SZ-Serie "Sagen und Mythen", Folge 7:Der Klosterschatz von Taxa

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Zu Beginn der Säkularisation wird das Kirchengebäude im Odelzhausener Straßendorf gründlich zerstört. Man vermutet wertvolles Inventar in den Gewölben. Doch zum Vorschein kommen nur Teile der Mönchsgruft: Gebeine und Reste der Ordenskleidung

Von Renate Zauscher, Odelzhausen

Um Taxa, ein lang gezogenes Straßendorf, das zur Gemeinde Odelzhausen gehört, ranken sich zahlreiche Sagen und Legenden. Sie alle haben auf die eine oder andere Weise mit der früheren Wallfahrtskirche Maria Stern, dem dazu gehörigen Kloster der Augustiner Barfüßer und auch der Zerstörung von Kirche und Kloster im Jahr 1802 zu tun.

Taxa war im 17. und 18. Jahrhundert einer der meistbesuchten Wallfahrtsorte Altbayerns. Die Legende, auf die die Gründung der Wallfahrt zurückgeführt wird, ist auch heute noch weit über Odelzhausen hinaus bekannt, und zwar in einer Fassung, die von Abraham a Sancta Clara stammt, der einige Jahre in Taxa als Prediger gewirkt und 1685 ein Büchlein mit dem Titel "Gack, Gack, Gack a Ga" über die Anfänge der Wallfahrt veröffentlicht hat. Demnach hat eine Henne eines Tages im Hühnerhof des Odelzhausener Hofmarksherren Johann Wilhelm Graf Hundt ein merkwürdig geformtes Ei gelegt, auf dem man ein Abbild Mariens in einem Strahlenkranz zu erkennen glaubte. Damit habe die Gottesmutter den Grafen an ein längst vergessenes Gelübde erinnern wollen: Er sei, schreibt Abraham a Sancta Clara, bei einer im Auftrag des bayerischen Kurfürsten Maximilian unternommenen Seereise in Lebensgefahr geraten und habe versprochen, im Falle seiner Errettung eine Marienkapelle errichten zu lassen. In anderen Fassungen der Legende wurde bereits vor Auffindung des Sterneneis mit dem Kapellenbau begonnen und dieses dann als Zeichen himmlischer Zustimmung zum begonnenen Werk interpretiert.

Marietta und Werner (links), die Kinder von Anna Rühl, spielen vor der Kapelle. (Foto: Toni Heigl)

Wie dem auch sei: Graf Hundt ließ 1618 eine erste Kapelle in Taxa errichten. Sie wurde 1629 durch den Anbau eines Langhauses erweitert und um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch einmal umgebaut und vergrößert.

Weit weniger bekannt als die Ursprungslegende von Maria Stern ist eine Geschichte, die mit der Zerstörung von Kirche und Kloster Taxa gleich zu Beginn der Säkularisation in Bayern zu tun hat. 1802 wurde das Kloster aufgehoben, das Inventar von Kirche und Kloster versteigert und der gesamte Gebäudekomplex dem Erdboden gleichgemacht. Die Menschen in Taxa und den umliegenden Orten standen der Vertreibung der Mönche und der Zerstörung von Kirche und Kloster laut zeitgenössischen Berichten fassungslos gegenüber.

Um 1963, gab es noch den Holzverschlag, der zum Kellergewölbe führte. (Foto: Toni Heigl)

Zwei Männer, der damalige Dachauer Gerichtsschreiber und Klosteraufhebungskommissär Christoph Adam Heydolph, und sein Helfershelfer vor Ort, der Kramer Ignaz Schmidmayr, der die Gebäude zusammen mit dem Postwirt von Eurasburg ersteigert hatte und dann abreißen ließ, bekamen den Hass der Menschen in besonderer Weise zu spüren. Der Name Heydolph wurde von den Einheimischen in "Höjdeifi", "Höllenteufel", umgemünzt. Viele ältere Menschen, berichtet der Volkskundler Robert Böck 1962 im Bayerischen Jahrbuch für Volkskunde, reagierten auch 150 Jahre nach diesen Ereignissen noch "mit Hass und Verbitterung" auf den Namen Heydolph. Auch in den Säkularisationsakten ist laut Böck von Beschimpfungen und "Lebensbedrohlichkeiten" gegenüber Schmidmayr die Rede.

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(Foto: oh)

Beim Bau eines Hauses 1986...

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(Foto: Renate Zauscher)

...kam die Mönchsgruft ans Tageslicht.

Kein Wunder also, dass rund um das barbarische Vorgehen der Verantwortlichen bald Gerüchte und neue Legenden entstanden. Bei Recherchen vor Ort wurde Böck im Jahr 1947 erzählt, dass die Klostergebäude nur deshalb so gründlich dem Erdboden gleichgemacht worden seien, weil man den Zugang zu unterirdischen Gewölben finden wollte. Dort nämlich sollte der reiche Klosterschatz verborgen worden sein.

In der Kirche habe ein "an die Wand gemaltes Apostelbild" mit seinem Finger die Stelle bezeichnet, an der man dann beim Abbruch die Pläne zu diesen unterirdischen Räumen gefunden habe, erfuhr Böck in Taxa. Man sei aber dennoch nicht bis zum Schatz vorgestoßen, weil alles "mit Gittern und Fallen" abgesichert gewesen sei, die man nicht habe beseitigen können. Zwei Mönche, berichtet Böck weiter, sollen um das Geheimnis gewusst, es aber nicht verraten haben.

Die Wallfahrt blüht 200 Jahre lang

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(Foto: Toni Heigl)

Während des 30-jährigen Kriegs von 1618 bis 1648 haben die Menschen in den betroffenen Ländern, darunter auch im Herzogtum Bayern, schwer unter dem Kriegsgeschehen gelitten. Das erklärt, warum die Menschen in den drei Kriegsjahrzehnten sich mehr denn je Hilfe von den Heiligen, insbesondere der Gottesmutter Maria, erhofften und auch sehr schnell begannen, in immer größerer Zahl nach Taxa zu pilgern. An manchen Marienfeiertagen sollen es zwischen 60 und 70 Dorfschaften gewesen sein, die herkamen; in sogenannten Mirakelbüchern wurden mehrere hundert Wunder festgehalten, die man der Hilfe Marias zuschrieb. Egal, ob der Fund des Sterneis vor oder erst nach Beginn des ersten Kapellenbaus 1618 stattgefunden hat: Fest steht, dass eine erste in Taxa vom Grafen Hundt erbaute Kapelle bereits nach wenigen Jahren zu klein geworden war, um die vielen Wallfahrer aufzunehmen. 1629 wurde, ebenfalls noch unter Graf Hundt, ein Langhaus an die Kapelle angebaut. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts und noch einmal um 1680 erfolgten weitere Aus- und Umbauten; die ursprüngliche "Gnadenkapelle" wurde als Chor in den neuen Kirchenbau mit einbezogen und durch seitliche Nebenkapellen ergänzt. Auf einem Stich von Michael Wening ist die Kirche 1701 doppeltürmig mit einem kleineren, dritten Chorturm, und barocker Fassade dargestellt. Die Kirche soll acht, nach anderen Quellen 13 Seitenaltäre gehabt haben. Von Zeitgenossen wurde sie als sehr prächtig ausgestattet beschrieben. 1654 wurde der Orden der Augustiner Barfüßer mit der Seelsorge der Pilger betreut, 1660 begann man mit dem Bau einer großen Klosteranlage. Fast 200 Jahre lang blühte die Wallfahrt nach Maria Stern, dann kam 1802 das Ende: Als eine der ersten Maßnahmen der Säkularisation in Bayern wurden Kirche und Kloster zerstört. RZ

Eine alte Rossbacherin, die Wimbauern Resl, erzählte Böck außerdem, dass man bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gleich außerhalb von Taxa in Richtung zur Glonn zu den "heiligen Zeiten", den wichtigsten Kirchenfesten, nach Eintritt der Dunkelheit ein geheimnisvolles Leuchten gesehen habe: Es sei der vergrabene Schatz gewesen, der "in der Erde erstrahlte".

Einen "Klosterschatz im üblichen Sinn" hat es nach Einschätzung von Robert Böck nie gegeben. Lediglich eine von den Mönchen versteckte, wertvolle Monstranz und ein großer, mit Steinen besetzter Hostienkelch seien nach längeren Nachforschungen und "mehreren Einvernahmen" bei einem Silberarbeiter in München entdeckt worden.

Wie immer die Fakten ausgesehen haben mögen: Die Geschichte vom Klosterschatz ist nie ganz in Vergessenheit geraten. Anna Rühl in Taxa bestätigt, dass in früherer Zeit viel darüber gesprochen wurde. Ihr Vater, und überhaupt "alle die Älteren", hätten immer wieder davon erzählt. Anna Rühl, heute 88, ist in unmittelbarer Nähe zu dem aufgewachsen, was auch im 20. Jahrhundert, zur Zeit ihrer Kindheit und Jugend, noch an das Kloster erinnert hat. Ihr Elternhaus stand auf Klostergrund, direkt darunter befanden sich Gewölbe, die die Kinder als schaurig-schönen Spielplatz nutzten. Eine steile, aus Ziegeln gemauerte Treppe unmittelbar neben dem Haus habe hinuntergeführt zu insgesamt fünf Kellern, die wohl zur Klosterbrauerei gehört hätten, sagt Rühl. Ein gemauerter Durchgang habe vermutlich zu den Gräbern der Mönche geführt. Aber auch von einem unterirdischen Gang bis nach Odelzhausen hätten die Alten erzählt. Beim Abriss des Elternhauses seien die Gewölbe zugeschüttet worden. Auch von einem "Bischofsring", den ihr Vater einst im Bereich des ehemaligen Klostergartens gefunden und im Pfarramt abgegeben hatte, berichtet Anna Rühl.

Heute wohnt Rühl in einem ebenfalls auf Klostergrund errichteten Haus: Sie ist sich bewusst, auf "heiligem Boden" zu leben.

Im Sommer 1986 kamen zwar nicht der Klosterschatz, wohl aber Teile der Mönchsgruft ans Tageslicht: Beim Bau eines Hauses direkt neben der Kapelle, die seit 1848 an die ehemalige Wallfahrtskirche erinnert, stieß man auf gemauerte Grabstellen, Gebeine und Reste der Ordenskleidung. Aus der Lage der Knochen schlossen Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege, dass die Totenruhe der Mönche wohl schon früher gestört worden war. Vielleicht hatte ja tatsächlich jemand gehofft, hier auf den "Klosterschatz" zu stoßen. Bei einem weiteren Bauvorhaben 1998 stieß man auf massive Mauern des ehemaligen Klosterbaus.

Der frühere Kreisheimatpfleger Alois Angerpointner berichtet in seiner Sammlung von Sagen und Legenden aus der Region noch von einer anderen Geschichte, die man sich in Taxa erzählt hat: die vom betrügerischen Häuslmayrwirt. Weil er den Wallfahrern in seinem Gasthaus zu kleine Würste vorgesetzt hatte, musste er nach dem Tod in seiner Metzgerei als Geist umgehen. Der Sohn des Häuslmayr wandte sich in seiner Not an Abraham a Sancta Clara, der die Geschichte für die Nachwelt festgehalten hat. Auf Abrahams Empfehlung hin gab der Häuslmayr-Sohn als Wiedergutmachung für den Geiz des Vaters einige Tausend Würstel kostenlos an die Pilger aus. Der Ratschlag erwies sich als wirkungsvoll: Der Geist des Vaters wurde fortan nicht mehr in der Metzgerei gesichtet, die "arme Seele" hatte Ruhe gefunden.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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