SZ-Serie: "Meisterhaft", Folge 11:Präzisionsarbeit aus Walnussholz

Der Büchsenmacher Gernot Walther aus Kochel am See hat sich auf maßgefertigte Gewehrschäfte spezialisiert. Die sind beim Hochadel und bei solventen Jägern sehr gefragt. Auch Kunden aus der Region kommen gerne zu dem Handwerker

Von Benjamin Engel, Kochel am See

Wirtschaftsgrößen der westdeutschen Bundesrepublik drücken sie an ihre Wangen. Vermögende Amerikaner und Russen, Scheichs und Adelige halten sie im Arm. Auch der englische Thronfolger Prinz William hat eine zum 18. Geburtstag bekommen: Eine Waffe mit einem Schaft aus Kochel am See. Was Gernot Walther dort aus edlem Holz fertigt, hat einen klangvollen Namen unter Besitzern von Jagd- und Sportwaffen. Der 61-jährige Büchsenmacher hat sich auf Gewährschäfte spezialisiert und arbeitet auch im Auftrag berühmter Waffenhäuser im In- und Ausland.

Bis zu 4500 Euro geben die Kunden für einen Walther-Schaft aus. Dafür bekommen sie eine individuelle Maßanfertigung nach ihren Wünschen. Daneben fertigt Walther hin und wieder komplette Jagd- und Sportgewehre, repariert und restauriert auch antike Büchsen.

Trotz der zuweilen illustren Kundschaft ist der groß gewachsene, schlanke Bayer mit dem markanten Schnauzer bescheiden geblieben. "Wir sind ein ganz normaler Handwerksbetrieb", sagt er. Vor 30 Jahren hat er sich selbständig gemacht. Auf Werbung verzichtet er. Die Kunden finden allein über Mundpropaganda in seinen Betrieb. Der liegt in einer ruhigen Seitenstraße von Kochel, ein wenig abseits der stark befahrenen Straße in Richtung Walchensee. Wer die Tür aufmacht, tritt direkt in die Werkstatt von Walther. Ein kleines Büro und ein Lagerraum schließen sich an. Kein protzender Showroom, sondern eher eine typische Hinterhofwerkstatt, die an Meister Eder erinnert. An den Wänden hängen Hobel, Raspeln und Feilen. Eine Werkbank, eine Fräs- und eine Drehmaschine stehen im Raum.

Walther verwendet für die Gewehrschäfte Walnussbaumholz. Das ist stabil und hat eine schöne Maserung. Sanfte, dunkle Linien mäandern durch das Holz. Es stammt aus Irak, Iran, der Türkei oder den sogenannten GUS-Staaten. Für einen Schaft braucht Walther etwa einen Meter des lebhaft gemusterten Wurzelholzes. Das muss fünf bis sieben Jahre lagern, damit es langsam abtrocknen kann und keine Risse bildet. Erst danach kann Walther es bearbeiten. Mit der Säge schneidet der Büchsenmacher die Schäfte grob aus und fräst sie innen aus. Der Rest ist reine Handarbeit. Seine wichtigsten Werkzeuge, die an den Enden gebogenen Fischhauteisen, hat er selbst angefertigt. Mit ihnen ritzt er die sogenannte Fischhaut in das Holz. So wird das Schnitzmuster an den Stellen genannt, an denen die Besitzer ihre Waffe in den Händen halten. Die aufgerauten Flächen erlauben einen sicheren Griff.

Walther stimmt jeden Schaft individuell auf die Körpermaße des Kunden ab. Ist er in die richtige Form gebracht, schleift und schmirgelt er die Oberfläche immer wieder ab und trägt Leinöl und Rotwurzel auf. So erhält der Schaft seine rötlich-satte glänzende Tönung. Das wiederholt er solange, bis sämtliche Poren im Holz versiegelt sind, eine homogene, glatte Oberfläche entstanden ist. Bis zu 60 Stunden arbeitet Walther an einem Schaft. Besonders aufwendige Waffen sind erst nach einigen Monaten für den Kunden fertig. Denn für sie werden die einzelnen Komponenten durch den ganzen Kontinent geschickt. Spezialisten gravieren die Eisenteile, wieder andere gibt es zum Härten. Und Walther ist eben der Experte für Gewehrschäfte.

Doch Walther ist auch für die Kunden aus der näheren Umgebung da. Derzeit rüstet er Gewehre häufig mit Schalldämpfern nach. So können die Jäger ihr Gehör schützen. Der Knall nach dem Schuss wird damit nicht vollständig, sondern um etwa 20 bis 30 Dezibel reduziert. Auch Nachtsichtgeräte sind immer mehr gefragt. Denn seit sich die Wildschweine auch im Tölzer Landkreis stetig weiter ausbreiten, brauchen die Jäger für die nächtliche Jagd eine gute Optik. Sie dürfen die Nachtsichtgeräte allerdings nur zum Beobachten, nicht zum Schießen verwenden.

Walther ist mit Waffen aufgewachsen. Sein Vater war Berufsjäger in der Jachenau. Walther ist selbst Jäger. Ursprünglich wollte er Schreiner werden. Denn für Holz interessierte er sich sehr. Doch da keine Lehrstelle frei war, begann er die Ausbildung beim Büchsenmachermeister Martin Hagn in Kochel am See. Vor 30 Jahren machte sich Walther im Ort selbständig. Gemeinsam mit dem Büchsenmachermeister Hubert Mulberer führt er die Werkstatt. Schon sein ganzes Leben lang ist Walther in den Bergen unterwegs. Er ist Einsatzleiter der Kochler Bergwacht und engagiert sich als Biberberater. Seine Erfahrungen im Umgang mit Jagdwaffen gibt er gerne an seine Kunden weiter. Und die seien auch wichtig. "Ich weiß, worum es den Jägern geht, wenn sie ein Problem haben", sagt er.

Manche Kunden kaufen ein Gewehr als Sammlerstück. Das ist aufwendig mit Ornamenten verziert und mit wertvollen Materialien wie Gold oder Platin verarbeitet. Dank seiner Präzision und seines Ästhetikempfindens hat sich Waffen Walther aus Kochel am See längst einen klangvollen Namen unter Waffenherstellern erworben - in einer Reihe mit traditionsreichen Waffenschmieden wie Purdey & Sons oder Holland & Holland aus London.

Lesen Sie in der Wochenend-Ausgabe: Das Handwerk des Messerschleifers

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: