Theater:Schwermütige Eintönigkeit

Glasmenagerie

Unter den Blicken des Vaters: Sohn, Mutter und Tochter Wingfield (von links: Marcel Kohler, Anja Schneider und Linn Reusse) suchen nach Auswegen aus ihrer Alltagsödnis.

(Foto: Günther Reger)

Die Inszenierung der "Glasmenagerie" von Tennessee Williams durch das Deutsche Theater Berlin zeigt eindrücklich die Tristesse einer vom Vater verlassenen Familie, ist aber bisweilen recht zäh

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Oft haben im Theater Szenen die größte Wirkung, in denen scheinbar nichts passiert. Diese Momente gibt es in Stephan Kimmigs Inszenierung des Tennessee-Williams-Dramas "Die Glasmenagerie". Mit dem Stück gastierte das Deutsche Theater Berlin im Rahmen der Reihe "Theater Fürstenfeld" im Veranstaltungsforum. Musik, meist vor Melancholie ächzende Songs, löst darin mehrmals minutenlang den Dialog ab. Währenddessen tun Mutter, Sohn und Tochter Wingfield, die Figuren, auf deren trostlosem Dasein die Handlung aufbaut, jene Nichtigkeiten, die sie im Alltag eben tun. Partiell gelingt es in diesen Episoden, die schwermütige Eintönigkeit zu transportieren, mit der die Familie kämpft. Zum Teil ziehen sie das Geschehen jedoch unnötig in die Länge und tragen zu dem stellenweise zähen Charakter der Aufführung bei.

Wenngleich der 1983 verstorbene Autor Williams nur einen der überwiegend aktuellen Titel des Soundtracks zur Inszenierung kennen konnte, ist der Einsatz von Musik im Dramentext von 1944 angelegt: Als Vater Wingfield die Familie vor Jahren verließ, hat er seine Schallplatten zurückgelassen. Die Atmosphäre ist vergiftet vom Geist des Familienverräters, der über allem Elend schwebt und in den Liedern akustisch fassbar wird.

Das oft abrupte Abbrechen der Musik zugunsten des Dialogs illustriert das Schwanken der Charaktere zwischen Traumwelt und Realität. Mutter Amanda, gespielt von Anja Schneider, steigert sich von maßloser Euphorie in hysterische Ausbrüche, um schließlich in die Verbitterung zu stürzen. In ihrer Tochter Laura sieht sie sich selbst, damals, bevor ihr Leben zur Katastrophe wurde. Ihre fixe Idee, einen Verehrer für das Mädchen zu finden, geistert laut Sohn Tom durch die Räume. Auf diese Weise verschmelzen Vater Wingfield und der ersehnte Schwiegersohn, beide körperlich abwesend und gedanklich überpräsent, zum Brennpunkt des Familiendramas.

Tom, gespielt von Marcel Kohler, ist derjenige, der am Ende ausbricht. Zuvor ist er gefangen in einem Betonbunker mit Leuchtstoffröhren. Auf diese Weise beschreibt er nicht nur seinen Arbeitsplatz in der Fabrik, sondern auch die Kulisse der Wingfield-Wohnung entspricht dieser Optik. Die Öde, das suggeriert die Übereinstimmung, ist überall. Einen Ausweg gibt es nur in der Fantasie. Vielleicht ist die Tristesse des Bühnenraums deshalb mit bunt behangenen Kleiderstangen gespickt, die gegenständlich nie zum Einsatz kommen.

Wenn Laura, gespielt von Linn Reusse, aus der Realität flieht, spielt sie am liebsten mit ihren Glasfiguren. Wünschenswert wäre es gewesen, man hätte sich mit den gläsernen Tieren zufrieden gegeben. Stattdessen holt Reusse wiederholt zwei lebende Hühner auf die Bühne, die dann auf einem Tisch zurückgelassen werden, während um sie herum zu lauter Musik gepoltert wird. Der Einsatz der Vögel gibt der Inszenierung keinen Mehrwert. Den Tieren hätte man diesen Stress daher unbedingt ersparen sollen.

Für komische Momente sorgt der Auftritt von Holger Stockhaus als Toms Arbeitskollege Jim O'Connor. Beim gemeinsamen Abendessen soll er mit Laura verkuppelt werden. Die Aufdringlichkeit der übermütigen Amanda ist kurz lustig, bald nervig. Je weiter die ausgedehnten Schlussszenen fortschreiten, desto mehr wünscht man sich, der knappe Dreistünder möge bald zu Ende sein. Nicht nur im Ganzen, sondern auch im Detail hat die Inszenierung Längen. Mehr Fokus hätte dem im Grunde durchdachten Konzept gutgetan.

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