Puchheim:Schimmel und kaputte Heizungen

Mieter aus den Wohnblöcken in der Puchheimer Planie beschweren sich über die vielen Mängel der Wohnungen aus den Siebzigerjahren. Eine neue Hausverwaltung verspricht nun Abhilfe für die Häuser, die sie betreut. Einige Bewohner und ihr Anwalt sind allerdings skeptisch

Von Peter Bierl, Puchheim

Die schwarzen Flecken sind am Fenster, an der Wand, in den Ecken, an der Decke und hinter Heizkörpern. Dabei hat Majeed Aljbory* den Schimmel erst vor ein paar Tagen mit Schwamm und Essigessenz abgewischt. Das hat er schon öfter gemacht, aber die Flecken kommen immer wieder. "Ich lüfte jeden Tag mehrmals", betont er. Seit fünf Jahren lebt Aljbory mit seiner Familie in der Zwei-Zimmer-Wohnung in der Kennedystraße im Planieviertel von Puchheim und zahlt 600 Euro Kaltmiete. Er ist Informatiker, hat zwei Jobs und engagiert sich ehrenamtlich im Quartierbüro. Dreimal habe er der Hausverwaltung wegen des Schimmels geschrieben, aber es kam keine Reaktion. "Das ist denen egal, die sagen, das sind bloß Ausländer."

Aber es trifft auch Eingeborene wie Susanne Maier, die seit 30 Jahren in der Heussstraße wohnt. Auch sie hat den Schimmel an der Außenwand im Wohnzimmer selber weggemacht. "Ich lüfte extrem", versichert Maier, weil sie den Vorwurf kennt, die Leute seien selbst schuld. In ihrem Schlafzimmer ist es feucht. Dreimal musste sie die Wände verspachteln und streichen bis die Farbe hielt. Auch der Waschraum im Keller sei total verschimmelt gewesen. Maier meldete es der Hausverwaltung, der Raum sei gestrichen worden, aber ob davon der Schimmel weggeht, das bezweifelt sie.

Schimmel in der Wohnung

Majeed Aljbory zeigt, welche Stellen in seiner Wohnung von Schimmel befallen sind.

(Foto: Günther Reger)

Als Mohammed und Sama Hassan, vor drei Jahren mit ihren beiden Kindern in die Kennedystraße 18 einzogen, war die Küche total verschimmelt. Der Hausmeister habe ihnen gesagt, das müssten sie selber wegmachen. Sie haben die schwarzen Flecken weggekratzt, die Tapeten abgelöst und neue drauf geklebt. Inzwischen sind darauf neue Flecken zu sehen. Immerhin scheint die neue Hausverwaltung mit dem schönen Namen Pecunia, das lateinische Wort für Geld, auf Beschwerden zu reagieren. Vor ein paar Wochen kamen Handwerker und haben den Schimmel im Bad weggemacht, erzählt Sama Hassan. Für die Dreizimmerwohnung zahlt die Familie über 800 Euro.

Einige Stockwerke darüber, bei der dreiköpfigen Familie Abdulla, sieht es ähnlich aus: Schimmel an allen Außenwänden nach Norden, in Schlafzimmer, Bad und Küche. Er habe die Hausverwaltung informiert, aber keine Antwort bekommen. Das Telefon sei immer belegt oder der Anrufbeantworter an, sagt Yaseen Abdulla.

Hanno Lang-Berens hat einige solcher Wohnungen angeschaut. Dass Schimmel auftritt, liege mitunter schon daran, dass manche Mieter nicht wissen, wie man richtig lüftet, sagt der Energieberater von der Verbraucherzentrale Bayern. Deswegen hat er im Quartierbüro schon eine Informationsveranstaltung abgehalten. Aber es gibt noch andere Ursachen. So wurden in manche der alten Wohnblöcke zum Teil neue Fenster eingebaut. "Die Kombination aus alten, ungedämmten Außenwänden und neuen dichten Fenstern funktioniert nicht. Das ist die Verantwortung des Vermieters", sagt Lang-Berens. Entweder müssten die Hausfassaden gedämmt oder in alle Zimmer automatische Lüftungsanlagen eingebaut werden. Beides sei teuer und amortisiere sich erst nach etwa zehn Jahren. Obendrein hat Lang-Berens Lüftungsanlagen in innenliegenden Bädern entdeckt, deren Ventilatoren nicht funktionierten, oder die Filter waren verstopft, weil sie seit Jahren nicht gereinigt worden waren.

Schimmel in der Wohnung

Überall sitzt der Schimmel, zum Beispiel am der Fensterrahmen.

(Foto: Günther Reger)

Es gibt jede Menge Probleme in der Planie, dem Viertel, das in der Boomphase um 1970 auf dem Gelände der früheren Münchner Hausmülldeponie aus dem Boden gestampft wurde. Es gibt Probleme mit dem Müll, der sich vor Containern stapelt, mit kaputten Aufzügen, verdreckten Fluren und Treppenhäusern. Die meisten Häuser stammen aus den frühen Siebzigerjahren. Wer durch die Anlage geht oder sich die Fliesen in Badezimmern anschaut, fühlt sich in die Vergangenheit versetzt. Für den Denkmalschutz fehlt das Flair, und die Bewohner würdigen die Ausstattung nicht gerade als Retrostil. Zumal die Heizungen aus der Bauzeit stammt.

In der Wohnung der Familie Kamal in der Adenauerstraße schließen die Fenster nicht richtig, die Haustüre lässt sich nicht von innen absperren, die Heizkörper funktionieren seit Jahren nicht. Sie haben selber einen neuen Boden verlegt und stellen im Winter einen Radiator auf. "Trotzdem ist es hier wie in einem Kühlhaus", sagt Aref Kamal. Seine Mutter klagt über Schmerzen in den Gelenken wegen der Kälte. Die Hausverwaltung habe Handwerker geschickt, die den Schaden aber nicht beheben konnten. Andere Mieter auf dieser Seite des Wohnblocks hätten das gleiche Problem, sagen sie.

Schimmel in der Wohnung

Auch die Ecke hinter der Vorhangstange ist vom Schimmel befallen.

(Foto: Günther Reger)

Dennoch werden Mieter kräftig zur Kasse gebeten. Der Anwalt Andreas Süssenguth, der insgesamt 40 Mieter wegen diverser Mängel vertritt, berichtet von "gigantischen Heizkostenrechnungen und Energieverschwendung". So habe man von Mietern für 70 bis 80 Quadratmeter Heizkosten in Höhe von 4000 bis 5000 Euro im Jahr verlangt. In der Adenauerstraße 32 seien die Energiepreise im Vorjahr um 60 Prozent gestiegen. "Warum weiß keiner", sagt der Anwalt.

Der Energieberater hat ein paar Erklärungen parat. Wenn in den alten ungedämmten Einrohrleitungen jemand im achten Stock die Heizung aufdreht, ist die Hälfte der Energie weg, bevor sie oben ankommt. Selbst wenn die Heizkörper nicht funktionieren, werden Mietern die Grundgebühren in Rechnung gestellt. Lang-Berens berichtet von einer Wohnung, in der vier Heizkörper nicht funktionieren. "Die Leute sollten 500 bis 600 Euro bezahlen, obwohl sie im Winter gefroren haben."

Puchheim: Sozialer Brennpunkt PLANIE / mit Buergermeister Marga Wiesner (SPD)

Aljbory ist keineswegs der einzige Mieter, der in den Hochhäusern in der Planie unter dem Problem leidet.

(Foto: Johannes Simon)

Ein spezielles Puchheimer Problem ist die Fernwärme, die Lang-Berens als erheblich teuerer als Öl oder Gas kritisiert. Er hat eine Abrechnung geprüft und ausgerechnet, dass die Kosten im Abrechnungsjahr 2013/2014 bei 155 Euro je Megawattstunde lagen. Bei einer Gaszentralheizung wären es etwa 60 bis 70 Euro gewesen. Die Kosten für die Heizung trägt bei Sozialhilfeempfängern das Landratsamt, bei Erwerbslosen das Jobcenter. Wer einen stromfressenden Radiator aufstellt, zahlt in jedem Fall aus eigner Tasche. "Der Mieter ist chancenlos, die Stadt müsste einschreiten und mit dem Energielieferanten reden", sagt der Energieberater.

Auch der Jurist meint, dass die Mieter keine guten Karten haben, solange die Heizanlage läuft und dem Stand der Technik von 1972 entspricht. "Die tun nichts, die machen nichts", lautet sein Fazit nach vier Jahren Tätigkeit für diverse Mandanten. Allenfalls bei Neuvermietungen werde das Allernötigste repariert und dann höhere Mieten verlangt. Susanne Maier hat mit seiner Hilfe immerhin kleine Erfolge erzielt. Sie sollte 150 Euro im Monat für die Heizung bezahlen, jetzt sind es 80 Euro. Ihrem Widerspruch gegen eine Mieterhöhung gab das Gericht recht, aber trotzdem bekomme sie immer noch Mahnungen von der Pecunia, berichtet Maier der SZ.

Gefährliche Sporen

Schimmel muss so schnell wie möglich beseitigt werden, weil er die Gesundheit gefährden kann, betont Rudolf Summer, der Leiter des Gesundheitsamtes in Fürstenfeldbruck. Die Gefahr besteht in einer "Allergisierung" der Betroffenen. Die Pilze geben Sporen ab, die eingeatmet werden. Dadurch kann eine Sensibilisierung der Personen entstehen, die sich in Tests nachweisen lässt. Schließlich treten Symptome wie Neurodermitis, Heuschnupfen und tränende Augen auf. Im Extremfall kommt es zu Asthma. Das beginnt mit einem trockenen Husten. Wer die Symptome hat, sollte sich untersuchen lassen, rät Summer. Schimmel sollte sofort mit einem chlorhaltigen Mittel entfernt, die Stellen mit dem Fotoapparat dokumentiert und ein Sachverständiger eingeschaltet werden, der die Ursachen klärt. bip

Die Wohnungen gehören Hyresbostäder. Dieser skandinavische Fonds besitzt 440 Wohnungen in der Planie, etwa ein Drittel des gesamten Bestandes. Die Hausverwaltung hatte die Firma Integra vier Jahre lang inne, seit 1. Januar ist die Pecunia aus Kiel zuständig. Auf eine aktuelle Anfrage der SZ antwortete die Integra, sie habe die Verwaltung abgegeben und sei von ihren bisherigen Geschäftspartnern nicht autorisiert worden, Auskünfte an Dritte zu erteilen. Vor zwei Jahren teilte die Hausverwalterin der Integra schriftlich mit, man habe bei der Übernahme 2010 einen gewissen "Instandhaltungsrückstau" festgestellt. "Wir arbeiten von Anfang intensiv daran, diesen zu beseitigen." Was die Beschwerden der Mieter betrifft, hieß es damals: "Einzelfälle werden sorgfältig bearbeitet, Einwände, falls berechtigt, korrigiert."

"Wir haben sämtliche Probleme geerbt und wollen das abarbeiten", erklärt nun Arne Mantey, Geschäftsführer der Pecunia, der SZ. Man habe deshalb eigens ein Büro im Viertel eingerichtet. "Wenn Mängel gemeldet werden, dann werden die abgearbeitet", versprach Mantey. Beim Schimmel liege es manchmal am Objekt, manchmal am Lüften oder an beidem. Das müsse man prüfen. Und wenn ein Heizkörper nicht funktioniert, "dann schicken wir einen Handwerker hin und fertig". Mietminderungen bei Schäden werde Pecunia akzeptieren, das stehe Mietern rechtlich zu.

Die Mitarbeiter des Quartierbüros, die im Rahmen des Projektes Soziale Stadt beraten und Mieter und Eigentümer zusammenbringen sollen, loben Pecunia. Sie verweisen auf einen kaputten und vermüllten Wohnwagen, den die Hausverwaltung entfernen ließ. Der Bürgermeister erzählt, dass die Kommune Druck auf die Eigentümer gemacht habe, damit die Hausverwaltung wechselt. "Pecunia ist bereit, Abhilfe zu schaffen, aber es wird dauern", glaubt Norbert Seidl (SPD).

Der Anwalt ist dagegen skeptisch. Seine Schreiben würden weiter ignoriert und seine Mandanten bekämen Mahnungen. Die Integra habe ein Büro in München mit mehreren Mitarbeitern gehabt, jetzt sitze ein einziger Mitarbeiter der Pecunia in Puchheim. Susanne Maier bedauert den Mitarbeiter der Hausverwaltung vor Ort, der alles ausbaden müsse. Sie hat früher an Gesprächen teilgenommen, zu dem die Kommune Bewohner und Hausverwalter, Stadträte und Verwaltungsleute eingeladen hatte. "Man war positiv gestimmt, aber nichts passierte", erzählt Maier. Sie zweifelt, dass es besser wird. Ein Problem sei, dass die Hausverwaltungen häufig wechseln. "Jede schiebt die Schuld für Missstände auf die andere. Es werden Versprechungen gemacht und nichts passiert."

Majeed Aljbory will weg aus Puchheim. Die Familie stammt aus dem Irak, vergangenes Jahr wollten sie zurück nach Kirkuk, als die Terrormiliz IS kam. Jetzt will Aljbory wenigstens nach München umziehen. "Ich habe Angst um meine Kinder und ihre Gesundheit", sagt er. Die vierjährige Aseel und die zweijährige Iman husten schon.

* die Namen aller Mieter wurden von der Redaktion geändert

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