Alter Brauch:Dank an Silvester

Alter Brauch: Mit Esel und Haflinger: Teilnehmer des Silvesterritts in Türkenfeld.

Mit Esel und Haflinger: Teilnehmer des Silvesterritts in Türkenfeld.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Am letzten Tag des Jahres nehmen mehr als 100 Reiter und Fahrer von Gespannen am Ritt durch Türkenfeld teil. Damit halten sie ein altes Versprechen ein und feiern die Selbständigkeit der Gemeinde

Von Manfred Amann, Türkenfeld

Seit 210 Jahren bekommt an Silvester, bevor das alte Jahr mit Leuchtraketen und Böllern verabschiedet wird, der Jahresausklang in Türkenfeld eine besondere kirchliche Note. Mehr als hundert Reiter mit herausgeputzten Pferden und einige Gespanne mit prächtigen Wagen haben beim traditionellen Silvesterritt am Sonntag von Pfarrer Klaus Distl den kirchlichen Segen empfangen und damit laut Bürgermeister Pius Keller einen Beitrag zur Erhaltung der regional bedeutsamen Brauchtumsveranstaltung geleistet. Wie die Gemeinderäte Werner Epp und Michael Schneller anhand der verteilten Erinnerungsschleifen zählten, erreichte die Anzahl der Pferde trotz der frühlingshaften Temperaturen etwa nur die Hälfte früherer Rekorde, während mit schätzungsweise mehr als 2000 unerwartet viele Zuschauer die Straßen säumten.

Wenn die Pferdehalter und Freizeitreiter nicht bereit wären, bei dem im Jahre 1807 von Türkenfelder Bauern gelobten Silvesterritt mitzuwirken, könnte die Tradition nicht aufrecht erhalten werden, dankte Keller. Die Vorbereitung und Organisation bedeute für Gemeinde, Feuerwehr, Polizei und Rotes Kreuz stets einen erheblichen Aufwand, für das eine gelungene Einlösung des über zweihundert Jahre alten Gelöbnisses quasi eine Bestätigung darstelle. Für die meisten ortsansässigen Reiter und für die örtlichen Vereine sei die Teilnahme eine Selbstverständlichkeit.

Aber auch aus der Region, aus den Landkreisen Starnberg, Landsberg und Aichach-Friedberg sowie aus dem Pfaffenwinkel und aus dem Allgäu waren Reiter mit ihren Pferden und Anhängern angereist. Hans-Peter Schattmann, Betreiber eines Ponyhofes in Pflaumdorf bei Sankt Ottilien, war mit 35 jungen Reitern über die Feldwege gekommen, denn "es gehört einfach dazu". Schattmanns Enkelkind Lion, das mit seinen neun Monaten noch vom Mini-Pony Mario im Anhänger in Felle gebettet mitgezogen wurde, dürfte der jüngste Umritt-Teilnehmer gewesen sein. Leo Schmid aus Jesenwang macht schon über 20 Jahre mit. Seit etwa 15 Jahren führt er auf einem alten, eisenbereiften Leiterwagen ein Modell der Sankt-Willibald-Kapelle mit. Im Festzug mit Blasorchester und Blaskapelle Türkenfeld wurden auch Modelle vom Fuggerschlösschen und von der Pfarrkirche sowie vom Kriegerdenkmal mitgeführt. Angeführt wurde der Zug von Wolfgang Pfund aus Hörbach, für den es "eine große Ehre" war, mit dem Kreuz an der Spitze zu reiten. Vom Ortsobmann des Bayerischen Bauernverbandes, Christoph Rieger, wurde die Silvester-Figur mitgetragen, die das Jahr über in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt steht und das Nebenpatronat des Heiligen symbolisiert.

Seit 1980 sei die Figur dabei, um Silvester dafür zu danken, dass Türkenfeld eine eigenständige Gemeinde bleiben durfte, erklärte der Bürgermeister. Seinerzeit sollte die Gemeinde im Zuge der Gebietsreform wie Schöngeising und Kottgeisering in die Verwaltungsgemeinschaft Grafrath eingegliedert werden. "In ihrem mühseligen Kampf haben sich die Türkenfelder Ortspolitiker damals an ihren Vieh- und Nebenpatron der Kirche gewandt und um Hilfe gebeten", erinnerte Keller, "und das mit Erfolg". Auch deswegen sei der Silvesterritt der Gemeinde ein großes Anliegen.

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