Schöngeising:Asylpolitik an der Basis

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Gemeinderäte aus Schöngeising und Lallio diskutieren über die Aufnahme von Flüchtlingen. Dabei wird deutlich: Hier sowie in Italien schultern ehrenamtliche Helfer einen Großteil der Arbeit

Von Manfred Amann, Schöngeising

Kaum ein Ereignis in der Geschichte hat die Europäische Gemeinschaft und die Solidarität ihrer Mitgliedsländer bislang mehr herausgefordert als der Zustrom von Asylbewerbern. Auch in den Gemeinden Schöngeising und Lallio sieht man das so. Deswegen haben sich Kommunalpolitiker aus den beiden Partnergemeinden am Samstag zu einer gemeinsamen Sitzung getroffen. Der Schöngeisinger Bürgermeister Thomas Totzauer und sein Amtskollege Massimo Mastromattei aus der oberitalienischen Partnergemeinde Lallio sind sich einig, dass das Flüchtlingsproblem auch nur europäisch zu lösen ist.

In beiden Gemeinden werden bereits Vorkehrungen getroffen, um im Rahmen der Möglichkeiten den Neuankömmlingen ein neues, menschenwürdiges Zuhause bieten zu können, wenngleich die Voraussetzungen und auch die Vorgehensweise unterschiedlich sind. Nach der gemeinsamen Sitzung, in der Anneliese Spörl und Barbara Frattino übersetzten, hieß es, dass die wechselseitigen Begegnungen von Ortspolitikern, die laut Partnerschaftsurkunde "einen aktiven Beitrag zum Aufbau eines geeinten, friedlichen Europas und zur Sicherung des Weltfriedens" leisten sollen, das gegenseitige Verständnis fördern und jeder vom anderen lernen könne.

Erfahrungsaustausch: Gemeindepolitiker aus Schöngeising und Lallio bei der gemeinsamen Sitzung. (Foto: Günther Reger)

Bei den etwa 25 Zuhörern, darunter auch Totzauers Vorgänger im Amt, Marianne Hofmuth und Johann Braumiller, ließ die Anmerkung des Bürgermeisters aus Lallio aufhorchen, dass es in der italienischen Bevölkerung einen nicht zu unterschätzenden Widerstand gegen die Aufnahmepolitik der Regierung gibt. Dazu sagte Fritz Wiltawsky, der mit seiner Frau Christa die Gemeindepartnerschaft vor gut 15 Jahren eingefädelt hat, dass es "leider auch bei uns solche Strömungen" gebe. "Viele fürchten, dass ihnen nach einer soeben erst überstandenen Wirtschaftskrise Arbeitsplätze und Wohnungen weggenommen werden", erklärte Mastromattei.

Totzauer informierte die Besucher aus Lallio über die schwierige Lage in München und in Fürstenfeldbruck sowie über Verteilungsabsprachen der Bürgermeister im Landkreis, nach denen Schöngeising bis Ende des Jahres 43 Asylbewerber unterbringen muss. Man habe versucht, leer stehende Häuser und Wohnungen zu finden, um eine bessere Integration zu ermöglichen. "Ich fürchte aber, dass es nicht gelingen wird, alle Flüchtlinge dezentral unterzubringen", sagte Totzauer. Daher müsse man überlegen, auf welchen Grundstücken Sammelunterkünfte eingerichtet werden können. Derzeit seien acht Flüchtlinge in zwei Häusern untergebracht, und die würden dank eines sehr engagierten Helferkreises bestens betreut, lobte der Rathauschef.

Lallio musste bislang noch keinen Asylbewerber aufnehmen. Auch gibt es noch keine Zahl, wie viele zu erwarten sind. Momentan werde jedoch darüber beraten, nach welchen Kriterien die Aufteilung in der Präfektur (Bezirk) mit 38 Kommunen erfolgen soll, hieß es. Wie die zuständige Referentin der Partnergemeinde, Manuela Cividini, anführte, wird auch in Italien ein Schlüssel zur Verteilung herangezogen, der auf Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft basiert. Um die Unterbringung und die Betreuung kümmern sich in erster Linie aber soziale Einrichtungen wie die Caritas, die gut miteinander vernetzt sind. Sie organisieren auch die Sprachausbildung. "Das ist aber viel zu wenig", sagte Cividini. Privatunterricht wie im Landkreis wird kaum vermittelt und es gibt auch keine Übergangsklassen. "Wir sind der Ansicht, dass Kinder in Mischklassen schneller die Sprache lernen und integriert werden, als wenn sie abgesondert lernen müssen", befand die Asylreferentin - eine Ansicht, die auch Totzauer teilte.

Im Raum Bergamo sei eine Menge hilfsbereiter Menschen vorhanden, die sich in verschiedenen Funktionen einbringen, privat organisierte Helferkreise wie in Deutschland gebe es aber kaum, sagte Cividini. In der Provinz Bergamo, zu der Lallio gehört, sei nun ein Pilotprojekt gestartet worden, das zum Ziel habe, von Asylbewerbern kleine Arbeiten wie Straßenreinigung oder Pflanzungen verrichten zu lassen, weil dies "sehr integrationsfördernd" sei. Wer nicht als Asylbewerber anerkannt werde, könne sich maximal noch fünf Tage in Italien aufhalten. Danach könne er bis zur Abschiebung (höchstens 18 Tage) inhaftiert werden, hieß es.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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