SZ-Serie:Wenn aus Wasser Strom wird

Sie beziehen ihre Kraft zwar aus der Amper, aber über den Mühlbach. Damit das reibungslos läuft und die Stadt nicht eines Tages absäuft, wachen zwei Schleusenwächter über die Amperkraftwerke. SZ-Serie "An der Amper - Menschen am Fluss", Teil 9

Von Julia Bergmann, Olching

Die Männer, die über die Schleusen und Turbinen der Olchinger Amperkraftwerke wachen, sind Hans-Werner Wesseloh und Karl Körger. Im dröhnenden und rauschenden Maschinenraum, zwischen riesigen Turbinen, Zahn- und Metallrädern, kümmern sich die beiden tagein tagaus darum, dass die Kraftwerke ihrer Hauptaufgabe, der Erzeugung von umweltfreundlichem Strom, nachkommen. Dazu gehört etwa das Warten der Maschinen, das Messen der Temperatur und die Prüfung des Öldrucks. Dazu gehört aber auch die Wartung des Werkskanals "Mühlbach", und die Betreuung der Außenanlage. Denn die Grenzen von Wesselohs und Körgers Arbeitsplatz bilden nicht die Mauern der beiden Kraftwerksgebäude, ihr Arbeitsplatz erstreckt sich über 4,8 Kilometer von der Olchinger Römerbrücke bis hin zur Schulstraße, die die Amper überquert - Abwechslungsreiche Arbeitsanforderungen garantiert.

"Wir sind auch für den Unterhalt der Uferanlage verantwortlich", erklärt Körger. Löst sich ein Stein, muss das Loch geflickt werden. Wesseloh zeigt auf einen beeindruckenden Hügel aus hellgrauen Flussbausteinen. Werden Bäume, Grüngut und Müll angeschwemmt, müssen Wesseloh und Körger den Unrat aus dem Wasser fischen. In manchen Fällen von Hand. Direkt am Zufluss zum Kraftwerk werden die Elektriker von einem enormen Rechenreiniger unterstützt. Wesseloh verschwindet hinter der Tür des Kraftwerks 1 und wirft die Maschine an.

Behäbig setzen sich zwei große Metallarme in Bewegung, an deren Enden eine schmale, vertiefte Metallleiste angebracht ist. Die stählernen Arme versenken die Leiste mit einem satten Schmatzen unter die Wasseroberfläche, wo sie entlang eines Gitters wieder nach oben gezogen wird. Das Nass wirbelt und schwappt und gibt die Leiste wenige Minuten später unter Geplätscher wieder frei. Im Rechenreiniger haben sich Treibholz und Gräser verfangen, die Wesseloh einsammelt und auf einen Hänger verfrachtet. Ein Prozedere, das sich mindestens zweimal am Tag wiederholt, denn das Gitter, das unter der Oberfläche angebracht ist und groben Unrat aufhält, bevor das Wasser in die Turbinen fließt, darf nicht verstopfen. Der Hänger sowie der 25-Kubik-Container seien vor allem im Herbst, mit dem ganzen Laub, ratzfatz voll.

Neben Holz und Baumstämmen fördert der Rechenreiniger aber auch Hausmüll, Flaschen und andere lieblos weggeworfene Gegenstände zu Tage. Die exklusivsten Funde Wesselohs: TV-Geräte und Fahrräder. Wesseloh deutet vor die Gebäudewand, an der sich fein säuberlich aufgereiht die Funde des Tages präsentieren: Ein löchriger Benzinkanister, ein Kinderfußball, ein Volleyball, mehrere Plastikeimer und ein Kübel voller Glasflaschen - hauptsächlich Bier und Chardonnay. Das gleiche Spiel am Kraftwerk 2. Wesseloh hebt eine Flasche auf, deutet auf das Etikett und sagt: "Unser spezieller Freund war wieder unterwegs." Der oder die Unbekannte hat einen Hang zum Rotwein - und zur unsachgemäßen Entsorgung von Buntglas.

Tatsächlich ist die Sauberhaltung des Gewässers eine der wichtigsten Aufgaben der Mitarbeiter des Kraftwerks, erklärt Geschäftsführerin Gisela Dorl. Das Wasser muss frei von Unrat in die Turbinen fließen können, die den Generator antreiben, damit das Werk den Strom erzeugen kann, der dann wiederum ins Netz eingespeist und von den Bayernwerken verteilt wird. Im Durchschnitt erzeugen die Amperkraftwerke etwa sieben Millionen Kilowattstunden pro Jahr.

Die Amperkraftwerke arbeiten seit 1973 als reines Kraftwerk. Damals, erklärt Dorl, habe ihr Vater Theo Schütz gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Leonard Gabler das Werk gekauft und nach umfangreichen Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten wieder in Betrieb genommen. Schütz war gelernter Maschinenbauer und bei der Firma Voith, einem Komplettanbieter im Bereich der Wasserkraft, der Betreuer für Süddeutschland. "Das Kraftwerk war sein Hobby. Als das Werk damals zum Verkauf stand, hat er die Gelegenheit genutzt und es gekauft", erzählt seine Tochter. Zuvor befand sich eine Papiermühle am Standort, die unter anderem von der München-Dachauer AG für Maschinenpapierfabrikation betrieben wurde. Bereits 1884 wurden dort Turbinen zur Erzeugung von Strom zum Eigenbedarf der Mühle eingebaut. 1970 wurde das Kraftwerk jedoch von der München Dachauer AG stillgelegt, weil es unrentabel geworden war. Noch heute ist das Werk im Familienbesitz. Und Gisela Dorl führt das Vermächtnis ihres Vaters fort.

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Dabei kann sie sich auf ihre Mitarbeiter Wesseloh und Körger verlassen, die beide die besondere Vielfalt ihrer Arbeit zu schätzen wissen. Auch wenn es Tage gibt, an denen alles furchtbar hektisch wird. Das sind vor allem jene Tage, an denen es stark regnet. Körger und Wesseloh haben dabei nicht nur das Wetter in der Region im Blick, auf ihrem Radar ist auch der Alpenraum. "Von der Ammer über den Ammersee kommt das Wasser bei Regen und auch bei Tauwetter in den Alpen zu uns", erklärt Wesseloh. Selbst dann, wenn in Olching strahlender Sonnenschein herrscht. In solchen Fällen gilt es, rechtzeitig zu reagieren. Dringt zu viel Wasser in den Amperkanal zu den Kraftwerken, muss es an den Werken vorbei durch die Leerläufe des Mühlbachs geschleust werden, um die Turbinen und den Generator zu schonen. Der Kanal kann bis zu 22 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führen. Extreme Wetterlagen mit sehr starkem Regen haben zur Folge, dass der Mühlbach, der Triebwerkskanal des Ausleitungsflusskraftwerks, dichtgemacht werden muss. Am großen Wehr in Esting werden dann die Schleusen zum Mühlbach reguliert, der Großteil des Wassers fließt dann weiter ins Altgewässer.

Eine wichtige Aufgabe, denn könnte man den Wasserfluss am Wehr nicht regulieren, würden nicht nur die Maschinen des Kraftwerks, sondern auch die Einwohner von Olching in einer misslichen Lage stecken. Überschwemmungen wären dann die Folge. Im Extremfall könnte das Wasser den ganzen Ort fluten. Die beiden Kraftwerkselektriker Wesseloh und Körger sind sich der Bedeutung ihrer Aufgabe bewusst. Körgers Vorgänger, Josef Wagner hat 38 Jahre in seinem Job gearbeitet. Ob Körger sich das auch vorstellen könnte? "Solange es Wasser gibt, ja. Es ist schon ein schöner Job."

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