Reden wir über:Abschiedsrituale und Trauerarbeit

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Foto: oh (Foto: N/A)

Psychologin Dagmar Seitz leitet neue Gruppe in Puchheim

Am Mittwoch, 18.30 Uhr, nimmt eine Trauergruppe in der evangelischen Auferstehungskirche in Puchheim ihre Arbeit auf. Zusammen mit dem Trauer- und Hospizbegleiter Ditz Schroer leitet Diplom-Psychologin Dagmar Seitz () die Runde, in der über Verlust, Trauer und die Bedeutung von Abschiedsritualen gesprochen werden kann.

SZ: Was passiert mit Trauernden?

Dagmar Seitz: Der Verlust eines geliebten Menschen bringt alles durcheinander, im Äußeren wie im Inneren. Es fehlt ein Teil von uns. Das ist schlecht zu akzeptieren und zeigt sich in Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Zorn, Ruhe- und Freudlosigkeit, Verlorenheits- und Einsamkeitsgefühlen, Orientierungs- und Konzentrationsproblemen, Schmerz - auch körperlichem - sowie psychosomatischen Problemen. Manche Menschen ziehen sich zurück, andere zeigen große Unruhe. Der Lebenssinn fehlt, das lässt an Gott und der Welt zweifeln. Trauer ist der natürliche Weg, einen Verlust zu verarbeiten. Jeder verarbeitet ihn anders und muss seinen Weg finden.

Was brauchen trauernde Menschen?

Sie benötigen Mitmenschen, brauchen Akzeptanz, Empathie, Verständnis für ihre Situation, auch der äußeren, eine ruhige, gelassene Gegenwärtigkeit, Zuhörfähigkeit und die Bereitschaft, einen inneren Raum zur Verfügung zu stellen. Manchmal benötigen sie auch tatkräftige, praktische Hilfe. Aber die Trauerarbeit, wie Sigmund Freud sie nennt, muss von den Betroffenen geleistet werden, um das durch den Verlust gestörte Selbst- und Weltverständnis wieder in die Balance zu bringen, einen neuen Bezug zu sich selbst und zur Realität zu gewinnen. Das verläuft in Phasen und jeder Mensch braucht dazu seine eigene Zeit.

Was kann eine Trauergruppe leisten?

Eine Trauergruppe ist ein Begleitungsangebot auf diesem Weg. Unser Angebot ist ein zeitlich begrenztes mit einer festen Gruppe - fast ein Kursangebot - unter fachlicher Begleitung. Hilfreich ist es, etwas Zeit nach dem Verlust vergehen zu lassen vor einem solchem Gruppentreffen. Die Gruppe bietet eine Rahmen, in dem Betroffene Erfahrungen austauschen können, sprechen oder auch schweigen können, ganz nach ihrem Bedürfnis. Sie erfahren einen Zugang zu dem, was da mit ihnen passiert ist, und erhalten unterstützende Angebote, das Erlebte zu verarbeiten, beispielsweise hilfreiche Rituale.

Trauer ist etwas sehr Privates. Ist es nicht schwierig, sich gegenüber Fremden zu öffnen?

Ja, es ist ein sehr persönliches Erleben. Aber oft ist es leichter, mit Fremden darüber zu sprechen, da sind die Erwartungen geringer. Und gleichfalls Betroffene verstehen leichter, was da mit uns passiert. Freunde und Bekannte sind meist verunsichert und fühlen sich gestört. Sie werden dadurch an die gesellschaftlichen Tabuthemen Tod und Trennung erinnert. Das ruft Hilflosigkeit und Berührungsängste wach, denen man gerne ausweichen möchte.

Sie treffen sie im evangelischen Gemeindezentrum. W elche Rolle spielen Religion und Glaube bei den Treffen?

Trauerbegleitung gehört zu den Aufgaben christlicher Gemeinden, deshalb der Treffpunkt. Unser Angebot ist jedoch nicht an bestimmte religiöse, spirituelle oder weltanschauliche Vorstellungen gebunden.

© SZ vom 20.01.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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