Schöngeising:Ein Findelkind mausert sich

Jexhof

Dieser Bauernhof mit komplettem Inventar vom Ende des 19. Jahrhunderts war zum Abriss bestimmt. Dann pachtete der Landkreis das marode Gebäude für 100 Mark im Jahr. In drei Jahrzehnten entwickelte sich daraus ein Museum mit vielen Veranstaltungen und Ausstellungen.

(Foto: Günther Reger)

Das Bauernhofmuseum Jexhof feiert seinen 30. Geburtstag. Dem Landkreis fiel die Kultureinrichtung eher zufällig in den Schoß - und war anfangs nicht gerade erwünscht

Von Gerhard Eisenkolb, Schöngeising

Mit Fürstenfeld, der Furthmühle, der Brucker Bibliothek in der Aumühle, dem Olchinger Kom und den Stadthallen in Germering und Puchheim ist der Landkreis reich an außergewöhnlichen Orten, an denen sich im Laufe der Jahre ein ebenso außergewöhnliches kulturelles Leben entwickelte. Wenn der Jexhof an diesem Donnerstag den 30. Geburtstag feiert, tut er das nicht mehr als das, was er in der Anfangszeit war. Nämlich als nostalgisch angehauchter Ort mit einem reinen Landwirtschaftsmuseum, in dem die Relikte einer längst vergangenen bäuerlichen Kultur gesammelt und ausgestellt werden. Der Jexhof hat sich kontinuierlich weiter entwickelt zu einem Kultur- und Lehrzentrum, in dem man vom Spinnen bis zum Korbflechten oder Dengeln viele der Kulturtechniken erleben und erlernen kann, die vor zwei bis drei Generationen in der Region noch selbstverständlich waren.

Aber nicht nur das. Der Jexhof ist nicht mehr nur der Ort, an dem wie bei Erntedankfesten das Brauchtum der Altvorderen gepflegt wird. Inzwischen ist der idyllisch gelegene Hof auch eine Bühne für Theateraufführungen, Musikdarbietungen, Lesungen und vor allem immer wieder anspruchsvolle Sonderausstellungen geworden, die Besucher aus der ganzen Region anziehen. Und damit ist er, was am Anfang bestimmt nicht intendiert war, das älteste und damit erste Kulturzentrum im Landkreis geworden. Lange vor dem Bau der modernen Stadthalle Germering oder der Wiederherstellung des fürstlichen brocken Gesamtkunstwerks in Fürstenfeld mit der Vollendung des Veranstaltungsforums der Kreisstadt.

Das breite Spektrum des kulturellen Angebots im Jexhof ist erst mit der Zeit dazugekommen. Und mit etwa 25 000 Besuchern im Jahr, es waren auch schon mal 32 000, spielt das etwas abgelegene Kulturzentrum in der mittleren Liga der Kultureinrichtungen in Bayern. Durch diesen Erfolg ist der ehemalige Bauernhof zu etwas geworden, was auf vielfältige Weise Lebensqualität und damit Identität mit dem Lebensumfeld zu stiften vermag. Und damit auch ein wichtiger, von der Wirtschaft geschätzter "weicher Standortfaktor". So ist es kein Zufall, dass vor 15 Jahren eine Sonderausstellung über Räuber Kneißl, den bayrischen Hias und andere Räuber bayernweit ausstrahlte. Zum Erfolg trägt auch der Ort selbst bei. Kreisheimatpfleger Toni Drexler, der das Museum elf Jahre leitete und in dieser Zeit dessen kulturelle Vielfalt zielstrebig ausbaute, umschreibt das Geheimnis des Jexhofs liebevoll mit dessen Ausstrahlung. Er sei ein Ort, "an dem man Wurzlen finden kann", sagt er. Weil man dort also verortet ist, fühle man sich auch als Fremder wohl.

Dass das kleine Museum so gut dasteht, wie es sich zum Jubiläum präsentiert, ist alles andere als selbstverständlich. Am Anfang stand eine teilweise belächelte private Initiative von Idealisten, der erst später ein großes Engagement von Kulturschaffenden folgte. Und, wie so oft im Landkreis, kommt als weiteres Element das segensreiche, wenn auch nicht immer reibungslosen Zusammenspiel von Bürgerengagement und öffentlicher Hand hinzu.

Die öffentliche Hand finanzierte, bis auf eine Ausnahmezeit, in der die Bürgerstiftung für den Landkreis als Finanzier einsprang, die Museumsleitung, die eine Struktur schuf und wissenschaftliche Ansprüche in die Arbeit einbrachte. Das ist die Grundlage für die museumspädagogische Arbeit und die ergänzende Arbeit des inzwischen 600 Mitglieder zählende Jexhof-Fördervereins. Es ist ein Glücksfall, dass Günter Mayr, der zurzeit Vorsitzender des Fördervereins ist, aus der Kulturarbeit kommt. Er leitete Bürgerhäuser und Stadthallen, zuletzt die in Germering, ist Theaterspieler und ausgebildeter Sänger. Er versteht es also vor und hinter Bühnen zu agierenund ist auch noch sehr umtriebig.

Denn eigentlich, und das war der alles andere als hoffnungsvolle Ausgangspunkt für die Gründung, stand es nie auf der Agenda des Landkreis, ein solches Museum zu betreiben. Gescheut wurde vor allem das finanzielle Engagement, ist doch ein solches Museum eine freiwillige Leistung und keine Pflichtaufgabe. Geld ausgeben für ein dauerhaftes Kulturprojekt, das braucht es nicht, lautete vor 30 Jahren die landläufige Meinung im Kreistag. Entsprechend groß war der Widerstand, sich des unerwünschten Findelkinds anzunehmen. Der Kampf um eine ausreichende finanzielle Ausstattung zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch die vergangenen Jahrzehnte.

Also mussten der Initiator, der spätere Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister Sepp Kellerer und dessen Unterstützer tricksen, um im Kreistag eine Mehrheit für ihr Jexhof-Projekt zu bekommen. Bei einer Jahrespacht von anfangs nur hundert Mark und einem Förderverein, der sich gewaltig ins Zeug legte und vieles übernahm, vorgesehen war ursprünglich nur eine ehrenamtliche Leitung, war der zum Abriss bestimmte Bauernhof mit kompletten Inventar vom Ende des 19. Jahrhunderts so billig zu haben, dass es unmöglich war, ein solches Geschenk aus finanziellen Erwägungen abzulehnen. Am Anfang waren zudem viele überzeugt, ein solches Museum könnte ehrenamtlich geführt werden. Was das Billig-Museumsprojekt begünstigte war noch etwas anderes. Kurz zuvor platzten die Pläne eines Vereins, im damals zum Verkauf stehenden Schloss Weyhern für die Landkreise Aichach-Friedberg, Dachau und Fürstenfeldbruck ein überregionales Kulturzentrum zu schaffen.

Ein Museumskonzept, das heutigen Ansprüchen genügen würde, gab es in der Jexhof-Anfangszeit nicht. Es wurde improvisiert. Im Mittelpunkt stand das Sammeln von landwirtschaftlichen Geräten, also von altem Geraffel, das Landwirte nicht mehr brauchten. Auch diese Zeit ist vorbei. Inzwischen liegen so viele Dinge in den Depots, dass sie als Last empfunden werden. Es soll entrümpelt werden, eine Kernsammlung soll genügen, heißt es. So wünscht sich denn auch Kreiskulturreferentin Cristina Claus, dass es unter der Leitung von Reinhard Jakob mit dem Jexhof weiter aufwärts geht. Schließlich ist mit der Verlängerung des Pachtvertrags der Bestand für weitere fünfzig Jahre gesichert.

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