Sparen an der Jugendhilfe:Erziehung unter Zeitdruck

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Der Landkreis Fürstenfeldbruck streicht Sozialpädagogen-Stunden für Kinder mit Entwicklungsproblemen.

Heike A. Batzer

Der Landkreis Fürstenfeldbruck versucht, an der Jugendhilfe zu sparen. Im vergangenen Jahr gab das Jugendamt für ambulante Erziehungshilfen nicht einmal zwei Drittel der veranschlagten 2,8 Millionen Euro aus, mehr als eine Million Euro blieb übrig. Die Sozialeinrichtungen, die die Leistungen erbringen, sehen die Entwicklung mit Sorge. Seit Jahren stöhnen Kreispolitiker über steigende Kosten für die Jugendhilfe. Weil es sich dabei um Pflichtleistungen handelt, können sie eine Bewilligung nicht verweigern. "Jeder, der Hilfe nötig hat, bekommt sie auch", betonte Kreisjugendamtsleiter Peter Schmelzer jüngst im Jugendhilfeausschuss des Kreistags, räumte aber auf Nachfrage eine "Bandbreite" und ein "Entscheidungsspektrum" bei der Leistungsgewährung ein. Landrat Thomas Karmasin (CSU), als eifriger Kritiker des Jugendhilfegesetzes bekannt, bemühte den Markenvergleich aus der Automobilindustrie, um seine Anweisung an das Jugendamt zu bekräftigen, "dort, wo es geht, mit einem 5er-BMW zufrieden zu sein". Die Maßnahmen der Jugendhilfe hatte er zuvor als "Porsche-Leistungen" bezeichnet. 16,8 Millionen Euro gab der Landkreis 2011 für die Jugendhilfe insgesamt aus und hielt damit die vorab veranschlagte Summe exakt ein. Mehrkosten verursachten die steigende Zahl von Inobhutnahmen, die sogenannten Eingliederungshilfen und die Heimunterbringung. Dennoch reichte das Budget am Ende aus, auch weil im ambulanten Bereich gespart wurde. Bei den sozialpädagogischen Familienhilfen, die Familien bei der Kindererziehung, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen und der Lösung von Konflikten unterstützt, wurde nur wenig mehr als die Hälfte des Budgets verbraucht, bei den sogenannten Erziehungsbeiständen, die vor allem Kindern und Jugendlichen bei Entwicklungsproblemen helfen sollen, nur rund zwei Drittel. Und das, obwohl die Zahl der Fälle gegenüber dem Vorjahr lediglich um zwanzig Prozent sank. Das Jugendamt machte dabei von der Möglichkeit Gebrauch, den betroffenen Jugendlichen und Familien weniger Fachleistungsstunden zu gewähren und bei bestimmten, mehrere Monate dauernden Maßnahmen eine ein- oder zweimonatige Pause zu verordnen. Seit Juli 2011 wird für bestimmte Maßnahmen nur noch ein bestimmtes Stundenkontingent bewilligt. "Das führt zu einer Entpädagogisierung", befürchtet Rolf Regul, der für die Arbeiterwohlfahrt im Jugendhilfeausschuss sitzt: "Wir kommen aber nicht als Ingenieure. Unsere Arbeit ist auch Beziehungsarbeit und braucht Zeit." Auch das Diakonische Werk Rosenheim, das die Flexible Jugendhilfe Fürstenfeldbruck betreibt, berichtet in seinem Jahresbericht 2010/2011 von massiven Einsparungen bei der Weiterbewilligung sowie der Deckelung bei der Neugewährung von Hilfen im Landkreis Fürstenfeldbruck. Kündigungen konnte die Einrichtung nur vermeiden, indem sie befristete Verträge nicht verlängert oder freie Stellen nicht nachbesetzt hat. Für 2012 bewilligte der Ausschuss nun einen Jugendhilfeetat von 17,8 Millionen Euro. Landrat Karmasin hatte den Ansatz zuvor pauschal um 200 000 Euro gekürzt. Karina Werner (SPD) wollte das rückgängig machen, fand aber bei sechs gegen acht Stimmen keine Mehrheit dafür.

© SZ vom 02.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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