Tierschutz:Rettung vor den tödlichen Messern

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Wenn die Landwirte ihre erste Mahd einfahren, haben viele Tiere Nachwuchs. Damit die auf den Feldern Schutz suchenden Jungen nicht gefährdet werden, wird modernste Elektronik eingesetzt

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Mai, Juni - es ist die Zeit, in der viele Jungtiere auf den Feldern in großer Gefahr schweben. Denn wenn die Landwirte die erste Mahd einbringen wollen und dabei nicht sorgsam auf das achten, was sich irgendwo zwischen den Halmen wegduckt, dann verlaufen Begegnungen mit den Schneidemaschinen nicht selten tödlich. Aufmerksame Bauern gehen schon mal ihre Wiesen ab, bevor sie mähen. In Puchheim hat man sich nun für ein elektronisches System entschieden, damit Rehkitze und Jungfasane nicht unter die Messer kommen. Nach den ersten Versuchen mit den elektronischen Wildrettern sind die Landwirte mit der Wirkung der batteriebetriebenen Signalgeber sehr zufrieden.

Das Problem ist altbekannt: Rehe und Bodenbrüter wie Rebhühner oder Fasane setzen ihren Nachwuchs im hohen Gras ab und lassen ihn dort teilweise den ganzen Tag allein. Vor Fressfeinden sind die jungen Tiere mit ihrer an die Umgebung angepasste Zeichnung dort sehr gut geschützt. Doch wenn der Mähdrescher anrückt, und sich die Jungtiere ihrem Instinkt folgend noch flacher an den Boden drücken, haben sie keine Chance mehr. Meist werden sie schwer verletzt. Das ist nicht nur für die Tiere traumatisch. Auch für die Landwirte ist solch ein Fund jedes Mal ein schreckliches Erlebnis, wie Georg Huber betont. "Ich kenne keinen Bauern, dem das nicht nahegeht", sagt der Landwirt aus Puchheim, der auch Vorsitzender der örtlichen Jagdgenossenschaft ist.

Gut getarnt: Bei drohender Gefahr drücken sich Rehkitze instinktiv tiefer an den Boden und werden so von Bauern und Jägern leicht übersehen. (Foto: Peter Bauersachs)

Beim Bayerischen Bauernverband kennt man das Problem ebenfalls. Bereits im April schickte die Organisation eine Mitteilung heraus, um die Landwirte zu sensibilisieren. Es stehen auch verschiedene Möglichkeiten darin, die Tiere vor der Mahd zu verscheuchen oder vergrämen, wie die Jäger das nennen. Das wichtigste sei die "Absprache zwischen den beteiligten vor Ort", heißt es sowohl in dem Schreiben als auch bei Simone Strobel vom Bauernverband Dachau Fürstenfeldbruck. Damit ist gemeint, dass die Bauern die Jäger ein paar Tage vor der Mahd informieren, so dass diese mit ihren Hunden kurz vor der Aktion über die Felder gehen können und die Tiere verscheuchen.

Doch diese Methode ist umstritten. Während Ludwig Märkl, Mitglied des Jagdbeirats und Vorsitzender der Waldbauern, sie durchaus als probates Mittel empfiehlt, findet Huber sie recht wirkungslos, speziell für die fast geruchsneutralen und farblich gut getarnten Rehkitze. "Man kann einen halben Meter am Kitz vorbeigehen und man sieht es nicht", zumal, wenn es sich - ganz instinktiv bei Gefahr in den ersten Wochen - ganz tief an den Boden drücke. Selbst die Hunde wittern die Jungtiere Huber zufolge meistens nicht.

Kleines Gerät mit großer Wirkung: Der Wildretter, den Georg Huber an einem Pfosten befestigt, gibt nachts willkürlich optische und akustische Signale. (Foto: Günther Reger)

Auch andere Methoden habe er ausprobiert, zum Teil "Jahre lang", berichtet Huber. So befestigte der Landwirt zum Beispiel Plastiktüten an Stangen und stellte sie in die Felder. Durch das Flattern im Wind hätten die Tüten die Tiere vergrämen sollen. Doch auch das funktionierte nicht so, wie sich Huber das vorgestellt hatte. Auch das empfohlene von innen nach außen Mähen, um den Tieren Zeit zur Flucht zu lassen, ist nach den Erfahrungen des Puchheimers kein Garant für die Tiere. Im Schreiben des Bauernverbandes heißt es: "Die eine, optimale Wildvergrämungsmaßnahme gibt es nicht."

In Puchheim entschloss sich das halbe Dutzend Landwirte Huber zufolge im Vorjahr, aus einem Teil der Erlöse ihrer Jagdpacht (üblicherweise verpachten die Bauern ihre Ländereien an Jäger) vier Wildretter anzuschaffen. Die batteriebetriebenen Geräte verbreiten nachts im Umkreis von etwa 100 Metern in willkürlichen Abständen Licht- und Tonsignale.

Die Unregelmäßigkeiten sind laut Huber sehr wichtig, da sich die meisten Tiere sonst rasch an derartige technische Abschreckungsmaßnahmen gewöhnen. "Die ersten Erfahrungen letztes Jahr waren sehr positiv", berichtet der Landwirt verhalten. In Euphorie will er so schnell noch nicht verfallen, schließlich hat er in all den Jahren schon vieles ausprobiert. An manches haben sich die Tiere schnell angepasst.

Deshalb wollen die Puchheimer ihren Wildretter in dieser Saison noch einmal testen. Sind sie danach immer noch so zufrieden mit dem Ergebnis, sollen weitere Geräte gekauft werden. Huber schätzt, dass man allein für die landwirtschaftlichen Flächen in Puchheim bis zu 15 der 200 Euro teuren Geräte bräuchte. Denn eine Mehrfachnutzung sei kaum möglich: "Wenn gemäht wird, dann mähen eigentlich alle."

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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