SZ-Serie:Münchner müssen draußen bleiben

Die Spenglerei Mühlbauer hat inzwischen so viele Kunden, dass sie Aufträge aus der Landeshauptstadt ablehnen muss

Von Katharina Aurich, Haag

Gemeinsam sitzt die Spenglerfamilie Mühlbauer hinter ihrem Haus im kleinen Ort Inkofen bei Haag (Landkreis Freising) in der Sonne: Firmenchef Georg Mühlbauer junior und seine Ehefrau Katharina sind da, ebenso Seniorchef Georg Mühlbauer und seine Frau Anna. Nebenan baut sich Enkel Christian gerade mit seiner Freundin ein eigenes Haus. Er hat die Meisterprüfung zum Spengler als einer der Besten seines Jahrgangs abgeschlossen, wurde von der Handwerkskammer München ausgezeichnet und wird den Familienbetrieb später einmal übernehmen. Als Meisterstück hat er eine Blumensäule aus zehn Blechstücken gebaut, die er konkav formte und dann akkurat zusammengeschweißt hat. Sie steht nun auf der Terrasse seiner Eltern.

Mühlbauers haben zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter. Es sei immer klar gewesen, dass Sohn Christian auch das Spenglerhandwerk erlernen wird, sagen die Eltern Katharina und Georg Mühlbauer. Damit arbeiten nun drei Generationen der Familie als Spengler in einem Betrieb. Wie es dazu gekommen ist, wo doch viele familiengeführte Handwerksbetriebe Probleme mit dem Nachwuchs haben und die Kinder es vorziehen, eigene Wege zu gehen? Für Firmenchef Georg Mühlbauer ist das eine Frage der Einstellung, denn oftmals würden Handwerker ihren Söhnen vermitteln, dass ihr Beruf eine anstrengende Plackerei ist und sie zum Beispiel lieber eine Banklehre machen sollten. Er und sein Vater haben ihren Söhnen jedoch vorgelebt, wie schön das Spenglerhandwerk sei, wie viel Freude es mache und dass ein Familienbetrieb große Vorteile habe. "Ich würde es sofort wieder machen. Spengler ist ein schöner Beruf", sagt der Firmenchef.

SZ-Serie: Michael Reinhardt ist Azubi im dritten Lehrjahr.

Michael Reinhardt ist Azubi im dritten Lehrjahr.

(Foto: Marco Einfeldt)

Den Betrieb hat sein Vater Georg Mühlbauer senior 1954 in seinem Elternhaus gegründet und damit den Grundstein für den erfolgreichen Familienbetrieb gelegt. Aber auch schon hundert Jahre davor gingen die Kunden in dem Haus am Inkofener Ortseingang ein und aus. Im 19. Jahrhundert betrieb der Großvaters von Mühlbauer senior an dieser Stelle eine Mühle, ein Sägewerk und einen kleinen Landhandel. Denn damals verlief direkt am Haus ein Bach, der im Zuge des Amperkanalbaus verlegt wurde. "Jeder meiner Vorfahren hat an das Haus angebaut: der Großvater den Stall für eine keine Landwirtschaft, der Vater dann die Werkstatt für den Spenglerbetrieb", berichtet der 57-jährige Junior-Chef.

Das Anwesen befindet sich bereits in fünften Generation in der Familie. Georg Mühlbauer senior erlebte den Zweiten Weltkrieg als Marinesoldat auf einem U-Boot in der Ostsee. Als er zurückkam, erlernte er das Spenglerhandwerk, bevor er sich dann 1954 selbstständig machte und zwei Jahre später seine Frau Anna heiratete. "Nach dem Zweiten Weltkrieg war hier jeder arm und versuchte, etwas auf die Beine zu stellen", erinnert sich die heute fast 90-jährige Anna Mühlbauer. Sie war für die Landwirtschaft zuständig und zog die vier Kinder auf. "Wir haben klein angefangen und auch Installationen und Fahrradreparaturen übernommen", sagt sie. Dazu kamen Kamineinfassungen und Fensterbleche, typische Spenglerarbeiten eben. Der Seniorchef arbeitete zunächst alleine, während des Baubooms der Sechzigerjahre erhielt er mehr und mehr Aufträge.

SZ-Serie: Georg Mühlbauer senior (2. v. li.) und Frau Anna haben den Betrieb aufgebaut, dann übernahmen Sohn Georg (li.), Frau Katharina und Enkel Christian.

Georg Mühlbauer senior (2. v. li.) und Frau Anna haben den Betrieb aufgebaut, dann übernahmen Sohn Georg (li.), Frau Katharina und Enkel Christian.

(Foto: Marco Einfeldt)

Sein Sohn Georg, der heutige Firmeninhaber, erlernte in Freising ebenfalls das Spenglerhandwerk.1985 trat er in die väterliche Firma ein, um sie dann 1996 zu übernehmen. Zunächst arbeiteten Vater und Sohn als Zwei-Mann-Betrieb. Mühlbauer juniors Frau Katharina kümmerte sich um das Büro. Die kleine Landwirtschaft hatte die Familie aufgegeben, da sie sich nicht mehr lohnte.

"Damals haben wir auch für Subunternehmer auf großen Baustellen gearbeitet", sagt Georg Mühlbauer. Der Kundenstamm wuchs kontinuierlich, die Aufträge kamen vor allem auch von den benachbarten Kommunen. An vielen Gebäuden in Haag hinterließen Mühlbauers ihre Handschrift: bei der Sanierung des Gasthauses "Alter Wirt", dem Bau des Rathaus, bei der Michaelskirche in Inkofen, aber auch bei den beiden Kirchtürme in Feldkirchen. Das Erzbischöfliche Ordinariat sei einer ihrer größten Auftraggeber, berichtete der Firmenchef nicht ohne Stolz.

Wer das Spenglerhandwerk erlernt, muss schwindelfrei und gerne an der frischen Luft sein. Denn Mühlbauers bauen hauptsächlich Dachrinnen, Dachgauben, Balkonabdichtungen, Blechdächer oder Fassadenverkleidungen - alles, was man aus Blech und Metall herstellen kann. In der Werkstatt in Inkofen werden die Teile gefertigt und dann das ganze Jahr über bei Wind und Wetter beim Auftraggeber auf Kirchen- oder Schlossdächern, auf Rathäusern, Kindergärten oder Privathäusern montiert. Eine besondere Herausforderung seien runde Gauben, für die runde Bleche geformt werden müssen, berichtet Mühlbauer junior.

Spengler

Der Beruf des Spenglers erfordert handwerkliches Geschick und Kreativität. Auch eine robuste Gesundheit und Schwindelfreiheit sind erforderlich, denn Spengler sind bei Wind und Wetter und Minusgraden auf Dächern oder an Fassaden im Einsatz. Sie stellen aus Blechen Bauteile wie Regenabflussrohre, Fensterbänke sowie Balkon-, Fassaden- oder Dachverkleidungen her und montieren sie. Auch die Planung und Installation von Blitzschutzanlagen gehört zu ihren Aufgaben. Die Zahl der Spenglerbetriebe hat allein im Landkreis Freising, in dem auch das Unternehmen der Familie Mühlbauer seinen Sitz hat, von 9 im Jahr 1995 auf derzeit 32 zugenommen, berichtet Tobias Steigenberger von der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Die Anzahl der Lehrlinge ist im selben Zeitraum von null auf sieben gewachsen. Immer noch überwiegen die männlichen Lehrlinge, aber mittlerweile finden sich in den Berufsschulklassen auch angehende Spenglergesellinnen - meist Frauen, die einen elterlichen Betrieb übernehmen möchten. Die Azubis lernen in ihrer dreieinhalb Jahre dauernden Ausbildungszeit unterschiedliche Bearbeitungstechniken wie Verschweißen, Nieten, Löten, Falzen, Kleben und Verschrauben. Wer sich für den Berufs des Spenglers entscheidet, sollte exakt arbeiten und ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen besitzen. Besonders für Arbeiten an historischen Gebäuden wie beispielsweise Kirchtürmen ist handwerkliches Geschick gefragt. Ka

Das Schöne an einer eigenen Firma sei, dass man selbstständig arbeite und niemand reinrede, sagt seine Frau. Da sie sich zu Hause um Kunden und Abrechnungen kümmert, waren für sie Kinder und Berufstätigkeit problemlos vereinbar. Abends, wenn Mann und Schwiegervater und inzwischen auch ihr erwachsener Sohn von der Arbeit kommen, hat sie das Essen gekocht und alle sitzen zusammen am Tisch. "Als ich meinen Mann kennenlernte, war mir klar, was auf mich zukommt. Genau das wollte ich", sagt sie. Urlaub und Ausflüge seien ihr nicht wichtig. Wenn im Winter Schnee auf den Dächern liegt, gönnen sich Mühlbauers ein paar freie Tage. Aber auch da bleiben sie zu Hause und fahren nicht weit weg.

Inzwischen hat sich durch Mundpropaganda der Kundenstamm so weit vergrößert, dass das Unternehmen keine Aufträge aus München mehr annimmt, sondern nur noch in der näheren Umgebung. Auch der Mitarbeiterstamm ist gewachsen. Enkel Christian lernte im Betrieb und blieb, außerdem bilden die Spenglermeister zwei Lehrlinge aus. Vom Lehrlingsmangel ist bei Mühlbauers keine Rede: Immer wieder schauen Praktikanten den Spenglern über die Schulter und erledigen erste eigene Aufgaben. Lehrlinge zu finden sei kein Problem. Gerne nimmt der Betrieb Auszubildende, die aus der Gegend kommen - so wie derzeit Michael Reinhardt aus Inkofen, der das Spenglerhandwerk jetzt im dritten Jahr erlernt, und Stefan Olthof aus Zolling, der erst im vergangenen Jahr begonnen hat.

Was ist das Erfolgsrezept der Firma? Die Strukturen in der Familie Mühlbauer sind klar und jedes Mitglied weiß, wo sein Platz ist. "Wir Mühlbauers sind uns alle ähnlich: Ich schaffe an, bin der Chef und habe den Betrieb groß gemacht," beschreibt Georg Mühlbauer junior die Hierarchien. Vielleicht funktioniert der Familienbetrieb deshalb so gut, weil alle mit diesen Regeln einverstanden sind - und natürlich Freude an ihrer kreativen, körperlich oft harten Arbeit haben.

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