SZ-Adventskalender:Ein Leben lang

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Das Kinderhospiz kümmert sich auch um Erwachsene

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Neulich kam eine Mutter in Barbara Schachtschneiders Büro. Unter Tränen gestand sie der Sozialarbeiterin, dass sie sich kein MVV-Ticket leisten könne, um in die Klinik zu fahren. Dort liegt ihr krankes Kind, das die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz betreut. Oft fehlt es den Familien mit kranken Kindern nicht nur an Zeit und Nerven, sagt Schachtschneider, sondern auch an Geld. Kurz vor Weihnachten sei für viele die schlimmste Zeit. "Da kommt die Wahrheit auf den Tisch", sagt Schachtschneider, die in der Fachstelle für pflegende Familien in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Starnberg, Landsberg und Weilheim arbeitet und sich vor allem um die Beratung der Angehörigen kümmert.

Der SZ-Adventskalender möchte der Brucker Fachstelle bei der Erfüllung der Weihnachtswünsche helfen. Mehr als 100 Familien werden von Schachtschneider und ihren Kollegen betreut. "Es gibt viele Familien, die sich nicht zeigen, und die in großer Not sind", sagt die Helferin. Ein Besuch im Legoland, ein Parfüm aus der Drogerie oder auch mal Sondernahrung, deren Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen wird, und für die Eltern monatelang sparen müssen. Für solche Zwecke hat Schachtschneider einen Notfalltopf. Und dieses Jahr kann sie vielleicht ein paar Geschenke mehr machen.

Normalerweise kümmert sich das Kinderhospiz um kranke und pflegebedürftige Kinder. Viele von ihnen kämpfen mit dem Tod. Und des Öfteren gewinnen sie den Kampf. Zwei Drittel aller Kinder überlebten, sagt Barbara Schachtschneider. Deshalb sind die zu pflegenden Kinder manchmal auch schon erwachsen. Aufgrund der medizinischen Fortschritte erreichen Kinder, die mit schweren Behinderungen geboren sind, heutzutage das Erwachsenenalter, bestätigt ihre Kollegin Stephanie Perret. Das lasse manche Versorgungslücke entstehen, denn die meisten Betreuungsangebote der Kinder- und Jugendeinrichtungen endeten mit der Volljährigkeit. Allein schon wegen der begrenzten Plätze in den Kinderkliniken auf der einen und in den Einrichtungen für behinderte Erwachsene auf der anderen Seite bleibe oft die Pflege daheim als einzige Option. "Die Familien fallen von heute auf morgen aus vielen Angeboten raus", konstatiert Perret.

Schachtschneider sagt deshalb ganz entschlossen: "Wir lassen niemanden im Regen stehen." Ihre Fachstelle betreut dieses Jahr acht Kinder, die über 18 Jahre und eigentlich keine Kinder mehr sind. Hilfsbedürftig seien sie trotzdem, sagt Schachtschneider. "Eine unserer Methoden ist es, da zu bleiben. Wir gehen einfach nicht weg. Egal, was kommt."

Das gilt auch für diejenigen, die auf dem Papier keine Kinder mehr sind. Viele Eltern von schwer kranken Kindern stellten sich auf ein kurzes Leben ihres Babys ein. "Und dann leben diese doch Jahre." Am Ende wisse man eben nie, wie lange jemand lebt. "Und das ist auch gut so." Entweder sie werden gesund, wie bei Leukämie. Oder sie werden zu "Schläfern", das heißt, sie tragen die Krankheit weiterhin in sich, zum Beispiel eine Infektionskrankheit oder einen Gendefekt, und man weiß nie, ob und wann sie ausbricht. Manchmal wird die familiäre Situation besonders kritisch, ein Angehöriger stirbt, oder es erkrankt zusätzlich ein zweites oder drittes Kind. Schachtschneider: "Wir begleiten sie, so lange sie pflegebedürftig sind, egal, wie alt die Kinder sind." Wenn es nicht mehr akut sei, das Familiensystem wieder halbwegs stehe oder die Hospizhelfer nicht mehr gebraucht würden, zögen sie sich zurück.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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