SZ-Serie: Seele des Vereins, Folge 5:Mister Heimatgilde

Am Faschingsdienstag vor 79 Jahren wird ein Säugling von seinen Eltern nach Bruck gebracht. Das prägt. Seit 60 Jahren läuft deshalb bei dem Kultur- und Faschingsverein fast nichts mehr ohne Leo Leckenwalter

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Eine Woche lang muss es ohne Leo Leckenwalter gehen. Dann aber wird es höchste Zeit, dass er wieder anpacken kann. Das wird ziemlich sicher so sein - auch wenn das Vorstandsmitglied der Brucker Heimatgilde im Krankenhaus auf eine Operation wartet, als man ihn an die Telefonstrippe bekommt. "Wird schon wieder", sagt er. "Muss wieder", sagt Daniel Brando, Gildemeister und Vorsitzender des Vereins. Die Arbeit ist ohne Leckenwalter an der Basis und in der Mitte und an der Spitze nämlich kaum vorstellbar.

Leckenwalter ist so was wie Mister Heimatgilde. "Wenn der mal aufhören sollte, das wäre schlimm", sagt Brando, dem dann eine "wichtige Stütze bei der Organisation von Veranstaltungen" abhanden käme. Der 34-Jährige schätzt an dem Routinier mit deutlich mehr Lebenserfahrung, dass dieser immer da ist, wenn Not am Mann ist. Der sagt dann: "Okay, ich mach's." Und das macht er auch. Vor ein paar Jahren war Leo Leckenwalter Brandos Stellvertreter. Mittlerweile hat er sich formal etwas weiter zurückgezogen. Offiziell ist er "Hinzuberufener". Für ihn könnte aber auch eine andere Amtsbezeichnung erfunden werden: "Unverzichtbarer".

Bruck: Proklamation Prinzenpaar der Heimatgilde im Sparkassensaal

Gildemeister Leo Leckenwalter 009 bei der Proklamation des Prinzenpaars Monika I. und Johann I.

(Foto: Johannes Simon)

Die Weichen wurden eigentlich schon vor 79 Jahren gestellt. Acht Tage nach der Geburt in einer Münchner Klinik brachten seine Eltern den kleinen Leo nach Fürstenfeldbruck. Da war gerade Faschingsdienstag, und der Marktplatz versank im bunten und lautstarken Faschingstreiben. Schicksal - bei dieser Prägung verwundert es eher, dass Leo Leckenwalter erst 1957 zur Heimatgilde stieß. Sein Freund Leonhard Engelschall hatte ihn auf die Idee gebracht, Kammerherr des damaligen Faschingsprinzenpaars Josef Zeller und Liselotte Kraus-Mall zu werden. Im Gegenzug gab es ein buntes Hemd, eine schwarze Hose und eine "schöne Narrenkappe", wie sich Leckenwalter erinnert. Außerdem gab's einen Rabatt auf den Mitgliedsbeitrag. 1959 starb dann aber der stellvertretende Gildemeister Ludwig Weiß, der in der Faschingszeit immer zwei Zimmer für die Heimatgilde in seinem Hotel Post frei gehalten und im Verein eine wichtige Rolle gespielt hatte. Aus Pietätsgründen verzichtete man aufs Faschingsfeiern.

Viel später als eigentlich geplant, nahm die Heimatgilde dann nach einigen Jahren wieder die Arbeit auf. Leckenwalter wurde 1999 stellvertretender Gildemeister, fünf Jahre später rückte er an die Spitze der Heimatgilde, an der er sechs Jahre lang blieb. Für dieses große Hobby machte der pensionierte Bundesbahn-Oberamtsrat Abstriche bei seinem zweiten großen Hobby: dem Schwimmen und Tauchen - Leckenwalter war Gründungsmitglied der Wasserwacht-Ortsgruppen Olching, Germering, Grafrath und Mammendorf. Für sein Engagement im Roten Kreuz, bei der Wasserwacht, bei der Freiwilligen Feuerwehr sowie bei Kreisjugendring und Heimatgilde wurde er später von Stadt und Landkreis ausgezeichnet.

Bruck: NEUJAHRSEMPFANG der Stadt / Stadtsaal

Gildemeister Leo Leckenwalter 2012 bei der Ehrung durch den damaligen OB Sepp Kellerer.

(Foto: Johannes Simon)

Viel los war damals im Fasching. Jeder hatte seinen eigenen Ball, die Gärtner, die Sänger, die Fußballer. Oft wurde improvisiert. Badeanzüge wurden angeschafft und zum Kostüm für die Garde modifiziert und aus Pappkarton entstanden Zylinderhüte. Leckenwalter hatte immer "volles Programm", war oft mitten drin und begleitete die Minis oder die Garde nebst Prinzenpaar zu den Auftritten - sogar seine älteste Tochter Gabi tanzte eine Zeit lang in der Garde mit. Eigentlich hatte und hat er das ganze Jahr über Programm, denn die Heimatgilde richtet als Kulturverein seit vielen Jahren auch große Feste im Sommer und an Silvester aus. Leckenwalter bewährte sich 2003 als Krisenmanager, als ein Vorstandsmitglied im Streit den Verein verließ und gleich zwei Drittel der Gardemädchen abwarb. Er kümmerte sich akribisch darum, dass der Verein die Finanzen in Ordnung brachte. Und ums Jahr 2006 herum packte er selbst mit an beim Umbau eines früheren Klostergebäudes zum Vereinsheim.

Noch heute kümmert sich Leckenwalter um den Kartenvorverkauf der Silvestergala, um die Leonhardifahrt, ums traditionelle Geldbeutelwaschen und ums Sommernachtsfest. Dabei kommen ihm seine guten Kontakte zu Stadtspitze und Verwaltung zugute - nicht zuletzt deshalb, weil der 79-Jährige 16 Jahre lang ehrenamtlich das Ferienprogramm der Stadt organisiert und erweitert hat. Mit dem früheren Oberbürgermeister Sepp Kellerer ist er gut befreundet, den trifft er noch regelmäßig zum Schafkopfen. Vor ein paar Jahren, als Kellerer noch im Amt war, zahlte sich der kurze Draht zum Rathauschef aus: Kellerer hatte sich dafür eingesetzt, dass die Festbeleuchtung nach dem Volksfest auf dem Marktplatz hängen bleiben durfte für das zwei Wochen später steigende Sommernachtsfest der Heimatgilde. Als es dämmrig wurde, blieben dann aber die Lichterketten dunkel. Irgendwann wurde es Leckenwalter zu bunt. Er rief beim Bereitschaftsdienst der Stadtwerke an. Dort wurde ihm lapidar beschieden, es gebe keine Auftrag des Stadtwerkechefs (" ...und deshalb bleibt das Licht aus"). Also reichte Leckenwalter den Hörer weiter an Kellerer. Und ziemlich schnell wurde es ziemlich hell und bunt über der Hauptstraße.

Geldbeutelwaschen FFB

Gildemeister Leo Leckenwalter beim Geldbeutelwaschen mit OB Klaus Pleil 2015.

(Foto: Günther Reger)

Leo Leckenwalter, Vater von vier erwachsenen Kindern und dreifacher Großvater, will noch so lange weitermachen, wie es geht, "denn die Arbeit macht mir wirklich Spaß." Die Gilde stehe gut da und Erwachsene, Kinder und Eltern zögen richtig gut mit. Nur eine Sache hat Leckenwalter aufgegeben und abgehakt: Den vor ein paar Jahren eingeschlafenen Faschingszug in Fürstenfeldbruck kann er wohl nicht mehr wiederbeleben. Daran, dass die Brucker dafür nicht die rechte Begeisterung zeigen, kann nicht mal Mister Heimatgilde etwas ändern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: