Puchheim:Von Abfall bis Tiramisu

Seidl im Stadtteilzentrum

Ins Stadtteilzentrum Planie ist Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl gekommen, um mit den Bewohnern des Viertels zu sprechen.

(Foto: Günther Reger)

Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl besucht das Planieviertel und hört sich dort Alltagsgeschichten an. Die Themen sind brisant, die Stimmung angespannt, aber schließlich finden alle zusammen

Von Peter Bierl, Puchheim

Die Frauen kommen aus Afghanistan, Italien, Georgien, Griechenland, Libanon, Polen und Rumänien und wollen "richtig gut Deutsch sprechen", wie es eine ausdrückt. Die Grammatik sei aber schwierig. Die meisten wohnen mit ihren Familien im Planieviertel in Puchheim und besuchen einen Sprachkurs, der im Büro des Quartiersmanagements abgehalten wird. Am Freitagvormittag fällt der Unterricht aus, Norbert Seidl (SPD) hat sich angesagt. Im Rahmen der Reihe "Bürgermeister vor Ort" besucht er jeden Monat eine öffentliche Einrichtung. Im Februar ist das Stadtteilzentrum an der Reihe. Etwa zwei Dutzend Einwohner sind gekommen, die Frauen aus dem Kurs stellen die Mehrheit.

Die meisten sind zufrieden in Puchheim. "Es gibt alles, was wir brauchen, Kindergarten, Schule, Geschäfte", meint eine Frau aus Polen. Ihre Nachbarin hingegen beklagt, dass in Puchheim am Abend die Gehsteige hochgeklappt würden. "Ab 18 Uhr ist doch kein Leben mehr hier", findet sie. Eine andere rügt den Zustand der Spielplätze. Es gebe zu wenig Spielgeräte, manche seien kaputt und in den Sandkästen fänden sich mehr Steine als Sand. Dabei seien Spielplätze ein gute Ort, um sich kennenzulernen und die deutsche Sprache zu lernen. "Wir wollen was machen", verspricht der Bürgermeister.

Auch das leidige Müllthema kommt zur Sprache. In der Adenauerstraße 17 sei das Treppenhaus schmutzig, manche Leute würden den Abfall einfach vor die Haustüre werfen. Ratten gebe es dort, berichtet eine Frau. "Die Anwohner sind selber schuld", sagt eine andere und die dritte fordert eine Videoüberwachung. "Das ist nicht erlaubt, das müssen Sie untereinander klären", stellt Seidl fest.

Als eine Frau erzählt, wie sie einmal jemanden zur Rede gestellt habe und dann als Ausländerin "angemacht" worden sei, platzt einem der anwesenden deutschen Puchheimer der Kragen. Der Mann hat die Beschwerde der Migrantinnen so verstanden, als wollten diese den Deutschen vorwerfen, sie würden einfach achtlos Müll wegwerfen. So hat es aber niemand gesagt.

Das zeigt, wie schwierig das Miteinander in dem Hochhausviertel sein kann, wenn reale Probleme nicht als solche wahrgenommen, sondern Ausländern in die Schuhe geschoben werden. Selbst von denen, die zu solchen Treffen kommen und miteinander reden wollen. Eine andere Teilnehmerin unterstellt, die Migranten würden keine Miete bezahlen, seien alle erwerbslos und würden vom Sozialamt alimentiert. Ein älterer Herr will seinen Unmut darüber loswerden, dass Kinder nächtens durch das Viertel toben: "Wann bringt ihr eigentlich Eure Kinder ins Bett." Die Frauen reagieren cool. "Wenn meine Kinder nicht schlafen, habe ich auch Stress", antwortet eine Frau aus Georgien. Ihre Sprösslinge müssten unter der Woche früh ins Bett, am Wochenende dürften sie länger aufbleiben. Warum auch nicht, fragt sie zurück. Im Übrigen höre sie selbst oft lärmende Kinder aus der Nachbarwohnung, "aber ich beschwere mich nicht gleich". Eine andere Frau weist darauf hin, dass Jugendliche eben nicht so früh zu Bett gehen wollen und fragt den Herrn, wie es denn bei ihm früher gewesen sei.

Der Bürgermeister interpretiert solche Streitpunkte als Generationenkonflikte. Er sieht aber die Notwendigkeit, im Viertel Treffpunkte für die Jugendliche zu schaffen, insbesondere für die Zwölf- bis 14-Jährigen.

Am Ende des Gesprächs servieren die Frauen aus dem Sprachkurs eine selbstgemachtes Tiramisu, die Deutschen bedanken sich auf Italienisch. Man kommt ins Gespräch. Zusammenleben könnte manchmal so einfach sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: