Starkbierfest :Herr Gerngroß will Oberbürgermeister werden

Das Brucker Brettl wirbt auf dem Starkbierfest der Brauerei Kaltenberg für den siebten Bewerber. Um die sechs leibhaftigen Kandidaten kümmert sich Krüglredner Ober. Und dann kommt auch noch die Kanzlerin

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Nun also gibt es einen weiteren Brucker OB-Kandidaten. Er trägt mit Würde ein Nudelsieb auf dem Kopf und bringt alle nötigen Qualifikationen für den Job mit. Und das Volk jubelt ihm auch schon zu. Das Lachen wird seinen Konkurrenten, die in Schlagdistanz vor der Bühne sitzen und dem Herrn Gerngroß mit Ritter- oder Weizenbock zuprosten, schon noch vergehen. Die zweite Sensation beim Starkbierfest der Schlossbrauerei Kaltenberg ist natürlich die Kanzlerin. Als Uniformierte und Bodyguards den Durchgang freiräumen, wird klar: Angie ist in Bruck.

Unter grünen Kränzen drängt sich am Samstag unter dem wabenförmigen Holzdach der Marthabräuhalle alles, was Rang und Namen hat. Der Landrat nebst Stellvertreter, der amtierende OB Klaus Pleil, Bayerns Brauereibundchef Lothar Ebbertz, die "Hochfinanz" der Bankenszene, wie es Moderator Stefan König nennt, viele Stadträte, SPD-Landtagsabgeordneter Herbert Kränzlein und natürlich die OB Kandidaten - nur der parteifreie Thomas Lutzeier musste absagen. Bierkönigin Sabine-Anna Ullrich vertritt Hausherr Luitpold Prinz von Bayern, der auf einer Familienfeier im Ausland weilt. Viele der etwa 350 Besucher, die sich auf den Bierbänken drängen, sind in Tracht gekommen Sie sehen einen Zweikampf im Anzapfen zwischen Landrat Thomas Karmasin und dem Zweiten Bürgermeister Erich Raff. Beide dreschen drauf los. Die erste Reihe verliert im Nebel der Bierdusche den Überblick. Die beiden CSU-Mannen einigen sich auf ein gefühltes Unentschieden. Als die Holzkirchner Blasmusik die Bayernhymne anstimmt und sich alle erheben, fällt hinten die erste Bierbank um.

Beste Bedingungen für Krüglredner Wolfgang Ober, der sich eine Brauereischürze umgebunden hat, um sich die Brucker Politiker vorzuknöpfen. Er wundert sich erst mal, dass nur der Stockinger Schorsch von den Freien Wählern übrig geblieben ist von den gescheiterten Kandidaten des Wahljahrs 2014. Kein Wollenberg, kein Lämmle. Auch kein Lohde - der "liabe Anderl" wolle sich lieber Zeit nehmen für seine Doktorarbeit, obwohl er als Lehrer doch Zeit genug habe. Nicht mal eine Karin Geißler, deren Verzicht nun die Frauenquote auf die Nullmarke sinken lässt, tritt an. Immerhin, der Stockinger. Ober hält es für plausibel, dass bei dem der Ökonom durchdringt - könne er doch die Wahlplakate aus seinem Keller wiederverwenden. Da wäre alsdann der Thomas Lutzeier. Dessen Slogan "Mehr für Bruck" klinge wie Fürstenfeldbruck First. "Werd'n Sie vielleicht der neue Amper-Trump, der Tr-Amper, der OB von First-enfeldbruck?" fragt Ober. Der muss aber erst mal seine 215 Unterschriften zusammenbekommen. Ebenso wie Florian Weber, der sich wieder seine beste rote Krawatte umgebunden hat. Nur für drei Jahre wolle der antreten. Das könne man bei dem Stillstand rund um Viehmarktplatz und Lichtspielhaus als weitere kleine Werbeunterbrechung ja durchstehen, so Ober. Nach gefühlten hundert Jahren Sepp Kellerer könnte es aber nun ja auch ein Doktor werden: Martin Runge, der für Grüne und BBV antritt. Sollte der von Gröbenzell nach Bruck ziehen, würde sich der Wohnungsmangel noch verschärfen. Bleiben ein schnell aus der Haut fahrender Erich Raff von der CSU und SPD-Amperpronold Philipp Heimerl, dessen 23-seitiges Wahlprogramm spätestens von Seite elf an wie ein Schlafmittel wirkt.

Als Wachmacher bietet sich das Brucker Brettl an, das eigens fürs Starkbierfest einen Einakter einstudiert hat, der in einer Irrenanstalt spielt und in dem sich herausstellt, dass es jener Herr Gerngroß (Georg Tscharke) ein guter Zirkusdirektor wäre und es deshalb mit den sechs potenziellen OB-Kandidaten locker aufnehmen kann. Angela Merkel alias Antonia von Romatowski setzt dem Spuk ein Ende. Ihr Blick, begleitet von Kanzlergestik, schweift weit über die Brucker Niederungen hinaus auf Söder und die Welt. "Hallo Volk", sagt sie mit leicht sächselnder Kanzlerinnenstimme. Später dürfen Selfies mit ihr gemacht werden - unter dem Schriftzug "Kräftig, süffig, dunkel". Wer die Politik noch mehr verinnerlichen will, der nimmt sich am Ausgang eine Flasche Kanzlerinnen-Festtagsbier mit, dessen Etikett mit Merkel-Double-Konterfei und Schriftzug "Wir schaffen das" die Brauerei exklusiv fürs Starkbierfest entworfen hat.

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