"Schlag 7" im Amadeussaal:Überraschend neu

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Die vier Musiker sind Mitglieder der Münchner Philharmoniker und lassen die Besucher in eine unbekannte Welt abtauchen. (Foto: Günther Reger)

Spannendes Konzert mit vier Schlagzeugern

Von Klaus Mohr, Germering

Es gibt seit Jahren keine innovativere Instrumentengruppe als die der Schlagzeuger. Wer in ein derartiges Konzert geht, sucht immer die Begegnung mit dem Neuen, lässt sich gerne überraschen und verzaubern. Das galt auch für den Abend mit "Schlag 7", im fast voll besetzten Amadeussaal der Stadthalle stattfand. "Schlag 7" bezieht sich allerdings nicht darauf, dass es sieben Schlagwerker sind, die da auftreten, sondern war vor Jahren ein Verlegenheitstitel, der sich aus der Uhrzeit des Konzertbeginns ableitete. Die vier Schlagzeuger des Ensembles, Sebastian Förschl, Stefan Gagelmann, Jörg Hannabach und Michael Leopold, sind allesamt Mitglieder der Münchner Philharmoniker. Die Kompositionen von Steve Reich, die sich wie ein roter Faden durch den Abend zogen, gehören - obwohl erst wenige Jahre oder Jahrzehnte alt - zu den Klassikern der Schlagzeugszene.

Eines war der Konzertabend in Germering nicht, nämlich laut bis sehr laut. Vielmehr nutzten die Musiker die intimere Atmosphäre des Amadeussaals, um auch experimentelle Ansätzen umzusetzen. Bei einem Stück jonglierte ein Schlagzeuger im fast vollständig abgedunkelten Saal mit einem Leuchtstab, dessen pantomimische Bewegungen den rhythmischen Impulsen einer Tonbandeinspielung folgten. Die Prägnanz, mit welcher Klang und Pantomime synchronisiert waren, kann man nur als höchst beeindruckend bezeichnen. Im zweiten Teil gab es das Stück "Musique de tables" von Thierry de Mey, bei dem drei Schlagzeuger nebeneinander saßen, die jeweils ein kleineres waagrechtes Brett vor sich hatten. Die unterschiedlichen Berührungen der Flächen wurden verstärkt und somit den Zuhörern zugänglich gemacht. Die Klänge waren durch Gesten erweitert, so dass zusätzlich eine Art Choreografie der sechs Arme und Hände entstand.

Präzision und Durchhaltevermögen waren auch sonst die beiden Parameter, die das ganze Programm beherrschten: Dabei gerieten die Grenzen zwischen der "handgemachten Aktion" und den Möglichkeiten elektronischer Computermusik auf den ersten Blick fließend. Wer die Stücke von Steve Reich auf ihre Bestandteile reduziert, erkennt relativ simple Bausteine, die in dieser "Minimal music" Patterns heißen. Die unnachahmliche Komplexität entsteht aus der Schichtung und Verschiebung der Patterns gegeneinander, was auch die Spannung erhöht. Und genau an dieser Stelle unterschied sich das virtuose Spiel der Schlagzeuger von jeder Maschine: Durch das Zuhören und das Reagieren auf die Partner entstand eine Vitalität, die kein Computer realisieren kann. Das machte auch den fesselnden Reiz aus, der das Publikum hier im Sehen und Zuhören in seinen Bann zog. Dabei war es hilfreich, dass die Musiker ihr Publikum im Sinne eines Werkstattgesprächs nicht nur einen Blick in den Erarbeitungsprozess solcher Werke werfen ließen, sondern durch das Klatschen einzelner Patterns auch einbezogen.

In einem Stück der zweiten Konzerthälfte stand die melodische Führung über dem rhythmischen Verlauf, weil durch das Vibrafon jazz-orientierte Klänge dominierten. Doch auch hier stand der musikantische Zugriff im Mittelpunkt, so dass sich alle vier Schlagzeuger in wunderbarer Balance klanglich austarierten.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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