Puchheim:Tänzer gesucht

Tanzgala Puchheim

Lateinamerikanisches Temperament: Calogero Frisina und Jelena Balac (zweites Paar von unten) gewinnen die Tanzgala in Puchheim.

(Foto: Günther Reger)

Junge Männer spielen Fußball, aber tanzen wollen sie nicht. Für die Sportvereine ist das ein Problem

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Jungen werden in den Tanzsportclubs immer mehr vermisst. Viele Mädchen warten dort auf junge Standard- und Lateintänzer, aber die kommen nicht. Calogero Frisina ist eine Ausnahme. "Der Sport hilft mir in der Schule", sagt der 16-Jährige fest überzeugt. "Die Disziplin", die er beim Tanzsport lerne, helfe ihm auch sein Schulleben zu organisieren. Erstaunlich ist auch das Pensum, das er zusammen mit seiner jungen Partnerin Jelena Balac täglich absolviert. Der Erfolg bleibt nicht aus. Vor sechs Wochen gewannen sie das Latein-Turnier in Germering, jetzt siegten sie auch bei der Tanzgala des Tanz- und Turnierclubs München in Puchheimer Kulturzentrum (Puc).

Der TTC München richtete das Turnier der Hauptgruppe-A, der zweithöchsten Amateurklasse, mit Hilfe von Alemana Puchheim aus. "In dieser Größenordnung für etwa 200 Besucher finden wir in München keinen passenden Raum", erklärt TTC-Vizepräsidentin Dagmar Schuhmann. Der Puchheimer Tanzsportclub war einst in Bayern bei den Turniertänzern mit führend. Übrig geblieben sind heute einige durchaus erfolgreiche Seniorenpaare im Standardtanzen, bei den Lateintänzern herrscht jedoch absolute Ebbe. So war auch beim Lateinturnier vor der Haustür von Alemana unter neun Turnierpaaren keines aus Puchheim dabei. "Unser letztes Paar, Martin und Steffi König, sind gerade Eltern geworden", erläutert Heike Junker, als die sechs besten Paare gerade im Finale die gefühlvolle Rumba absolvierten. Junker ist bei Alemana für den Bereich Veranstaltungen verantwortlich. 220 Mitglieder habe Alemana noch, berichtet sie, aber um den Nachwuchs sei es schlecht bestellt, weil die Jungs fehlten.

Die Tanzsportvereine hatten schon immer Probleme, männlichen Nachwuchs zu finden, doch so zugespitzt wie heute zeigte sich die Misere noch nie. Das liegt natürlich auch an der Anziehungskraft des Fußballs, der anderen Sportarten besonders die männlichen Talente raubt. Mit Tanzen kann sich kein Junge vor anderen Jungen profilieren. Im Gegenteil: "Wenn ein Junge sagt, er tanzt, wird er in der Schule belächelt", weiß Schuhmann. Der TTC München, der mit seinen 450 Mitgliedern in Pasing an der Planegger Straße daheim ist, könnte sich indes auf mehreren Dutzend Turnierpaaren ausruhen. Aber der Verein kümmert sich auch um den Nachwuchs. Calogero Frisina könnte hier Vorbild sein. Doch auch er übte seinen Sport lange Zeit im Verborgenen aus. "Ich habe das Tanzen, bis ich 14 war, geheim gehalten." Als er sich in der neunten Klasse dazu bekannte, brachte das dem Gymnasiasten aber große Sympathien bei den Mädchen ein: "Die fanden das cool." Er habe schon mit acht Jahren mit dem Tanzen begonnen. Fußball oder andere Ballsportarten seien für ihn nie in Frage gekommen. Drei Jahre tanzte Calogero mit seiner jüngeren Schwester. Seine spätere Partnerin Jelena Balac kannte er seit der Grundschule. "Genau an meinen elften Geburtstag habe ich ihn angerufen, ob er mit mir tanzt", erzählt Jelena.

Seitdem verbringen Jelena und Calogero, heute 15 und 16 Jahre alt, quasi ihre gesamte Freizeit zusammen. Sie trainieren wie andere Spitzensportler auch bis zu vier Stunden am Tag, um die fünf Lateintänze Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso Doble und Jive zu perfektionieren. Fünf Tänze - jeweils 90 Sekunden lang - auf diesem Niveau sind anstrengend und schweißtreibend. Neben tänzerischem Können ist eine ausgeprägte körperliche Fitness notwendig. Bei fünfmal Training in der Woche und Turnieren an Wochenenden bedarf es eines straffen Zeitplans. "Ohne den geht es nicht", sagt Calogero. Er komme um 16 Uhr aus der Schule und fahre dann direkt zum Training. Er ist in der elften Klasse und lernt in den Freistunden. Ganz ähnlich sieht es bei Jelena aus, die in die zehnte Klasse eines Gymnasiums geht.

Das Training leitet der einst erfolgreiche Lateintänzer Rudi Gavron. Er ist seit 17 Jahren beim TTC und beeindruckt von der Disziplin des jungen Paares. "Die Jungs treibt der Wettkampf an", sagt er und Calogero nickt. Für Jelena ist etwas anderes wichtig: "Mir macht es Spaß, auf der Fläche zu stehen und die Leute zu unterhalten." Die beiden haben jetzt alle Punkte und Platzierungen zusammen und sind in die Latein-Sonderklasse - die höchste deutsche Amateurklasse - aufgestiegen. "Wir werden weiter die Werbetrommel rühren, dass wir wieder Nachwuchs bekommen", bekräftigt der Vereinsvorsitzende Georg Stockinger noch, als Calogero und Jelena die Glückwünsche für Platz eins empfangen.

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