SZ-Serie: Älter werden - alt sein, Folge 4:Mit aller Aufmerksamkeit

Pflegefachkräften in den Alten- und Pflegeheimen im Landkreis wird viel abverlangt, menschlich wie fachlich. Jeden Schritt, den sie mit einem Bewohner machen, jede Tablette, die sie ihm geben, müssen sie dokumentieren. Sie müssen zuhören können, aber auch fähig sein, zu Schichtende mit dem Kittel auch die Belastung abzustreifen

Von Katharina Knaut, Gröbenzell

Morgens, 6.30 Uhr, Sankt Anton Pflegeheim. Während andere zu dieser Zeit noch die letzte halbe Stunde Schlaf bis zum Weckerklingeln auskosten, ist Brigitte Walch bereits auf den Beinen. Für sie bedeutet diese Uhrzeit: Dienstbeginn. Routinemäßig geschieht das mit der Übergabe durch den Nachtdienst. Walch wird über die Geschehnisse in der Nacht informiert. Dann werden in der Frühschicht die Aufgaben verteilt. Von diesem Zeitpunkt an ist für Walch die Routine auch schon vorbei. Ihr Alltag richtet sich nach den Bewohnern. Als Pflegefachkraft ist sie für die Grundpflege zuständig, das umfasst sowohl die medizinische Versorgung wie die Verabreichung von Spritzen und Medikamenten als auch Unterstützung bei der tägliche Routinen der Bewohner.

Walch wäscht die alten Menschen, hilft beim Toilettengang. Zu ihrem wichtigsten Begleiter wird der Kugelschreiber. Der Anamnesebogen, die Tagesstruktur des Bewohners, die Medikamente - jedes Detail muss genau dokumentiert werden. Alles in allem verwende sie auf eine saubere Dokumentation eine Stunde am Tag, berichtet Walch. Der schriftliche Aufwand sei gestiegen. Unter Umständen kann es dann schon mal stressig werden.

"Stress hat man in jedem Beruf", meint Walch, "aber hier kann man nichts stehen lassen und auf morgen verschieben. Den Bewohner kann man schlecht warten lassen." Da muss sie Prioritäten setzen. "Das, was man nicht schafft, muss man dann eben weitergeben."

Walch trägt für einen Wohnbereich mit rund 30 Bewohner die Verantwortung. Mit wie vielen Kollegen sie sich den Wohnbereich teilt, kommt auf die Pflegegrade der Bewohner an. Je höher der Pflegegrad, desto mehr Personal. Jeder Mitarbeiter zählt. Denn seit etwa drei Jahren nimmt der Personalmangel in der Altenpflege wieder zu, erklärt Anke Schering, Pflegedienstleiterin von St. Anton.

129 Bewohner hat das Altenheim und 107 Mitarbeiter in allen Bereichen, Haustechnik und Küche eingeschlossen. "Es besteht eine Fachkraftquote von 50 Prozent", meint Schering. Komme man unter diese Grenze, drohe der Aufnahmestopp. So weit ist es bisher nicht gekommen, noch kann Schering die Quote erfüllen. Allerdings blickt sie mit Sorge in die Zukunft. "Wenn mir zwei Fachkräfte wegbrechen, kann ich sie nicht ersetzen, ich würde niemanden finden."

Serie Älter werden

Brigitte Walch kümmert sich im Altenheim Sankt Anton in Gröbenzell um eine Bewohnerin und ist in ihren Alltag eingebunden, weil sie Strukturen vorgibt und bei den täglichen Routinen hilft.

(Foto: Günther Reger)

Ein großes Problem, denn die Zahl der älteren Menschen steigt stetig. Bis 2030 wächst die Zahl der über 80-Jährigen im Landkreis um 229,1 Prozent, also um mehr als 18 000 Menschen. "In der Regel haben vor allem die Menschen über 85 einen hohen pflegerischen Bedarf", stellt Armin Seefried, Geschäftsleiter des Altenheims Theresianums, fest. "In den letzten Jahren brauchen sie einfach Unterstützung." Mittlerweile kämen die Menschen auch erst, wenn sie diese Unterstützung brauchen, meint Walch. Und je später sie kommen, desto schwieriger wird es. Früher seien auch einige gekommen, obwohl sie noch rüstig waren. Das gebe es mittlerweile kaum noch.

Ein Ansatz, dem Mangel entgegenzuwirken, besteht in der Gewinnung von ausländischen Pflegekräften, wie es beispielsweise das Projekt "Triple Win" der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit organisiert. In der Caritas sei das ein Thema, meint Silvia Dörr von der Caritas. In Fürstenfeldbruck gebe es das aber noch nicht. Ganz so einfach lasse sich das Problem aber nicht lösen, sind Schering und Seefried einer Meinung. Auch Sankt Anton und das Theresianum beschäftigen ausländische Pflegekräfte. Ohne die gehe es gar nicht, meint Schering. Um die Arbeit bewältigen zu können, müssen aber auch die nötigen Deutschkenntnisse vorhanden sein, darin sind sich die Pflegeexpertinnen einig. "Die Altenpflege lebt vom Gespräch", meint Seefried. "Bei uns leben Menschen aus ganz Deutschland", erklärt Schering. Jemand, der mit der Sprache kaum vertraut sei, könne sich mit den verschiedenen Dialekten schwer tun.

Schering setzt momentan alles auf den jungen Nachwuchs. "Sechs Auszubildende sind im Haus. Wenn zwei danach bleiben, bin ich schon glücklich", meint sie. Die jungen Leute machten die Arbeit mit sehr viel Begeisterung, meint Seefried. Im Theresianum haben sie öfter Praktikanten von der Fachoberschule. "Sie haben immer sehr viel Freude an ihrer Tätigkeit."

So ging es auch Brigitte Walch, als sie mit 15 Jahren begann, ehrenamtlich beim Malteser Hilfsdienst zu arbeiten. Besonders gefesselt habe sie der Erfahrungsschatz der alten Menschen. "Sie haben aus ihrem Leben erzählt. Früher auch viel vom Krieg und der Flucht. Aber auch von schönen Dingen wie ihren Enkelkindern oder der Hochzeit des Sohnes." Diesen Teil ihrer Arbeit liebt sie bis heute. Sie ist sehr dankbar, daran teilhaben zu können. Manche Erfahrungen haben Walch auch bereits für ihr eigenes Leben etwas gegeben. "Wir hatten einmal eine Bewohnerin, die bis zu ihrem 103. Lebensjahr jeden Tag gelächelt hat. Sie meinte, sie habe so viel gesehen, und nichts kann gar zu schlimm sein, man muss nur lachen." Eine Einstellung, die Walch für sich übernommen hat. "Jammern hilft nichts. Jeder ist seines Glückes Schmied."

2500 Stunden praktische Ausbildung

Die Berufsausbildung zum Altenpfleger umfasst drei Jahre mit jeweils 2100 Stunden Unterricht an einer Altenpflegeschule und 2500 Stunden praktischer Ausbildung in einer Einrichtung der Altenpflege. Die Ausbildung kann mit einem Mittleren Schulabschluss oder erweitertem Hauptschulabschluss begonnen werden. Vermittelt werden unter anderem Kenntnisse über die medizinische Versorgung, die Grundlagen der Pflege, Krankheitslehre, die Dokumentation der Pflege, sowie die Unterstützung der alten Menschen bei der Lebensgestaltung. Darüber hinaus sind Sozialkunde, das Rechtsstaatmodell und Geschichte Teil der Ausbildung. Mit dem Abschluss besteht die Möglichkeit einer Weiterbildung zu mehreren Fach- und Betriebswirten wie Fachwirt Sozial- und Gesundheitswesen oder Betriebswirt Management im Gesundheitswesen. Auch im Beruf hat man diverse Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Dazu zählt beispielsweise die Hospizfortbildung, Stressbewältigung, Wundexperte und Aromatherapie. Von Anfang 2020 an ist es zudem möglich, zwei Jahre eine generalisierte Ausbildung zu absolvieren, um sich im dritten Lehrjahr für eine spezialisierten Abschluss zur Alten- oder Kinderkrankenpflege zu entscheiden, oder die generalisierte Ausbildung fortzusetzen. Mit diesem Abschluss ist man "Pflegefachmann/ -frau", und es stehen alle Versorgungsbereiche, die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege offen. katk

Eine Einstellung, die eine Pflegekraft braucht. Der Beruf ist fordernd. "Als Pflegekraft muss man lernen, jeden Tag voll bei den Bewohnern zu sein, gleichzeitig nach Schichtende mit dem Kittel aber auch die Arbeit abzulegen." Das sei eine Lebenseinstellung. "Wenn man das nicht schafft, scheitert man in diesem Beruf." Es gebe auch verschiedene Techniken zum Ablassen. Wenn in Sankt Anton beispielsweise ein Bewohner stirbt, wird in der hauseigenen Kapelle eine Abschiedsfeier veranstaltet, an der jeder teilnehmen kann.

Auch was ein Pfleger alles leisten müsse, werde oft verkannt, meint Schering. "Die alten Menschen werden von der Gesellschaft nicht genug wertgeschätzt, also werden auch die Pfleger nicht genug wertgeschätzt." Auch müsste die Arbeit besser vergütet werden. Der Verdienst sei dafür, dass Altenpfleger auch am Wochenende und an Feiertagen arbeiten, zu wenig. Das und die fehlende Anerkennung seien ihrer Meinung nach die Hauptgründe für den Mangel an Personal im Pflegebereich. An diesen Punkten müsse man ansetzen. "Es ist ein gesellschaftliches Thema", findet auch Seefried. "Ohne Mitarbeiter im Pflegebereich funktioniert unser Land nicht." Er sieht es allerdings optimistisch. "Es ist früher gelungen und es sollte jetzt auch gelingen."

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