Thema in der aktuellen Ausgabe des "Meisaha":Maisach als Wissenschaftsstandort

Anna Bergheim hat die Anfänge des Geomagnetischen Observatoriums beschrieben, das nach dem Ersten Weltkrieg eingerichtet worden ist und später dem Fliegerhorst weichen musste

Von Peter Bierl, Maisach

Das Geschäft brummt. Kommunalpolitiker, Grundbesitzer und Geschäftsleute haben Maisach zu einem boomenden Gewerbestandort gemacht, mit allen negativen Effekten vom Autoverkehr über steigende Wohnungspreise bis zu einem wenig ansprechenden Ortsbild. Als beschauliches Dorf lockte Maisach hingegen zu Urgroßvaters Zeiten die Wissenschaft an, wie Anna Bergheim herausgefunden hat. Die Vorsitzende des Historischen Vereins hat die Anfänge des Geomagnetischen Observatoriums recherchiert, das sich anno 1927 dort ansiedelte, weil die sensiblen Messgeräte nicht gestört wurden. Die Idylle war jedoch dahin, als der Fliegerhorst gebaut wurde. Nachzulesen ist die Geschichte in der aktuellen "Meisaha", dem jährlich erscheinenden Heft des Arbeitskreises Geschichte in Maisach.

Zuerst wählte die kleine bayerische Luftwaffe Maisach als Stützpunkt für Windmessungen. Weil es keine elektrischen Leitungen und keinen Flugverkehr gab, dafür freie Felder und Anhöhen, beschloss das bayerische Kriegsministerium Ende 1916, eine Wetterwarte mit Drachen und Ballonen auf dem Weinberg einzurichten. Im Januar 1917 begannen die Luftschiffer mit der Errichtung von zwei Hütten für die Ballons und eine Winde. Zur Übermittlung der Daten wurden ein Stromkabel und eine Telefonleitung nach Maisach verlegt. Neun Soldaten und zwei Offiziere wurden in Diepoltshofen einquartiert, schreibt Bergheim. Mitte Juli 1917 ereignete sich ein schwerer Unfall, als sich ein Drachen losriss und sich in Dachau in einem Überlandkabel verfing. Bei dem Versuch, den Drachen wieder einzufangen, starben ein Mensch und ein Pferd, ein weiterer Mensch erlitt schwere Verbrennungen. Bereits im Januar 1918 beschloss das Ministerium, die Wetterwarte nach Schambach bei Straubing zu verlegen, die Gründe dafür konnte Bergheim nicht feststellen.

Balkonhütte des Geophysikalischen Observatoriums auf der Hasenheide bei Maisach 1927-1931, auf der Plattform ein Assistent mit Theodolit
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Balkonhütte des Geophysikalischen Observatoriums auf der Hasenheide bei Maisach von 1927 bis 1931.

(Foto: Archiv des Geophysikalischen Observatoriums)

Das Observatorium sollte Maisach etwas länger erhalten bleiben. Die erste Messstation wurde 1840 bei der Sternwarte in Bogenhausen eingerichtet und lag damals noch vor den Toren der Stadt. Ende des 19. Jahrhunderts war die Bebauung schon so nah herangerückt, dass die Wissenschaftler sich dafür einsetzen mussten, dass die Trambahnschienen wenigstens in einem Abstand von 250 Meter verlegt wurden. Allerdings waren die Erschütterungen, die von der nahen Stadt ausgingen, bald so stark, dass manche Messungen bereits am Vorabend des Ersten Weltkrieges eingestellt werden mussten.

Die Bedeutung eines solchen Observatoriums liegt darin, dass der Kompass nicht genau nach Norden zeigt, sondern nach Westen abweicht. Weil diese Abweichung an jedem Punkt der Erde verschieden ist und sich auch noch im Lauf der Zeit verändert, wurden im 19. Jahrhundert weltweit magnetische Observatorien eingerichtet.

Nach dem Krieg machte sich der neue Leiter der bayerischen Einrichtung, Friedrich Burmeister, auf die Suche nach einem neuen Standort und wurde in Maisach fündig, wo bereits ein Messpunkt existierte, der gelegentlich genutzt wurde. So kam die Station 1927 auf ein Gelände, das heute direkt nördlich der B 471 in einem Wohngebiet liegt und zu Bruck gehört, weil die Nationalsozialisten um den Fliegerhorst anzulegen, die Grenze zwischen beiden Kommunen zu Lasten von Maisach verschoben hatten. Mit den bescheidenen finanziellen Mittel, die Burmeister zur Verfügung hatte, konnte er nur eine schlichte Holzhütte bauen lassen. Die empfindlichen Geräte wurden in einer Kiste unter dem Fußboden deponiert.

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Sommerkeller in der Hasenheide bei Maisach, Standort des Geophysikalischen Observatoriums 1931-1939

Sommerkeller in der Hasenheide bei Maisach, Standort von 1931 bis 39.

(Foto: Archiv des Geophysikalischen Observatoriums)

Das Geld reichte nicht für den Bau eines neuen Observatoriums. Darum pachtete Burmeister 1931 den Sommerkeller der Brauerei Maisach. In den etwa 7,5 Meter tiefen Keller ließ er Betonblöcke einbauen, auf denen die Variometer gesetzt wurden. Ab November 1931 wurde dort gemessen, der Pächter des Sommerkellers übernahm die tägliche Ablesung der Instrumente. Bergheim merkt dazu an, dass ohne Burmeisters Einsatz die Beobachtungen in Bayern hätten abgebrochen werden müssen. Heute ist das geomagnetische Observatorium eines mit den am weitesten zurückreichenden Datenreihen.

Das Hilfsobservatorium im Bierkeller diente für die magnetische Vermessung ganz Deutschlands in den Jahren 1934 und 1935, die Burmeister zusammen mit Kollegen in Brandenburg koordinierte. Als der Leiter des Observatoriums endlich das Kapital für eine ordentliche Station aufgetrieben hatte, kam der Fliegerhorst dazwischen. 1939 musste die Station erneut verlegt werden, dieses Mal auf die Brucker Ludwigshöhe, wo sie bis heute residiert. Die neue Anlage wurde von den Nationalsozialisten in die Richtfunkstrecken integriert, sie waren sich klar darüber, welche Bedeutung das Erdmagnetfeld und seine Veränderungen für Flugzeuge, Schiffe und U-Boote hatten.

Arbeitskreis Geschichte, Hrsg., Meisaha - Hefte zur Gemeindegeschichte, Ausgabe 2017, 50 Seiten, fünf Euro

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