Segeltörn:Auf einer Nussschale um die Welt

Segeltörn: Die 1969 in den Niederlanden auf Kiel gelegte Abraxas ist mit 1,40 Meter Tiefgang und einer Länge von knapp zehn Metern ziemlich klein.

Die 1969 in den Niederlanden auf Kiel gelegte Abraxas ist mit 1,40 Meter Tiefgang und einer Länge von knapp zehn Metern ziemlich klein.

(Foto: Blasberg/oh)

Stefan Blasberg aus Fürstenfeldbruck will einmal um die ganze Welt segeln. Nach neun Monaten ist er in Brasilien angelangt - und hat zahlreiche Hindernisse überwunden.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Eine Nierenkolik hat das geschafft, was all die Stürme der zurückliegenden Monate nicht vermochten: Sie hat Stefan Blasberg förmlich umgeworfen. So wie es aussieht, muss er die Sache selbst in den Griff bekommen. Der 45-Jährige ist das gewohnt. Luftlinie 8381 Kilometer von seiner Heimatstadt Fürstenfeldbruck entfernt ist er in der Millionenstadt Salvador de Bahia an der Küste Brasiliens gestrandet. Hinter ihm liegt ein abenteuerlicher Segeltörn auf einem Einmaster. Vor ihm liegt der Rest der Welt.

Segeltörn: undefined

Im Sommer startete er in Griechenland, einem Zickzackkurs durchs Mittelmeer folgte die Atlantiküberquerung. Er überstand meterhohe Brecher. Nun aber erwischte es Stefan Blasberg ausgerechnet, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Nach einer Odyssee durch überfüllte und überforderte Provinzkrankenhäuser hat er erkannt, dass die Therapie-Ratschläge und Genesungswünsche, die ihm seine um die Welt verstreuten Freunde via Internetblog schicken, eher helfen als Ärzte, die zwar die Hand aufhalten, sich aber kaum blicken lassen. Zur Seite steht dem gebürtigen Brucker auch sein guter Freund Aleko, der ihn auf der Reise in einem eigenen Segelboot begleitet.

Die Eltern fiebern daheim mit - tun können sie nichts

In einem adretten Häuschen am Wittelsbacherplatz in Fürstenfeldbruck fiebern Reni und Gert Blasberg mit. Die Eltern von Stefan wissen, dass sie nichts tun können. Aber sie wissen auch, dass ihr Sohn bisher alle Untiefen des Lebens gemeistert hat. Stefan Blasberg will einmal um die ganze Welt segeln. Viel Geld hat er nicht, dafür etwas weitaus Wertvolleres im Übermaß: Zeit. Und deshalb wird er sich auskurieren und dann über kurz oder lang seinen Weg fortsetzen Richtung Pazifik. Im Arbeitszimmer seiner Eltern steht ein beleuchteter Globus. Mit dem Finger fahren Reni und Gert Blasberg darauf die Reiseroute ab und erzählen vom großen Traum ihres Sohns. "Schon als kleiner Steppke, mit vier oder fünf Jahren, hat er gesagt: Ich segle mal um die Welt, ihr werdet es schon sehen", erinnert sich die Mutter.

1971 trat die ganze Familie erst einmal eine andere Reise an: Die Arbeit hatte den heute 71 Jahre alten Gert Blasberg aus Berlin nach Fürstenfeldbruck geführt. Stefan besuchte die Grundschule West und später eine Realschule im Landkreis Starnberg. Ihn und seine Schwester Anja zog es in die Ferne. Nach einem kurzen Intermezzo in Berlin reiste das damals um die 20 Jahre alte Geschwisterpaar nach Griechenland. Stefan verdiente sich den Lebensunterhalt mit dem Ausbau von Häusern. In einem davon wohnte er im Badeort Milina, hundert Kilometer nördlich von Athen, im Gegenzug mietfrei. Auch als seine Schwester nach sieben Jahren nach Deutschland zurückkehrte, blieb Stefan dort - mittlerweile lebt er seit 25 Jahren in Griechenland. In den Wintermonaten kommt er aber meistens nach Fürstenfeldbruck, um sich Geld für sein freies Leben am Meer zu verdienen.

Segeltörn: Vor einigen Jahren segelten die Eltern selbst mit - gemeinsam mit Stefan (sitzend) und einigen Freunden ging es durch die Ägäis.

Vor einigen Jahren segelten die Eltern selbst mit - gemeinsam mit Stefan (sitzend) und einigen Freunden ging es durch die Ägäis.

(Foto: oh)

Stefan ist früher häufig mit der Jolle der Familie auf dem Wörthsee gesegelt. "Wahrscheinlich hat er damals schon Blut geleckt", vermutet sein Vater. Irgendwann jedenfalls kauft er dieses marode Kajüt-Segelboot: die Abraxas. Er entkernt sie, baut sie völlig neu auf und startet immer mal wieder mit der Yacht für drei oder vier Wochen in die Ägäis. 2013 kommt er bis Kreta. Dann trifft er gemeinsam mit seinem guten griechischen Freund Aleko die Entscheidung, den lange gehegten Traum in die Realität umzusetzen. Auch Aleko ist ein richtiger Segelnarr und hat einen betagten Einmaster: die Beduin, Baujahr 1964. Anfang August legen sie ab und lassen sich vom Wind forttragen.

Heftiger Gegenwind, riesige Wellen, gefährliche Frachtcontainer

Es geht südlich um den Pelopones nach Malta und Gozo, weiter nach Linosa, nördlich der Flüchtlingsinsel Lampedusa, dann vom tunesischen Monastir quer übers Mittelmeer nach Mallorca. Sieben Tage und Nächte dauert diese Überfahrt, die erste anstrengende Etappe. Den beiden Reisenden schlägt ein ordentlicher Wind entgegen. Und wegen der viel befahrenen Schifffahrtsroute und verlorenen, kaum sichtbar im Wasser treibenden Frachtcontainern wagen sie kaum zu schlafen. In Ibiza nimmt Stefan einen Freund aus Jugendtagen an Bord, auch Aleko hat einen Passagier auf Zeit - bis zum spanischen Malaga.

Nach zwei Monaten erreichen sie Marokko. Erstmals müssen Stefan und Aleko Lehrgeld bezahlen. Eigentlich wollten sie "einen langen Schlag bis nach Rabatt segeln". Heftiger Gegenwind und riesige Wellen lassen sie erkennen, dass sie mit ihren Nussschalen gegen die Naturgewalten nichts ausrichten können. In einem kleinen Fischernest müssen sie geschlagene acht Tage ausharren, denn Westwind, Tiden und Strömungen lassen den Hafen zur Mausefalle werden.

"Möglichst weit weg von Städten und Konsumwahn"

Über Casablanca geht es dann doch weiter nach Essaurira, die Stefan Blasberg als "unvergessliche, wunderschöne, uralte Stadt" in Erinnerung behält. Dort treffen sie Dilek aus der Türkei, die ebenfalls einhand mit einer Neun-Meter-Segelyacht unterwegs ist - von Istanbul auf dem Weg in die Karibik. Später hören sie, dass Dilek ihr Boot kurz nach den Kapverden nach einem Ruderbruch aufgeben musste und von einem Frachtschiff an Bord genommen wurde. Auf Lanzarote bekommen die beiden Freunde einen Einblick in die Seglerszene: Jung oder alt, mit kleinem oder großen Boot - alle eint nach Stefans Worten "die Sehnsucht nach dem Meer, der Freiheit und einem einfachen Leben nahe an den Elementen und der Natur, möglichst weit weg von Städten und dem allgegenwärtigen Konsumwahn".

Ende November geht es in sieben Tagen und Nächten auf die Kapverden. Stefans Segel reißt, die Elektronik fällt aus, schließlich bricht auch noch das Ruder der Windsteueranlage ab. Auf einer der Inseln wird Stefan von Straßendieben ausgeraubt. Aber viel zu erbeuten gibt es nicht, vor allem kommt er mit heiler Haut davon. Das Glück bleibt ihm auch hold, als es ihn vor der Insel Fogo ordentlich durchschüttelt - er hat einen schlafenden Wal gerammt. Dann endlich liegt der Atlantik vor ihnen: zwölf Tage und 2400 Kilometer, ein über Bord gehender Spinnakerbaum, eine zerrissene Fock und ein zerrissener Spinnaker, der sich kurz vor Erreichen des Äquators in der Schraube verhängt - mit einem Messer in der Hand taucht Stefan unters Boot. "Etwas mulmig" sei ihm da schon gewesen, räumt er ein.

Bruck: WELTUMSEGLER - Gert Blasberg + Frau

Reni und Gert Blasberg verfolgen auf dem Globus regelmäßig die Reiseroute ihres Sohnes.

(Foto: Johannes Simon)

Es ist die Zeit des Bangens für seine Eltern. "Nachrichten gibt es immer nur aus Häfen, wir haben deshalb schon mitgezittert", sagt sein Vater. Immerhin hat Stefan ihnen versichert, auf der Reise Piratengebiete großräumig zu umfahren. Wenn Gert Blasberg an die Fernseh-Dokumentation über die Weltumseglerin Heike Dorsch denkt, deren Mann auf einer Südseeinsel ermordet worden ist, dann wird ihm schon mulmig. Aber die Eltern wissen, dass Stefan "ein Glückskind" ist und trauen ihm viel zu.

Die Freude ist riesig, als sich Stefan aus Brasilien meldet. Hinter den beiden Seenomaden liegen 11 500 Kilometer, vor ihnen Uruguay, Argentinien, die Passage über Patagonien in den Pazifik und gewiss abenteuerliche Monate. Weitere Gewissheiten gibt es nicht - das gehört zum Projekt.

Wer die Reise von Stefan Blasberg unterstützen will, kann Verbindung mit ihm aufnehmen über die Homepage www.alekistan.com. Die SZ wird weiter in lockerer Folge über den Fortgang der Weltumseglung berichten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: