SZ-Aktion "Was Olching bewegt", Folge 11:Von der Schlafstadt zur Heimat

Der Zuzug macht dem Bürgermeister Sorgen. Andreas Magg sucht nach Wegen, wie die Stadt ihr Gesicht behalten und wie sich Neubürger zuhause fühlen können. Vereine und Arbeitsplätze wären ein Mittel

Von Ekaterina Kel, Olching

Ein schönes Häuschen in einem ruhigen Vorort außerhalb der hecktischen Großstadt, das ist eine Sache. Das Leben in diesem Vorort - eine ganz andere. Viele Menschen sind in den vergangenen Jahren nach Olching gezogen. Allein in der jüngsten Dekade waren es mehr als 3000. Wie gelingt es nun, dass die Zugezogenen Olching als lebenswerte Stadt wahrnehmen und nicht nur als gesichtslosen Ort am Rande von München? Diese Frage beschäftigt Olchings Bürgermeister Andreas Magg (SPD). Bei unserer Leseraktion "SZ im Dialog" hatte er deshalb die Suche nach der Antwort darauf als Thema parat: "Olching braucht ein eigenes Gesicht." Damit es nicht eine reine "Schlafstadt" werde, in die die Menschen in ihre Häuser zum Schlafen hinfahren und von dort am nächsten Tag wieder sofort nach München pendeln. Olching müsse attraktiver werden, sagt Magg. Aber wie?

In der Stadtverwaltung wird eine Offensive vorbereitet, die Olchings Image aufpolieren soll. Ein Verein für Stadtmarketing soll gegründet werden. Die Mitglieder sind größtenteils Vertreter von Geschäften und Unternehmen, auch Privatpersonen können Mitglied werden. Mit 75 000 Euro im Jahr finanziert die Stadt den Image-Verein über die ersten drei Jahre. Olching müsse ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln, sagt Sonja Weyland von der Wirtschaftsförderung der Stadt, die sich um den zukünftigen Verein kümmert. Kritiker, wie der Stadtrat Tomas Bauer (CSU), finden, das Ziel sei "bestenfalls vage" formuliert. "Lebensqualität ist kein Marketingprodukt", lässt Bauer verlauten. Und überhaupt, wann könnten alle Olchinger schon sagen, dass sie mit der Stadt zufrieden seien?

Wohngebiet Schwaigfeld

Dass Olching nicht eine reine Schlafstadt wird, zeigen Neubürger wie jene im Schwaigfeld allein mit ihrem jährlichen Fest für alle.

(Foto: Günther Reger)

Die Identifizierung eines jeden mit Olching müsse unterstützt werden, sagt Weyland. Zum Beispiel durch ein gemeinsam organisiertes Fest, das fördere ein Gemeinschaftsgefühl. Der Verein biete den nötigen Rahmen dafür. "Aber so etwas lebt natürlich von der Mitwirkung der gesamten Stadtgesellschaft."

Mitmachen also. Das können die Olchinger bisher in den 142 Vereinen. Bürgermeister Magg erzählt, wie es um sie steht: "Viele Vereine überborden vor neuen Mitgliedern. Aber die, die Verantwortung übernehmen wollen, sterben langsam aus." Dafür müssten sich die Olchinger mit ihrer Stadt verbunden fühlen, sagt er. Die vielen Neuen müssten hier heimisch werden. Wie also wird ein neuer Ort zur Heimat? Peter Edmeier, erster Vorsitzender der Garten- und Blumenfreunde Olching, zählt 200 Mitglieder in seinem Verein. Als bei der Mitgliederversammlung die Ämter zu besetzen waren, habe es für jedes Amt bloß eine Person gegeben. "Alle waren froh, dass es jemanden gab", erzählt Edmeier. "Ich mach's halt, weil es sonst keiner macht", gibt er zu. Das Durchschnittsalter schätzt er auf sechzig Plus. Die Jugend müsse nachrücken, sagt Edmeier, "sonst sterben wir ja aus". Zwar meldeten sich auch einige junge Familien an, aber der Nachwuchs könne mehr Interesse zeigen.

In der Neubausiedlung im Schwaigfeld wohnen viele Neubürger. Die meisten hätten da sehr wenig Garten, weiß Edmeier. Eigentlich müsste aus dem Schwaigfeld ein Andrang auf die Gartenparzellen des Vereins zu spüren sein. Aber: "Leider nein." Dabei kann Edmeier das Engagement in Vereinen nur empfehlen: "Man fühlt sich mit Olching viel mehr verbunden, wenn man in führender Position eines Vereins ist." Der Kontakt zu Kommunalpolitik und Kirche sei gegeben, "man wird bekannter". Edmeier selbst ist vor 40 Jahren nach Olching gezogen. Der Gartenverein habe dazu beigetragen, dass er heute sagen kann: "Ich fühle mich als Olchinger."

Verkehr Olching

Städtisch geprägt ist Olching, wie es sich etwa in der Hauptstraße zeigt.

(Foto: Günther Reger)

Die Feuerwehr hat weniger Probleme, Nachwuchs zu finden. Der federführende Kommandant der vier freiwilligen Feuerwehren im Ort, Josef Gigl, berichtet von Neubürgern, die zum Beispiel beim Tag der offenen Tür Interesse bekunden würden. Vereine wie seiner könnten sicherlich eine gute Plattform bieten, damit neue Bürger sich in der Stadt etablierten, für jeden sei etwas dabei. Und wie schafft man es, dass sich die Neuen hier heimisch fühlen? "Ganz einfach", weiß Gigl, "Arbeitsplätze am Ort schaffen und sie auch erhalten."

Michael Metschkoll, seit Jahren Vorsitzender der Bürgervereinigung Schwaigfeld, sieht es genauso. Wenn die Menschen Olching nicht nur als Schlafplatz benutzen sollen, müsse man schauen, wie man Arbeitsplätze in Olching schafft und Gewerbe in der Stadt ansiedelt, sagt er. Mit seinem Verein versucht er seit mehr als 15 Jahren, die nachbarschaftlichen Beziehungen im Ortsteil zu stärken. Auch neue Gesichter meldeten immer wieder Interesse an, bei den Veranstaltungen des Vereins mitzumachen. Das zeige, dass solche Strukturen ihren Zweck erfüllten. Kooperationen mit dem Kolpingverein oder dem TSV Olching sorgten zusätzlich für Berührungspunkte mit Alt-Olchingern. "Ein Neubürger, der keinen Anschluss findet, ist selbst Schuld", urteilt Metschkoll. Angebote zum Mitmachen gebe es jedenfalls mehr als genug.

Olching: SZ trifft LESER / Cafe Ganser

"Olching muss attraktiver werden, sagt Bürgermeister Andreas Magg bei seinem Besuch im Cafe Ganser. Er nutzt die jüngste SZ-Leseraktion für eine thematische Anregung.

(Foto: Johannes Simon)

Ein Fest der Stadt mitorganisieren, im Gartenverein Unkraut jäten oder der freiwilligen Feuerwehr beitreten - können daraus Heimatgefühle erwachsen? Kann schon sein, sagt Metschkoll. Aber nichts beschleunige die Integration mehr als ein Kind in der Krabbelgruppe. "Viele kommen über die Kinder rein, das ist der Klassiker. Und sich gemeinsam über etwas empören, das hilft immer." Auch Stadtrat Bauer erinnert sich noch, wie es bei ihm geklappt hat: "Heimisch wird man, wenn man gemeinsam mit anderen Eltern sein Kind auf dem Fußballplatz anfeuert." Eine schöne Hochglanzbroschüre, auf der "Wir sind Olching" drauf stünde, dagegen nicht.

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