Puchheim:Ohne Fahrscheine

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Immer wieder melden S-Bahn-Kontrolleure Flüchtlinge als Schwarzfahrer, weil diese kein gültiges Ticket vorweisen können. Zwei Puchheimer Stadträte fordern eine andere Regelung

Von Peter Bierl, Puchheim

Das Tarifsystem des MVV ist schon für viele Einheimische schwer zu begreifen, für Flüchtlinge ist es fast unmöglich. Immer wieder werden Asylbewerber ohne, mit nicht oder falsch gestempelten Tickets von Kontrolleuren erwischt und müssen 60 Euro bezahlen. Der Puchheimer Stadtrat Reinhold Koch (UBP) kritisiert deswegen diese Regelung. Rosemarie Ehm, die den Asylhelferkreis koordiniert, fordert, dass Flüchtlinge kostenlos fahren dürfen. Ein Sprecher der Bahn sagte, die Frage müsste politisch geklärt werden.

Die Betreuer geben sich große Mühe, den Flüchtlingen zu erklären, wie das MVV-System funktioniert. "Ich erkläre das sehr oft und immer wieder, weil ja immer wieder neue Leute ankommen, und ich mahne die Leute auch, bitte, bitte, den Fahrschein nicht vergessen", erzählt Michaela Dijakovic von der Diakonie der SZ. Sie ist für die Sozialberatung zuständig und betreut die Flüchtlinge in der Puchheimer Turnhalle. Auch in den Sprachkursen seien Fahrkarten und Tarifsystem ein großes Thema.

Es sei für diese Menschen nicht einfach, das komplizierte System des MVV zu begreifen, noch dazu angesichts der Sprachbarriere. Immer wieder würden Flüchtlinge mit falschen oder falsch gestempelten Tickets erwischt. Wie viele Asylbewerber betroffen sind, kann keiner sagen. "Manche schämen sich. Für die Leute ist das sehr unangenehm", erzählte Dijakovic der SZ. Manche bezahlen die Strafe gleich, sofern sie genug Geld dabei haben.

"Für Menschen, die nicht viel haben, ist das eine Menge Geld", sagt Dijakovic. Denn Flüchtlinge, die in Hallen wie in Puchheim untergebracht sind, wo das Essen angeliefert wird, bekommen vom Landratsamt nur 185,96 Euro im Monat ausgezahlt. Davon geht schon mal der Preis für den Fahrschein ab, den sie brauchen, um das Geld im Landratsamt abzuholen. Manche wenden sich mit den Zetteln, die die Kontrolleure ihnen aushändigen, an die Asylhelfer. Die wiederum setzen sich mit der Fahrpreisnacherhebungsstelle in Baden-Baden in Verbindung.

"Man ruft an, hängt eine Viertelstunde in der Warteschleife und wird dann weiter verbunden", erzählt Koch. Die Mitarbeiter der Bahn dort seien sehr freundlich. Mehr als eine Ratenzahlung von zehn Euro pro Monat können die Helfer aber in der Regel nicht aushandeln.

Das führt zum nächsten Problem, die Flüchtlinge haben kein Konto, um die Raten zu überweisen. Laut Koch und Dijakovic gibt es lediglich eine Bank, die solche Konten einrichtet, allerdings würden dann pro Überweisung sechs Euro fällig. "Das ist ein Unding. Für die Asylhelfer geht sehr viel Zeit drauf und am Ende zahlt eine Stelle der öffentlichen Hand an die andere", rügt Koch.

Auch Stadträtin Ehm (SPD) vom Helferkreis spricht von einer "Riesenarbeit" und Scherereien. Viele würden nach München fahren und dabei erwischt. Flüchtlinge dürfen sich ohnehin nicht frei bewegen, sondern nur in dem Landkreis, in dem sie untergebracht sind, und in den umliegenden Kreisen. Die Konsequenz ist für Ehm klar: "Wir müssen dafür eintreten, dass die Leute umsonst fahren können." Über Ausnahmen müssten die Politiker entscheiden, das könnten nicht die Verkehrsunternehmen oder gar die Kontrolleure tun, betonte ein Sprecher der Bahn. "Der Kontrolleur schaut nur nach, ob alle Fahrgäste einen gültigen Fahrausweis haben."

Ein Sozialticket wie in München die Isarcard S in Verbindung mit dem München-Pass der Stadt gibt es für den Landkreis nicht. Allerdings wäre der Preis für Flüchtlinge wohl auch zu hoch, schätzt Martin Schuster, der Leiter des Ausländeramtes in der Kreisbehörde. Dort werden 28 Euro im Monat für den MVV-Innenraum fällig.

In den MVV-Bussen im Landkreis würden Flüchtlinge ohne Fahrschein nicht übermäßig auffallen, sagte Hermann Seifert, der ÖPNV-Verantwortliche im Landratsamt. Die Schwarzfahrer-Quote liege zwischen acht und 15 Prozent, je nach Linie, Uhrzeit und Wetter. Wenn es regnet, würden manche Schüler versuchen, schwarz mit dem Bus zu fahren.

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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