Neue Bühne Bruck inszeniert "Viel Lärm um Nichts":Großartiges Kunststück

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Aller Respekt gebührt den Akteuren der Neuen Bühne Bruck. Für "Viel Lärm um Nichts" hatten sie nur eine Woche Zeit. (Foto: Günther Reger)

Auch mit der zweiten "Kamikaze"-Aufführung landen die Schauspieler einen Publikumserfolg. Und das, obwohl sie nur eine Woche Zeit für die Proben hatten

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

War Shakespeare besser als Wedekind? Prinzipiell gibt es darauf wohl keine Antwort. Doch die Frage beschäftigt einen, wenn man die beiden "Kamikaze"-Inszenierungen an der Neuen Bühne Bruck (NBB) gesehen hat. Sowohl Wedekinds emotionsgeladenes Drama "Frühlings Erwachen" als auch Shakespeares Verwechslungskomödie "Viel Lärm um nichts", die am vergangenen Freitag aufgeführt wurde, sorgten für volles Haus. Trotz der unvorhergesehenen Absetzung der Hitler-Satire "Er ist wieder da", die ausschlaggebend für die Realisierung des Lückenbüßerprojekts war, ist die Saison damit ein Erfolg. Verantwortlich für den positiven Stimmungswandel ist ohne Frage Philipp Jescheck, von dem nicht nur die Idee kam, Theaterstücke nach weniger als einer Woche Probenzeit auf die Bühne zu bringen, sondern der auch bei beiden Inszenierungen Regie führte.

Mit Shakespeare war das natürlich eine ganz andere Nummer als bei "Frühlings Erwachen". Während die Protagonisten in letzterem meist unabhängig von ihrer Umgebung nach Zukunft schmachteten, sind Kommunikation und Interaktion in "Viel Lärm um nichts" zentral, damit der Spaß funktioniert. Das bedeutet für die Darsteller nicht nur mehr Text in nicht mehr Zeit, sondern auch weitaus mehr potenzielle Stolperfallen. Philipp Jescheck wusste das und hat sich davon glücklicherweise nicht einschüchtern lassen. Radikal hat er den Shakespeare-Text für seine Zwecke gekürzt und das Original nicht weniger energisch verzerrt, ironisiert und auch ein bisschen deformiert. Wenn etwas kaum noch aussieht wie die Vorlage und deren zeitloser Kern doch offensichtlicher ist denn je, dann ist das Philipp Jescheck.

Im Grunde haben wir in "Viel Lärm um nichts" zwei Klischee-Pärchen: Die einen, Claudio und Hero, gespielt von Patrick Meier und Katrin Marzin, haben sich gefunden, nerven mit Küssen und Liebesbekundungen und wollen natürlich, dass es allen anderen genauso geht. Die Opfer des Kupplerpaares sind Julia Ströhle und Tim Freudensprung als Beatrice und Benedikt. Diese pflegen gewohnheitsmäßig eine Hassliebe, wobei sich die Liebe noch nicht bemerkbar macht. Er ist ein Draufgänger mit Peter-Pan-Syndrom, sie hält sich für eine emanzipierte Powerfrau, bis beide bei der ersten Aussicht auf Liebe innerlich zu Barbie und Ken vor der Traumhochzeit mutieren. Am Ende lassen natürlich alle ihre Masken fallen und ergeben sich der Liebe. Wer die Filme von Til Schweiger kennt, dürfte mit dieser Konstellation vertraut sein.

Für das Hin und Her davor sind Alexander Schmiedel und Philip Schultheiß verantwortlich. Schmiedel vertritt als Don alle Figuren, die in Jeschecks Kürzung dran glauben mussten und lenkt die Pärchen als Gestalten in seinem Liebestraum. Schultheiß gehört nicht wirklich dazu. Und das frustriert ihn auch so, denn immer nur am Technikpult sitzen und zusehen müssen, wie die Schauspieler den Applaus einheimsen, geht ans Ego. Also greift er kurzerhand in die Handlung ein und schürt bei Claudio mit einem gestellten Smartphone-Selfie die Eifersucht. Uneindeutig und raffiniert wandelt er somit zwischen Bühnenwelt und Realität und weil seine Anwesenheit darauf verweist, dass sich die Figuren, zumindest zeitweise, ihres Daseins auf der Bühne bewusst sind, ergibt das einen geschickt platzierten Kommentar zum Theater an sich.

Brillante Szenen gibt es mehr als genug. Patrick Meiers emotionaler Ausbruch, als er Hero mit ihrer vermeintlichen Untreue konfrontiert, ist so eine. Der urkomische Moment am Grill - ja, am Grill -, wenn die drei Amors Meier, Marzin und Schmiedel den gar nicht so gut in Hörweite versteckten Benedikt glauben lassen, sie sprächen vertraulich über Beatrices Liebe zu ihm, ist es auch.

Aber war Shakespeare nun besser als Wedekind? Das zu beantworten, ist nur schwer möglich, dafür waren die Inszenierungen zu unterschiedlich. In jedem Fall ist Philipp Jescheck mit "Viel Lärm um nichts" zum Abschluss der NBB-Saison noch einmal ein wahrer Kunstgriff gelungen. Die nächste "Kamikaze"-Inszenierung wird es erst in der kommenden Saison geben. Das ist in der Tat bedauerlich. Denn eine Warnung sei den zukünftigen Theatergängern schon einmal mitgegeben: Vorsicht, "Kamikaze" kann süchtig machen.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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