Uabhängigkeit von fossilen Brennstoffen:Vom Vorreiter ins Mittelfeld

Der Landkreis ist weit davon entfernt, die beschlossene Energiewende bis 2030 zu schaffen. Ein Grund hierfür ist, dass der Motor zur Umsetzung ins Stocken geraten ist. Der Verein Ziel 21 versucht nun einen Neuanfang

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

15 Jahre nach seiner Gründung steckt der zurzeit fast ausschließlich vom Landkreis finanzierte Energiewendeverein Ziel 21 in einer Krise. Auch wenn das niemand öffentlich so deutlich sagen will. Dabei sollte der wirtschaftliche Verein eigentlich zum Motor der Umsetzung des politischen Ziels werden, den Landkreis bis zum Jahr 2030 bei der Energieversorgung autark zu machen. Als der Kreistag vor 16 Jahren den ehrgeizigen, in gewisser Weise auch idealistischen Beschluss fasste, den Landkreis bei der Energieversorgung unabhängig zu machen, war Fürstenfeldbruck noch einer von zwei Vorzeige-Agenda-Musterlandkreisen in Bayern und Vorreiter, was den Bau von Fotovoltaikanlagen und andere Ideen zur Umsetzung der Energiewende anbelangte. Inzwischen liegt Fürstenfeldbruck höchstens nur noch im Mittelfeld.

Landrat Thomas Karmasin fasst diese Situation mit dem Satz zusammen: "Wir sind nicht mehr spitze." Um zu ergänzen, ein Verein mit einer freischwebenden Struktur sei nun mal kein professioneller Apparat. Karmasin wünscht sich daher bei Ziel 21 mehr Klarheit, mehr Struktur und mehr Eingrenzung der Tätigkeit. Auch damit es für den Landkreis, der den Verein mit einem Jahreszuschuss von 100 000 Euro finanziert, mehr Transparenz gebe und nachvollziehbar werde, was mit dem Geld geschieht.

Auf diese Krise reagiert inzwischen auch der Vorstand des Vereins. Dort wird in Zusammenarbeit von einem neuen Beirat und dem im Juni installierten neuen Vorstand intensiv über Organisations- und Strukturfragen sowie über ein neues Konzept diskutiert. So gibt es Vorüberlegungen zur Gründung eines Fördervereins, der künftig die ideelle Arbeit leisten soll, sowie zur Gründung einer professionell arbeitenden Energieagentur in Form einer GmbH. Die Energieagentur könnte tun, was jetzt selbständige Energieberater machen, mit denen Ziel 21 kooperiert: Verbraucher und Kommunen in Fragen zur Energieeinsparung beraten und damit Geld verdienen. In den eventuell zu gründenden Förderverein könnte wiederum der Verein Ziel 21 übergehen. Selbst der neue stellvertretende Vorsitzende und parteifreie Energiereferent des Kreistags, Max Keil, räumt ein, dass in den vergangenen 20 Monaten nicht mehr viel von dem Verein zu hören war. Wie in jeder Organisation gebe es eben "menschliche Probleme und Durchhänger", sagt der Kreisrat, ohne dies näher zu erläutern.

Demo Sonnensteuer

Mit Aktionen wie einem Protest gegen die Energiepolitik der CSU macht Ziel 21 auf sich aufmerksam.

(Foto: Günther Reger/oh)

Von dem, was intern bei Ziel 21 passiert, bekommt die Öffentlichkeit sowieso kaum etwas mit, weil alle Mitgliederversammlungen und Sitzungen hinter verschlossenen Türen stattfinden und die Teilnehmer zu Verschwiegenheit verpflichtet sind. Auch was die Aufnahme von Mitgliedern betrifft, ist der Verein eine geschlossene Gesellschaft. Es besteht kein Anspruch auf Mitgliedschaft. Mitglieder sind daher lokale Energieversorger, Banken, der Gemeindetag, der Bund der Selbständigen oder die Solidargemeinschaft Brucker Land. Die fehlende Transparenz stört inzwischen auch Politiker wie den Kreisrat Peter Falk (SPD). Unter dem Motto "Energiewende im Landkreis Fürstenfeldbruck vorantreiben" stellte er einen Antrag an den Landrat, in dem er Antworten zu grundsätzliche Fragen zum Stand der Umsetzung der Energiewende und der Arbeit von Ziel 21 fordert.

In diese Richtung denkt auch Keil. Er kündigte auf SZ-Nachfrage an, dass es Überlegungen gibt, den Verein Ziel 21 zu einem wirtschaftlichen Managementbetrieb zur Steuerung und Organisation der Energiewende im Landkreis umzubauen. Vorbild hierfür ist die Energieagentur des Landkreises Ebersberg. Hinter diesen Diskussionen steckt die Grundsatzfrage, was Ziel 21 in Zukunft überhaupt noch machen soll. Um seine ideelle Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit zu leisten, ist der Verein auf Zuschüsse angewiesen. Karmasin wiederum hält die Organisationsform für zweitrangig, für ihn ist nur ausschlaggebend, was der Verein macht und wie er die Mittel verwendet. Die hierfür erforderlichen, klar messbare Ergebnisse sind jedoch rar.

Volksbankchef Walter Müller, der mit den Vorständen Gottfried Obermair und Max Keil an dem Konzept arbeitet, bezeichnet es als Ziel, den Verein transparenter zu machen. Es soll festgelegt werden, was der Verein in Zukunft ganz konkret macht, was die Aufgaben des Vorstands sind und wie der Beirat diese Arbeit begleitet. Müller spricht von einem "Neustart", den der Beirat begleiten wolle. Allerdings steht noch nicht fest, ob der Beirat kontrollierend oder nur beratend tätig werden soll.

Uabhängigkeit von fossilen Brennstoffen: Der neue Vorstand um den Vorsitzenden Gottfried Obermair (links) will dennoch mehr Transparenz schaffen.

Der neue Vorstand um den Vorsitzenden Gottfried Obermair (links) will dennoch mehr Transparenz schaffen.

(Foto: Günther Reger)

Auch Beirätin Ingrid Jaschke (Grüne) konzidiert einen Mangel an Bestandserhebung, was sie als Voraussetzung für ein "vernünftiges Arbeiten" bezeichnet. Die Kreisrätin der Grünen verhehlt jedoch nicht, dass sie den Eindruck habe, bei der Arbeit von Ziel 21 sei manches Mal auf die Bremse getreten worden. Sie verweist darauf, dass der Verein zudem eine wichtige und gute Arbeit leiste.

Ziel-21-Vorsitzender Obermair verärgert die kürzlich im Kreisausschuss von Falk angestoßene Debatte zur Bezahlung der drei Vorstandsmitglieder. "Ich bin unter der Prämisse angetreten, dass meine Arbeit bezahlt wird, wie es in der Satzung steht", stellt der FW-Kreisrat "bitter enttäuscht" fest. Der Verein könne viel bewegen. Falk wollte erreichen, dass der Landkreis sich als Finanzier bei der Bestellung von hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern seiner Verantwortung stelle und nicht übergangen werde. Allerdings ist der Landkreis nur ein Mitglied unter vielen. Er kann daher nur über die Gewährung von Zuschüssen Einfluss auf den Verein ausüben.

Wichtig ist auch die Abgrenzung von Ziel 21 zu anderen. Seit das Landratsamt über ein eigenes Klimaschutzmanagement verfügt, hat der Verein mit einem Büro in der Kreisbehörde schon im eigenen Haus Konkurrenz bekommen. Zudem verfügen inzwischen auch die Großgemeinden im Landkreis über qualifizierte eigene Klimamanager, die die Verwaltung und Bürger in Energiefragen kompetent beraten. Dazu kommen weitere vier kommunale Energieversorger, die ebenfalls im Bereich Energiewende und Klimaschutz tätig sind. Das sind die Stadtwerke Fürstenfeldbruck, die Komm-Energie der drei Kommunen Puchheim, Eichenau und Gröbenzell, die Stadtwerke Olching und Strom Germering. Bis auf die Stadtwerke Fürstenfeldbruck kooperieren die anderen drei kommunalen Versorger mit großen Partnerwerken. Weitere Mitspieler sind lokale Agenda-Gruppen, die sich in einzelnen Gemeinden in energiepolitischen Fragen engagieren.

Ein Schwerpunkt von Ziel 21 war lange die Aufklärungs-, Öffentlichkeits- sowie Bildungsarbeit an Schulen. Laut Satzung soll der neutrale Verein auch Privatverbraucher, Gewerbe, Kommunen und Politik beraten. Verbraucher verweist der Verein an selbständige Energieberater. Energieberatung betreibt er selbst nicht. Eine weitere Aufgabe besteht darin, andere Organisationen innerhalb und außerhalb des Landkreises zu vernetzen, was ein weites, nur vage definiertes Feld ist. Seit die 10-H-Regelung die Planungen zum Bau von Windrädern im Landkreis zum Erliegen brachte, gibt es politisch nur noch ein Thema zur Stärkung der regenerativen Energiegewinnung. Das ist die Debatte im Kreistag über den Bau einer landkreiseigenen Anlage zur besseren Verwertung des Biomülls. Elektromobilität ist noch kein Thema.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: