Basisjahr 2005 auf gut 30 000 Tonnen CO₂ - das sind 14 Prozent. Der für 2015 definierte Zielwert von 23 Prozent liegt damit freilich in weiter Ferne, ebenso wie das ganze 35-Prozent-Ziel in fünf Jahren. Zwei Drittel der Zeit ist also verstrichen, aber nicht einmal die Hälfte des Ziels wurde erreicht. Wendler kommt in ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass es Bruck aus eigener Kraft nicht schafft - mit seinen Gebäuden und Fahrzeugen ist sie lediglich für drei Prozent der gesamten CO₂-Emissionen auf dem Stadtgebiet verantwortlich. Deshalb muss sie sich zum Ziel setzen, "Leuchtturmprojekte" zu unterstützen, die dann als Vorbild dienen.

Wendler führt das Beispiel der energetischen Gebäudesanierung an. Ein Euro Förderung löse in diesem Bereich 14 bis 16 Euro an privaten Investitionen aus. Und gerade bei der Wärmedämmung liegt in der Kreisstadt noch ein gewaltiges Potenzial. Was bei einem Altbau aus den Siebzigerjahren möglich ist, wird zurzeit beim "Brucker Musterhaus" im Westen der Stadt in der Praxis demonstriert. Die Stadt hatte die Ausarbeitung eines detaillieren und für den Bauherren ausnahmsweise kostenlosen Sanierungskonzepts vermittelt. Der Energienutzungsplan der Stadt hat ergeben, dass es Häuser aus den Sechziger- und Siebzigerjahren vor allem im Brucker Westen hundertfach gibt. Auch in den Bereichen Radverkehr, Carsharing, E-Mobilität, Fotovoltaik und Fernwärme gibt es in der Stadt noch großes Potenzial.

Klaus Wollenberg (FDP) vermisste eine Bilanzierung der "Grauen Energie" - die in der Produktion steckt und etwa beim Abriss eines Hauses oder der Verschrottung eines Autos verloren geht. Dennoch wurde der Aktionsplan gegen eine Stimme befürwortet: Hans Schilling ( CSU) hält die Ziele für "zu ambitioniert" und unrealistisch.

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