SZ-Serie "Inklusion":Sehen mit Händen und Füßen

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Steffen Erzgraber, Landesgeschäftsführer beim Blinden- und Sehbehindertenbund, ist seit seinem neunten Lebensjahr blind. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Steffen Erzgraber vom Blindenbund setzt sich für mehr technische Hilfen ein

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

"Man muss hinausgehen und sich etwas trauen", sagt Steffen Erzgraber, der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB). Sich herauszutrauen erfordert, dass für Blinde und stark Sehbehinderte auch eine gewisse Barrierefreiheit draußen existiert. Da besteht im Vergleich zu Gehbehinderten und Rollstuhlfahrern noch ein immenser Nachholbedarf.

Herauszugehen ist sicherlich auch eine Alters- und Generationenfrage. Erzgraber weiß wovon er spricht, er ist seit dem zehnten Lebensjahr blind, heute ist er 32 Jahre alt. Geht er in München in den Supermarkt, holt er sich beim Personal Hilfe. Das geht nicht bei jedem Einkauf. Märkte, in denen die Mitarbeiter eher am Anschlag arbeiten müssen und gestresst wirken, meidet er. "Ich weiß zwar in meinem Stammsupermarkt, wo alles steht, aber erkenne nicht den Unterschied zwischen Kaffee- und Espressobohnen oder zwischen passierten Tomaten oder H-Milch", erklärt Erzgraber seine eigenen Probleme. Spaß mache das Einkaufen im Supermarkt auch ihm nicht.

Erzgraber arbeitet als Vereinsgeschäftsführer, der auch für die Interessenvertretung gegenüber kommunalen und staatlichen Stellen zuständig ist, das Positive heraus: "Ich bin optimistisch, weil sich gerade sehr viel tut." Auch habe Ministerpräsident Seehofer erklärt, Bayern bis 2023 barrierefrei machen zu wollen. Dass viel passiert, ist sicherlich übertrieben. Es gibt aber kleine Schritte, um Blinden und Sehbehinderten das Leben draußen zu erleichtern. So sind die Treppenstufen im Münchner Rathaus am Marienplatz auf Anregung des BBSB seit Juni dieses Jahres mit kontrastreichen Markierungsstreifen bis in den dritten Stock ausgestattet worden. Dazu gibt es taktile Beschriftungen an den Handläufen zum Abtasten, so dass sich Blinde und stark Sehbehinderte daran orientieren können. Auch im Münchner Stadtmuseum gibt es diese Markierungsstreifen.

Taktiles, Kontrastreiches und Sprache helfen Blinden und stark Sehbehinderten, wenn sie allein unterwegs sind, außerhalb der eigenen Wohnung am meisten. Der BBSB setzt sich stark für die barrierefreie Gestaltung von öffentlichen Gebäuden ein. Die Landesverkehrsbeauftragte - eine Landschaftsarchitektin - und viele ehrenamtliche regionale Beauftragte engagieren sich dafür, dass die Belange sehbehinderter und blinder Menschen bei Bauvorhaben berücksichtigt werden.

Im Landkreis Fürstenfeldbruck sind die öffentlichen Bauten zwar fast überall auf Rollstuhlfahrer eingestellt, aber die vergleichsweise wenig aufwendigen Markierungsstreifen sind in Treppenhäusern, Rat- und Bürgerhäusern oder Stadthallen kaum zu finden. So fehlt es auch im Landratsamt zum Beispiel an einem sprechenden Aufzug, der die Etagen mit den dazu gehörenden Ämtern für die Behinderten ansagt und die Orientierung enorm erleichtert.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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