SZ-Interview:"Gott ist der Boss"

Mit ihren Rollen in den Filmen von Percy Adlon hat es Marianne Sägebrecht zu Weltruhm gebracht - die Bodenhaftung hat sie dennoch nie verloren.

Peter Schelling

Sterbelieder fürs Leben" ist der Titel des Programms, mit dem die Schauspielerin, Kabarettistin und Buchautorin Marianne Sägebrecht am Sonntag (17 Uhr) zusammen mit den Musikern Josef Brustmann und Andreas Arnold auf Einladung des Hospiz-Vereins in der Germeringer Stadthalle zu Gast ist. Vor dem Auftritt sprach die SZ mit Marianne Sägebrecht, die in Schäftlarn lebt, vor zwei Jahren mit dem oberbayerischen Kulturpreis ausgezeichnet wurde und im vergangenen Jahr 65. Geburtstag feierte.

SZ-Interview: "Ich habe jedes Mal das Gefühl, dass ich den Menschen mit meinem Humor unglaublich helfen kann" - für Marianne Sägebrecht sind der Tod und das Sterben Urthemen, mit denen sie sich neuerdings auch auf der Bühne beschäftigt.

"Ich habe jedes Mal das Gefühl, dass ich den Menschen mit meinem Humor unglaublich helfen kann" - für Marianne Sägebrecht sind der Tod und das Sterben Urthemen, mit denen sie sich neuerdings auch auf der Bühne beschäftigt.

(Foto: Manfred Neubauer)

Man kennt Sie aus den Percy-Adlon-Filmen als bayerisch-barocke, humorvolle, zuweilen auch widerspenstige und urkomische Person. Wie kommt es, dass Sie sich neuerdings mit Sterbeliedern und literarischen Texten zum Thema Tod beschäftigen?

So neu ist das nicht. Der Tod ist schon immer ein Urthema von mir. Sie müssen nur an den Film "Zuckerbaby" denken, da spiele ich eine Frau, die im Leichenbestattungsinstitut arbeitet. Das war meine ureigene Idee, denn ursprünglich sollte ich eine Putzfrau in der U-Bahn darstellen. Der Film hat aber durch den Rollentausch eine ganz besondere Tiefe und Menschlichkeit bekommen und ist nicht zuletzt deshalb überall in der Welt ganz stark angenommen worden. Auch in meinen späteren Filmen ging es immer um die Wandlung und um Selbstverwirklichung. Außerdem hatte ich schon in meiner Kindheit einen ziemlich großen Bezug zur Philosophie und zur Religion. Marianne, hat unser Pfarrer einmal gesagt, du bist eine alte Seele, da ist es kein Wunder, dass dich die anderen Kinder immer ein bisschen befremdlich anschauen. Mit zwölf Jahren bin ich mit dem Kaplan ins Krankenhaus gegangen, um sterbenskranken Menschen etwas vorzulesen.

Dann ist es für Ihren Kollegen Josef Brustmann vermutlich nicht sehr schwierig gewesen, Sie für das Projekt "Sterbelieder fürs Leben" zu gewinnen.

Nein, überhaupt nicht. Die erste Begegnung mit dem Josef fand bei einer Lesung im Münchner Literaturhaus statt, zu der ich meine damals sehr kranke Katze mit auf die Bühne gebracht habe, weil ich sie nicht alleine lassen wollte. Das konnte er, wie er mir später erzählt hat, nicht mehr vergessen. Näher kennengelernt haben wir uns, als er für mich vor zwei Jahren die Laudatio für den oberbayerischen Kulturpreis geschrieben hat. Da hat er mir erzählt, dass er schon seit zwei Jahren Gedichte sammelt - Bergengruen, Trakl, Rilke und viele andere. Und dass er auch selbst Gedichte schreibt - wunderschöne, wie ich finde. Er hat mich gefragt, ob wir nicht zusammen etwas machen wollen.

Die Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Sterben ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabuthema. Welche Erfahrungen machen Sie derzeit damit bei ihren Auftritten?

Ich habe jedes Mal das Gefühl, dass ich den Menschen da unglaublich helfen kann, indem ich mit Humor an das Thema herangehe. Was mich an der Sache auch interessiert, ist die Frage, wie das in anderen Kulturen gehandhabt wird. Wie zum Beispiel die Mexikaner damit umgehen, die auf ihren Friedhöfen feiern und tanzen. Oder die Tibetaner mit ihrem Totenbuch. Wichtig ist für mich aber vor allem, respektvoll damit umzugehen. Ich bin auch keine, die messianisch durch die Welt rennen will.

Glauben Sie an Gott?

Ja, natürlich. Für mich war immer ganz klar, dass da ein Schöpfer ist. Das Bild vom alten Opa mit grauem Bart, das ich von anderen Menschen manchmal vorgehalten bekomme, ist allerdings großer Quatsch. Ich sage dann immer, dass ich von Gott durchdrungen bin. Ich bin sein Wesen. Aber er ist der Boss. Und die ganze Natur ist von Gott erschaffen, aber halt unterverpachtet.

Für Josef Brustmann waren es sehr persönliche Erfahrungen, die ihn dazu bewogen haben, sich so intensiv mit dem Thema zu beschäftigen - der Tod seiner Eltern und seines 20-jährigen Neffen, der ertrunken ist. Ist Ihnen der Tod auch schon so nahe gekommen?

Meine Mutter, die eine ganz wunderbare Frau war, ist in meinen Armen gestorben. Ich war sozusagen ihre Hebamme und bin mir sicher, dass sie diesen Tunnel rückwärts, wie ich es nenne, ganz schnell durchschritten hat. Sie hat die Augen geschlossen und dann ist so ein kleines Lächeln gekommen. Wenn der Mensch geht, so ist mein Gefühl, wird er noch einmal ganz jung.

Als Schauspielerin haben Sie es mit ihren Rollen in Filmen wie "Zuckerbaby", "Out of Rosenheim" und "Rosalie goes shopping" zu Weltruhm gebracht. Und Sie haben mit Berühmtheiten wie John Malkovich, Michael Douglas, Michel Piccoli und Armin Müller-Stahl vor der Kamera gestanden. . .

Mit großem Vergnügen übrigens. Da sehen Sie mal, was der da oben sich alles hat einfallen lassen, nur um mir eine Freude zu machen.

Fühlen Sie sich selbst als Weltstar?

Das nicht, aber ich habe schon als junges Mädchen zu meiner Mama gesagt: vom Bach, zum Fluss, zum Strom, zum Meer. Jetzt kann ich sagen, dass ich eine Wanderbärin geworden bin und mich überall in der Welt zu Hause fühle.

Wird man Sie irgendwann in einem neuen Film im Kino sehen?

Ich glaube, dass noch in diesem Frühjahr eine Neuverfilmung der "Adele Spitzeder" von Xaver Schwarzenberger mit der wunderbaren Birgit Minichmayr in der Hauptrolle zu sehen sein wird. Zurzeit laufen noch die Dreharbeiten für "Oma in Roma" unter der Regie von Tommy Wigand. Da spiele ich an der Seite von Giancarlo Giannini eine Münchnerin, die einmal nach Kanada geheiratet hatte, nun aber von der Tochter ins betreute Wohnen gesperrt werden soll, weil sie zu temperamentvoll und renitent ist, und deshalb zu ihrer Enkelin nach Rom flüchtet. Der Film wird vermutlich nächstes Jahr in die Kinos kommen.

Wie ist es denn, wenn Sie jetzt am Sonntag mit Josef Brustmann in der Germeringer Stadthalle auftreten. Sind Sie da noch nervös?

Ich bin euphorisch. Ich freue mich auf den Josef und den Andi (Anmerkung der Redaktion; Andreas Arnold, der Sägebrecht mit der Klarinette begleiten wird) und auf die Menschen, die kommen werden. Das Herz klopft, aber nicht vor Angst, sondern vor lauter Erwartungsfreude, was jetzt wieder passiert.

Interview: Peter Schelling

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