Reisebericht eines Einhand-Weltumseglers aus Fürstenfeldbruck:Vor dem Sprung in den übernächsten Tag

Stefan Blasberg erreicht Tahiti - kurz hinterm Horizont liegt die Datumsgrenze. Zuvor verfolgt er die Krönung der Osterinsel-Königin und feiert mit beim Tapati-Rapa-Nui-Fest

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Es ist ein Vagabundenleben. Hart. Entbehrungsreich. Und doch so bereichernd, dass der gebürtige Fürstenfeldbrucker Stefan Blasberg noch keinen Tag bereut hat, seit er sich im Sommer 2014 von Griechenland aus aufmachte, die Welt zu erkunden - damals noch gemeinsam mit seinem Reisegefährte Aleko Stephan. Den Globus umrundet hat er nicht in 80 Tagen und auch die 800-Tage-Marke liegt längst hinter ihm. Zeit spielt ohnehin eine untergeordnete Rolle. Der Weg ist das Ziel. Deswegen lässt es ihn völlig kalt, dass ihm in Kürze ein Tag abhanden kommen wird. Einfach so. Denn am Horizont nähert sich die Datumsgrenze. Passiert er diese, kann er an einem Tag gleich das zweite Kalenderblatt abreißen. Blasbergs Weg führt in einer Nussschale über die Weltmeere. Etwa die Hälfte der Distanz hat der Einhandsegler hinter sich gebracht. Jüngst erreichte er eine Traumdestination wie aus dem Bilderbuch: die Osterinsel.

Ausgangspunkt für diese Etappe ist die nicht weniger exotische Robinsoninsel, die Daniel Defoe in seiner Erzählung von Robinson Crusoe und seinem Helfer Freitag weltberühmt gemacht hat. Auf der Isla Robinson verbringt Blasberg mehr als drei Wochen - nicht nur um Abraxas nach der Kenterung ein paar Tage zuvor wieder auf Vordermann zu bringen und im Fluss und am Strand das Salzwasser aus den Polstern und Klamotten zu waschen. Die wunderschöne, waldige und bergige Landschaft schlägt ihn in den Bann, ebenso wie die sehr herzlichen und offenen Menschen. Der 47-Jährige besteigt fast jeden Berg und genießt atemberaubende Aussichten. Fischer laden ihn zum Hummer ein, für den die Insel berühmt ist. Zudem packen sie mit an bei der Überholung des angeschlagenen Einmasters Abraxas.

Reisebericht eines Einhand-Weltumseglers aus Fürstenfeldbruck: Spalier stehen für die Abraxas und den multitaskingfähigen Mann, der Kapitän, Steuermann, Smutje und Schiffsjunge in Personalunion ist: Stefann Blasbergs Segelyacht Abraxas ankert in Sichtweite zu den berühmten Steinskulpturen der Moai im Nationalpark Rapa Nui.

Spalier stehen für die Abraxas und den multitaskingfähigen Mann, der Kapitän, Steuermann, Smutje und Schiffsjunge in Personalunion ist: Stefann Blasbergs Segelyacht Abraxas ankert in Sichtweite zu den berühmten Steinskulpturen der Moai im Nationalpark Rapa Nui.

(Foto: stefan blasberg)

Dann geht es auf die bisher längste Strecke zur Osterinsel, fast 2000 Seemeilen oder 3500 Kilometer, drei Wochen nur Meer, Wind oder Flaute - "Nur ich und mein Boot in unendlich blauer Weite", schreibt Blasberg, eine glückliche Zeit auf See und ein Gefühl von grenzenloser Freiheit." Vergessen sind Weihnachten und Silvester, an denen sich kurz ein Gefühl der Einsamkeit breitmachte, gemischt mit Heimweh.

Rapa Nui empfängt den Weltenbummler mit strömendem Regen, scheußlichem Wind und kaum Sicht. Und doch ist es ein unbeschreibliches Gefühl, nach drei Wochen den "Nabel der Welt", wie die Einheimischen ihre Insel liebevoll nennen, erreicht zu haben. Die Ankerverhältnisse dort sind alles andere als optimal, kein Hafen und immer riesige Wellen aus dem unendlichen Pazifik, die die Boote rund um die Uhr heftig rollen lassen. An Land zu kommen durch all die Brecher ist ein nicht ungefährliches Abenteuer. Das alles weiß man natürlich vorher und kaum eine Yacht bleibt deshalb mehr als zwei Wochen. Aber Blasberg ist eben auch nicht irgendjemand. Er bleibt zwei Monate und nimmt doch schockiert zur Kenntnis, dass in dieser Zeit die gewaltige Brandung drei Menschenleben fordert.

Blasberg trifft alte Freunde, die er in Uruguay kennen gelernt hat, leiht sich von ihnen ein Mountainbike und eine Enduro aus. "Sie zeigten mir diese unglaublich faszinierende Insel mit dieser seltsam magischen Energie und den unvergesslichen Moais. Dazu hatte ich das Glück, dass in dieser Zeit die große Tapati Rapa Nui stattfand, eine zweiwöchige Party mit viel Musik, Tanz, Folklore und den unglaublichsten Wettbewerben." Es gibt Ruderregatten, Schwimm-und Reitwettbewerbe, einen unvergesslichen Triathlon im Vulkan Rano Raraku, dort, wo angeblich die Moais geboren wurden, das berühmte Haka Pei, bei dem die Mutigsten auf Bananenstämme einen Vulkanhang mit 45 Grad Gefälle herunterrasen - mit bis zu 80 Sachen. Der Höhepunkt nach zwei Wochen Party ist der große Umzug durch Hanga Roa, wo Tausende Leute, inklusive Touristen, fast nackt und mit Erdfarben bemalt, bei lauter Musik zum Festplatz ziehen, um die Inselkönigin zu krönen. Blasberg ist wie verzaubert: "Das war wirklich die tollste und unvergesslichste Zeit meiner ganzen Reise und ein erster Eindruck von der faszinierenden polynesischen Kultur und Lebensfreude."

Zwischendurch müssen die Segler wegen des schlechten Wetters immer wieder den Ankerplatz wechseln, können oft tagelang nicht an Land wegen der zu hohen Brandung. Einmal verliert Blasberg sein komplettes Ankergeschirr - gottlob gelingt es Freunden, dieses aus mehr als 20 Meter Tiefe wieder herauszutauchen. Etwas später trifft er in Mangareva Claudia und Jona aus Berlin, die mit ihrer Stahlyacht "Inti" unterwegs sind und zu sehr engen Freunden geworden sind. Jonas Schwester lebt seit Jahren auf der Osterinsel, alle verbringen viel Zeit mit der Familie. Gemeinsam wird eine Kuh geschlachtet und es wird gefischt. Auf dem Pferd werden Freunde besucht, fast täglich wird irgendwo anders gegrillt. Blasberg: "Am liebsten wäre ich dort einfach geblieben. Aber dann bekam ich die traurige Nachricht vom Tod meiner Mutter." Da man auf Rapa Nui unmöglich sein Boot zurücklassen kann, macht er sich an seinem 48. Geburtstag auf den Weg.

Beim obligatorischen Ausklarieren wird er trotz des abgelaufenen Visums noch von der Capitania geehrt, weil sein Boot seit langer Zeit das kleinste war, das die Osterinsel angesteuert hat und sein Kapitän zudem am längsten von allen geblieben ist. Es folgen noch mal zwei Wochen auf See und 1500 Seemeilen bis zu den Gambier Inseln, den südöstlichsten Inseln von französisch Polynesien. Hier sieht es aus wie eine Klischeepostkarte der Südsee: man ankert geschützt in einem Atoll mit Swimmingpool-blauem Wasser, große Mantarochen und bunte Fische schwimmen um die Boote. Ein wahres Paradies, nur leider sehr teuer. Dafür bekommt man von den Einheimischen alle Früchte geschenkt, die hier in Massen wachsen, wie Avocados, Bananen, Kokosnüsse, Pampelmusen, Papayas und Brotfrucht. Die meisten hier leben von der Perlenzucht und sind entspannt und gastfreundlich. Die Abraxas ankert in der Lagune, in der Obhut von Freunden. Stefan Blasberg fliegt von dort aus nach Tahiti und weiter über Los Angeles, Paris und München. Fünf Wochen verbringt er in der Heimat, schließt seinen Vater in die Arme und viele Freunde. Und doch ist es eine schwere Zeit des Abschiednehmens von der Mutter.

Weltumsegelung

SZ-Karte

Seit einigen Wochen ist Stefan Blasberg zurück auf den paar Quadratmetern, die seit gut zweieinhalb Jahren sein zweites Zuhause sind: in der Kajüte der Abraxas - "zurück in meinem schaukelnden Vagabundenleben". Er schmiedet Pläne, wie es weiter gehen könnte, vor allem finanziell. Die Zukunft ist völlig offen. Einerseits genießt der Weltumsegler die paradiesische Südsee - "wo ich schon immer hin wollte", will so viel wie möglich davon sehen und aufsaugen. Von hier soll es zunächst in das Insellabyrinth der Tuamotus und dann nach Tahiti gehen. Andererseits ist das Geld knapp. Blasberg will versuchen, irgendwo zu arbeiten, um die Reisekosten zu decken.

Denn der Traum soll noch etwas weitergehen: "Anders zu leben, kann ich mir momentan nicht vorstellen, auch wenn ich Freunde und Familie oft vermisse und die Zeit in Deutschland genossen habe."

Die SZ berichtet in lockerer Folge über die Weltreise von Stefan Blasberg. Teil 1 ("Auf einer Nussschale um die Welt"): 13. April 2015; Teil 2 ("Kokosnüsse, Kolonialkirchen, Kriminelle"): 29. Juli 2015; Teil 3 ("An der Schwelle zum Pazifik"): 16. Februar 2016; Teil 4 ("Wendemanöver am Ende der Welt": 1. September 2016; Teil 5 ("Robinson Blasberg"): 5. Januar 2017; Reiseblog und weitere Informationen, auch über Möglichkeiten des Reise-Sponsorings, gibt es im Internet unter www.alekistan.com

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