Reden wir über:Das Erdbeben bei Poing

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Brucker Seismologe Joachim Wassermann zu den Ursachen

Interview Von Stefan Salger

Seismologe Joachim Wassermann, 52, leitet das in Bruck ansässige Geophysikalische Observatorium. Die Erdstöße am Samstagabend bei Poing wurden von der Warte auf der Ludwigshöhe aufgezeichnet. Das Erdbeben dürfte von einer seit 2012 betriebenen Geothermieanlage ausgelöst worden sein.

SZ: Es ist das dritte Erdbeben in zwei Jahre, diesmal mit Magnitude 2,2. Spricht in diesem tektonisch stabilen Bereich nicht alles dafür, dass die Geothermieanlage Poing die Ursache ist?

Joachim Wassermann: Ein Zusammenhang drängt sich auf. Sie können auch anders herum fragen: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Geothermie nicht zumindest auslösend verantwortlich ist? Diese Wahrscheinlichkeit wird sehr gering ausfallen. Die zeitlich-räumliche Nähe zur Geothermie und der durchteuften Störung ist zu deutlich. Die Frage ist: Warum hat es so lange gedauert oder was machen sie in der Anlage anders als vorher?

Wurden im Bereich Poing vor der Inbetriebnahme bereits Beben registriert?

Wir betreiben seit nunmehr 16 Jahren das Bayernnetz mit einer Vollständigkeitsmagnitude so um die Magnitude zwei. Davor gab es schon seit 1905 und dann später und empfindlicher seit 1955 Stationen in München und Umgebung, wobei wir bisher nichts instrumentell registrieren konnten. Schriftliche Berichte reichen zurück bis ins 14. Jahrhundert und auch darin findet sich nichts über Beben nahe München.

Gibt es Erkenntnisse aus der Erdbebenforschung, die zu einem gefahrloseren Betrieb solcher Anlagen beitragen könnten?

Zunächst einmal: Schäden würde ich im Raum München erst erwarten, wenn wir über die Magnitude drei kommen. Fließraten oder insgesamt verpresste Volumina könnten eine Rolle spielen. Kraftwerke mit geringen Förderraten sind bisher nicht augenscheinlich geworden. Ob die Abkühlung eine Rolle spielt, muss noch untersucht werden. Was nach unserem Wissensstand eine Rolle spielt, ist, ob die Re-Injektion in eine vorherrschende Störungszone gebohrt ist, die möglicherweise hydraulisch mit dem darunterliegenden kristallinen Grundgebirge in Verbindung steht. Zudem spielt die Orientierung der Störungszone im rezenten Spannungsfeld wohl eine Rolle. Störungszonen sind wohl wichtig für den schnellen Abfluss des verpressten Wassers und können den Druck niedrig halten.

Bei Beben entladen sich Spannungen im Untergrund. Würden diese sich nicht sowieso entladen - später und stärker?

Kann man so einfach nicht sagen. Zum einen kann der Untergrund auftretende Spannungen über längere Zeiträume über Kriechvorgänge abbauen, da gibt es dann keine Beben. Zum anderen kann eine Kruste kritisch gespannt sein und es passiert eben nichts, weil der Auslöser fehlt. Greift der Mensch ein, dann ist er durch diese Aktion der Verursacher und damit haftbar.

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